Vertrauter Fremder

Oder: der »Gläserne Hotelgast«

© Aman Resorts

Text Andres DAMM

Der Kunde ist König, das gilt nirgendwo mehr als in der Luxushotellerie. Doch neben den altbekannten Zutaten, die einen Fünfsterne-Tempel schon seit jeher ausgemacht haben, setzen heute immer mehr Häuser zusätzlich auf neuartige technische Raffinessen um ein ganz besonders inniges Verhältnis zu ihren Gästen, um einzigartige und vor allem individuell angepasste Aufenthalte zu kreieren und so Kunden an sich zu binden. Im Zeitalter von Datenschutz als allgegenwärtiges Reizthema ist es allerdings nicht immer ein ganz einfaches Unterfangen, die jeweiligen Gastwünsche bereits dann zu erfüllen, wenn sie noch gar nicht ausgesprochen wurden …

Die internationale Luxushotellerie definiert sich darüber, immer wieder neue Maßstäbe zu setzen. Insbesondere das letzte Jahrzehnt veranschaulichte mit so manch imposantem Projekt, in welchen Dimensionen Investoren und Hoteliers bereit sind zu denken und zu handeln, um beim Buhlen um die anspruchsvollste Klientel ganz vorne mit dabei zu sein. Dabei sind es nicht nur edelste Ausstattungen und ein schier unbegrenztes Platzangebot, die heute Luxus beim Reisen definieren. Auch die Service-Standards bewegen sich in der Fünfsterne-Deluxe-Kategorie auf einem zuvor nie da gewesenen Niveau.

 

© PR Park Hyatt Bangkok

PARK HYATT Bangkok, Die Lobby des Hotels ist ein futuristisches Gesamtkunstwerk und spiegelt auf intelligente Weise architektonisch die Zukunftsgewandtheit des Hauses wider, die auch in den technischen Raffinessen des Hotels erkennbar ist. Sanfte indirekte Beleuchtung schafft trotz modernen Designs eine warme Grundatmosphäre. 

 

Es klingt fast zu schön um wahr zu sein: Man betritt ein Hotel, in dem man noch nie zuvor war, wird namentlich und mit dem Lieblingsgetränk begrüßt, das Kissen auf dem Bett im Zimmer hat exakt den Härtegrad, den man als am angenehmsten empfindet und der Flachbildschirm weiß, welche Folge seiner aktuell präferierten Netflixserie man zuletzt gesehen hat. Was nach futuristischer Idealvorstellung klingt, ist allerdings in manchen Hotels zumindest in Anklängen bereits heute schon Realität.

Doch um genau diesen ganz speziellen und individuell angepassten Luxus bieten zu können ist es unerlässlich, gewisse Daten vom (zukünftigen) Gast parat zu haben und auf technologische Hilfsmittel zurückzugreifen. Und tatsächlich gibt es Software und Suchmaschinen, die es Hoteliers gezielt ermöglichen, im Vorfeld Gäste online zu recherchieren und so, wie durch Zauberhand, auf Gewohnheiten und Vorlieben einzugehen. Dank Zugriff auf Social-Media-Plattformen und die dortigen Profilbilder ist dann unter anderem beim Checkin quasi durch Gesichtserkennung auch die namentliche Begrüßung möglich.

Rechtlich befindet sich diese Form der Gastrecherche in einer Art Grauzone, denn während das Hotel als vorübergehende Beherbergungsstätte zur Erhebung bestimmter Daten sogar verpflichtet ist, dürfen nach der geltenden Datenschutz-Grundverordnung personenbezogene Daten der Gäste nur dann verarbeitet werden, wenn es für die Durchführung des Beherbergungsvertrags erforderlich ist. Was allerdings genau unter diese Notwendigkeit fällt, ist bis zu einem gewissen Maße Interpretationssache. So ist die Erhebung und Archivierung von Gästedaten während eines Aufenthalts im Allgemeinen legitim, die Erstellung eines Gastprofils mit Ess- und Schlafgewohnheiten durchaus üblich.

 

© PR Andaz 5th Avenue

ANDAZ 5TH AVENUE, New York,  Das Luxushaus nimmt im Bereich Innovationen eine Vorreiterrolle innerhalb der Hyatt Gruppe ein. Neben technischen Raffinessen wurden hier auch Serviceideen wie der »Andaz Host«, ein Hotelmitarbeiter der als persönlicher Ansprechpartner für den Gast gleichzeitig Concierge, Bellboy und Doorman ist, entwickelt.

