In Las Vegas, dem wirtschaftlichen Zentrum Nevadas, reiht sich ein kulissenartiger Gebäudekomplex neben den anderen. Einer der berühmtesten Prototypen einer kommerziell ausgerichteten Architektur ist das Bellagio Las Vegas Hotel and Casino.
Winston Churchill sagte einst: »Zuerst prägt der Mensch den Raum, dann prägt der Raum den Menschen.« Eine Feststellung, die die Stadt in der Mojave Wüste auch zum Forschungsgegenstand der amerikanischen Architekt:innen Robert Venturi, Denise Scott Brown und Steven Izenour machte. In ihrem 1972 erschienenen Buch – heute ein Schlüsseltext und Klassiker der Architekturtheorie – »Learning from Las Vegas« legen sie die Wüstenstadt als Inbegriff der kommerziell ausgerichteten amerikanischen Stadtplanung-, und Entwicklung aus. Dabei versuchen Scott Brown, Venturi und Izenour auch soziale Fragestellungen schlüssig nachzuvollziehen – eine unbestritten grundlegende Komponente des Systems Las Vegas.
City of Entertainment
Welche Auswirkungen diese auf die Hotels einer Stadt, die auf Entertainment rund um die Uhr ausgerichtet ist, haben, lässt sich beispielsweise an einer der berühmtesten Bauten am Las Vegas Strip nachvollziehen – dem Bellagio Las Vegas.
Dass der facettenreiche soziale Aspekt im modernen Hotelleriebetrieb eine tragende Rolle spielt, ist keine überraschende Feststellung. Im Zusammenhang mit einem Megahotel wie dem Bellagio ist es allerdings ein äußert vielschichtiges Konstrukt, das weit über freundliches, aufmerksames Personal hinausgeht. Dieses muss in der Lage sein sich flexibel durch den gesamten Mikrokosmos zu ziehen und – je nach Bedarf und Auslegung – auf die unterschiedlichsten Bedürfnisse umzumünzen sein – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Dabei entsteht eine durchaus komplizierte Wechselwirkung zwischen dem Betrieb und seinen Besucher:innen, zwischen Raum und Psyche, welche nach einem regulierten System verlangt, beispielsweise mittels Außen- und Innenarchitektur.
Eine Bühne für alle
Das Bellagio ist ein beeindruckender Bau, mit der Hauptfassade halbkreisförmig um einen drei Hektar großen See – den Fountains of Bellagio –, der zu gegebenen Zeiten spektakuläre Wasserspiele zum Besten gibt, angeordnet. Im Inneren befinden sich Besucher:innen in einem gefühlt in sich geschlossenen Ökosystem, das scheinbar in der Lage ist, alle ihre Bedürfnisse zu erfüllen. Ein solcher Komplex, in dem Menschen mit den unterschiedlichsten Ansprüchen, aber ähnlichem Anliegen, zusammenkommen, bedarf nicht nur einer soliden Bauweise sondern allen voran viele durchdachte, auf physische und psychische Aspekte der Gäste, zugeschnittene Lenkmechanismen.
Auf der untersten Ebene des Bellagio, auf einer rund um die Uhr betriebenen Casino-Fläche von 10.800 m², gehören dazu nicht nur die gigantischen Belüftungsanlagen, die die Raumluft filtern, das gezielte Einsetzen von Licht oder das Dämpfen von Umgebungsgeräuschen mittels Teppichböden, sind nur einige der wirkungsvollen kleinen Kniffe, um die Zeit aus den Angeln zu heben.
Auf gesamter Ebene
Wer viel erlebt, muss auch viel verarbeiten und so kanalisiert man die Bedürfnisse der Menschen, indem man sie von unten nach oben durch das Gebäude fließen lässt. In diesem Sinn bieten die oberen Ebenen des Bellagio Mikrokosmos einen Rückzugsort, sofern als solcher genutzt.
Dabei spielt Licht wieder eine zentrale Rolle und beeinflusst die Aktivität vs. Entspannung und fördert so einen Tag- und Nachtrhythmus in einem Ambiente, in dem die Grenzen oft fließend sind. Neben großen Fenstern, die vom Boden zur Decke reichen, bietet das monumentale Casino-Resort seinen Besucher:innen beachtliche 3.950 elegant eingerichtete Zimmer, samt luxuriösem Marmorbad und vielen weiteren modernen Annehmlichkeiten. Die Suiten befinden sich auf den höchsten Ebenen des Hotels, bieten einen privaten Aufzug, separate Schlaf- und Wohnbereiche, eine Whirlpool-Badewanne und einen Butlerservice, alle weiteren Wünsche können sicherlich nach einem direkten Gespräch erfüllt werden. Selbstverständlich spiegelt der Service das Budget der Gäste wider, wobei anzumerken ist, dass im Bellagio auch Menschen mit durchschnittlichen finanziellen Möglichkeiten mehr geboten, als zunächst erwartet wird – schließlich sollen und wollen ja alle auf ihre Kosten kommen – unabhängig der (Hotel-)Ebene.
Fast unnötig erscheint es, das umfangreiche gastronomische Angebot zu erwähnen, das nebst auf Unterhaltung und Staunen ausgerichteten Bars, auch stilvolle, internationale Restaurants, Cafés und gefühlt unzählige weitere, »niederschwelligere« Optionen für das vielfältige Publikum der Stadt umfasst.
In einer unorthodoxen Wüstenmetropole wie Las Vegas und am Beispiel vom Bellagio Las Vegas Hotel and Casino lässt sich viel von der psychologischen Kraft und Wirkung von Architektur als Ausgangspunkt für die weiteren zweck- und profitorientierten Gestaltungsprozesse ablesen. Was entsteht ist eine im wahrsten Sinne abenteuerliche Form von sogenannter Human-Centered Architecture, bei der der Mensch nicht mehr im Mittelpunkt steht, sondern Bestandteil einer schönen Gesamtillusion wird, die so viele Besucher:innen seit jeher nach Las Vegas und ins Bellagio bringt. [DM]