 

Deutlich eleganter als in Eigeninitiative Infos über Gäste in den Weiten des World-Wide-Web zu suchen ist es in jedem Fall, in Zusammenarbeit mit dem Gast und somit mit seinem erklärten Einverständnis zu arbeiten, um den Komfort zu erhöhen und gewisse Prozesse während des Aufenthaltes zu vereinfachen. Hier ist ein enorm hilfreiches Mittel zum Zweck die eigene Hotel App, wie sie mittlerweile einige der großen Ketten nutzen. Die Hyatt Gruppe beispielsweise hat gerade erst im August dieses Jahres die Funktionen ihrer App grundlegend erneuert und erweitert, sodass Gäste ihren Aufenthalt maximal personalisieren können. So kann auf Wunsch in manchen Hotels der Gruppe das eigene Handy die Schlüsselkarte ersetzen, und gleichzeitig dazu dienen, sich das Frühstück oder das Bügeleisen per Knopfdruck aufs Zimmer zu bestellen. Zusätzlich können bereits vor der Anreise besondere Präferenzen eingegeben werden, selbst der Check-Out ist via App möglich. Besonders für Vielreisende reizvoll ist die Funktion, personifizierte Inhalte auf dem Fernseher im Hotelzimmer zu streamen. Wer beruflich jede Nacht in einem anderen Bett schlafen muss, bekommt so wenigstens beim Anschalten des Flachbildschirms ein bisschen das Gefühl von heimeliger Gewohnheit suggeriert.

Sämtliche Funktionen sind bei Hyatt selbstverständlich optional, schließlich ist die Definition von Luxus auf Reisen höchst subjektiv. Der eine möchte ein Maximum an persönlichem Austausch und Digital-Detox fernab der Heimat erleben, der andere will vor einem langen Flug oder einem Geschäftstermin keinen Check-Out-Smalltalk mit dem Rezeptionisten halten.

Die Resonanz auf die Hi-Tech-Individualisierung des eigenen Aufenthaltes ist äußerst positiv, weshalb mittlerweile nicht nur verschiedene Hotelketten wie Starwood und Hilton, sondern auch Hotelallianzen wie The Leading Hotels of the World ihren Kunden in Form einer App die Möglichkeit geben, sich ihre Reisen per Swipe zu personalisieren. Dabei kann eine App in der Reisebranche praktischerweise auch vor Check-In und nach Check-Out ein wichtiges Instrument sein, um die Kundenbindung zu stärken. Zum einen indem angegliederte Treueprogramme diverse Goodies wie Upgrades und kostenlose Übernachtungen offerieren, zum anderen aber ganz einfach durch eine aufrecht gehaltene Kommunikation in Form von Newslettern und Angeboten per Push-Notification.

Ein angenehmer Nebeneffekt, den die zur Komfortsteigerung gesammelten Daten bieten können, ist die Verwendbarkeit bei der Optimierung von wirtschaftlichen Prozessen. Ist beispielsweise ein Hotel ausgebucht, kann es, wenn bekannt ist, dass eine gewisse Anzahl an Gästen nach einer gewissen Uhrzeit eincheckt, risikolos kostenpflichtige Late-Check-Outs verkaufen.

Doch natürlich würde es die Situation in einer Branche, die nach wie vor zu allererst vom Servicegedanken und somit auch von zwischenmenschlichen Interaktionen geprägt ist, ad absurdum führen, würde man alleine auf Technologien setzen, um das Wohlbefinden der Kunden zu steigern. Eine mindestens genauso wichtige, wenn auch etwas weniger klar steuerbare Komponente im Prozess der Erlebnisoptimierung für den Gast sind weiterhin ganz klar die MitarbeiterInnen und deren perfekte Schulung.

Ein besonders sinnliches Beispiel für diesen Ansatz bilden die Aman Resorts, bei denen Komfort weiterhin nur sehr bedingt durch Technik, sondern oftmals sogar durch die Abwesenheit dieser kreiert wird. In Zeiten der Reizüberflutung durch allgegenwärtige Hi-Tech-Gimmicks wird man in einem Aman-Zimmer trotz Preisen von teilweise über 1.000 Euro pro Nacht vergeblich nach Tablets imZimmer suchen, die gleichzeitig die Klobrille beheizen und die Fensterfront verdunkeln können. Luxus bedeutet bei Aman vielmehr eine angenehme Reduktion aufs Wesentliche, beziehungsweise zumindest die Möglichkeit dazu. Im Gegenzug geht man jedoch bei der persönlichen Kundenbetreuung in die Vollen und versucht so, ganz individuell Wünsche zu erfüllen und Präferenzen anzupassen.

Dabei scheinen die MitarbeiterInnen in den Resorts auffallend entspannt und mit der nötigen Zeit ausgestattet zu sein, um auch mal eine längere Unterhaltung mit einem Gast führen zu können und so ein ganz besonderes Gefühl von Gastfreundlichkeit zu vermitteln. Das Ergebnis? Es gibt wohl kaum eine andere Hotelkette mit einer ähnlich loyalen Stammklientel. Es gibt Aman-Fans, die sich selbst stolz »Amanjunkies« nennen und auf der Mission unterwegs sind, jedes Haus der Hotelgruppe zumindest einmal besucht zu haben. Das Hotel ist also nicht mehr bloß Unterkunft, sondern wird selbst zur Destination. Viel mehr kann man sich als Hotelier kaum wünschen.

 

©  Baglioni Hotels & Resorts

BAGLIONI HOTEL REGINA, Venedig In den Suiten und Zimmern des 5 Sterne Hotels setzt man auf traditionelle Eleganz gepaart mit subtilen Hinweisen auf die italienischen Wurzeln des Unternehmens. Hauptakteur ist in diesem Zimmer jedoch die Aussicht.

 

Auch Guido Polito, der CEO und Sohn des Gründers der nach wie vor privat geführten italienischen Hotelgruppe Baglioni betont, dass das allerwichtigste Mittel zur Kundenbindung der persönliche Kontakt zwischen MitarbeiterInnen und Gästen ist. »Unsere Stammgäste haben ihre eigenen Gewohnheiten und Präferenzen und unsere Stärke liegt darin, dass unsere Mitarbeiter diese ganz genau kennen. Wer mag welchen Cocktail oder welche Zeitung, welcher Zimmertyp wird von wem bevorzugt. Der typische Baglioni-Gast ist ein internationaler Globetrotter, der sich, wenn er zu uns kommt, zuhause fühlen möchte.«

Um Gäste so maßgeschneidert wie möglich umsorgen zu können, sendet die hoteleigene Qualitätssicherungsabteilung jedem Gast nach seinem Aufenthalt einen Fragebogen, bei dem er die Möglichkeit hat, Kritik und Anregungen zu äußern. Die Häuser an den verschiedenen Standorten haben Zugriff auf das personalisierte Gastprofil, sodass in jedem Baglioni-Hotel der gleiche auf den Gast personalisierte Service möglich ist, selbst wenn ein Hotel zum ersten Mal besucht wird.

Besonders wichtig ist bei Baglioni zudem die Betonung der italienischen Wurzeln. Um dem gerecht zu werden, bieten diverse Häuser der Gruppe ihren Gästen auf Wunsch maßgeschneiderte Erlebnispakete, passend zur jeweiligen Umgebung. Auf einer Yacht vor Venedigs Lido entlangschippern oder außerhalb von Florenz Weine verkosten und Trüffel sammeln? Bei Baglioni ist das alles direkt mit der Übernachtung online buchbar. Praktische Begleiterscheinung: So werden nicht nur spezielle Momente kreiert, sondern auch ein Rahmen für eine sonst eher unübliche Intimität zwischen dem Gast und dem Hotel geschaffen. Bei der Weinverkostung oder beim Trüffelsammeln öffnet man sich schließlich ganz automatisch mehr, als man es am Conciergetresen je tun würde.

Ob der Mitarbeiter des Hotels die Dinge, die er auf so einem intimen Ausflug über den Gast erfährt, an die Datenbank des Hotels weitergeben würde, wollen wir von Polito wissen. »Wenn es dazu dient die persönliche Verbindung zu unserem Gast zu intensivieren und ihm somit ein noch besseres Erlebnis bei uns zu ermöglichen — natürlich.«

Bleibt zu hoffen, dass der zusehends »gläserne Gast« dies ähnlich pragmatisch sieht.

 

© Baglioni Hotels & Resorts