Exzentrische Sinnesfreuden

Chapter »A la carte«: Tantris in München

Photo Credits: Tantris/Kathrin Koschitzki

Der Begriff Gourmettempel ist in der Sprache von Restaurantkritikern ein häufig verwendeter Terminus, um besonders herausragende Gaststätten mit Worten zu adeln. Doch wohl kaum einem anderen deutschen Restaurant steht diese Bezeichnung mehr zu als dem Tantris in München. Und zwar sowohl kulinarisch als auch architektonisch gesehen.

Es ist keine Übertreibung zu behaupten, dass das Tantris zu seiner Eröffnung 1971, also vor exakt einem halben Jahrhundert, die Haute Cuisine nach Deutschland gebracht und seitdem immer wieder maßgebende Akzente für Deutschlands Spitzengastronomie gesetzt hat. 

1973 erkochte Eckart Witzigmann für das Tantris den ersten Michelin-Stern Deutschlands, zwei Jahre später kam dann die Auszeichnung mit dem zweiten Stern. Auch diese Ehre wurde keinem anderen deutschen Restaurant zuvor zu Teil. Als Witzigmann dann 1980 den ersten deutschen dritten Stern erhielt, war er zwar bereits in seinem eigenen Restaurant, dem Aubergine, doch nur ein Jahr später erkochte Heinz Winkler, Witzigmanns Nachfolger, drei Sterne fürs Tantris. Mit seinen damals 31 Jahren hält er bis heute den Rekord als jüngster Drei-Sterne-Koch Deutschlands. 

Unter Winklers Nachfolger Heinz Haas wurde das Tantris dann endgültig zu einer Institution, auch wenn ihm der dritte Michelin-Stern verwehrt blieb. Mit durchgehend zwei Sternen während seiner Verweildauer von stolzen 29 Jahren, bis zum letzten Jahr, war das Haus auch unter seiner Regide stets in der Gastrobibel vertreten.

Seit Oktober ist das Tantris nach zehnmonatiger Renovierung wieder eröffnet, unter dem Überbegriff  Tantris Maison Culinaire befinden sich hier nun das Menü-Restaurant Tantris, das neu geschaffene A-la-carte-Restaurant Tantris DNA und die Bar Tantris. 

 

 

Dass man auch weiterhin vorhat, ganz oben in der Gastro-Liga mitzuspielen, zeigt ein Blick auf die Vita der neuen Köche. Im Tantris DNA interpretiert Küchenchefin Virginie Protat, die ihr Handwerk am Institut Paul Bocuse gelernt hat, Klassiker des Restaurants aus den vorherigen fünf Jahrzehnten. Fürs Menü-Restaurant wurde Benjamin Chmura gewonnen, der zuvor in der französischen Institution Troisgros tätig war und ebenfalls am Institut Bocuse lernte. 

Doch nicht nur kulinarisch, sondern auch architektonisch war und ist das Tantris von Anfang an einzigartig. Der Architekt Justus Dahinden entwarf im Auftrag des Bauunternehmers Fritz Eichbauer ein brutalistisch-sakral anmutendes Gebäude, das heute noch einen avantgardistischen Fremdkörper im beschaulichen, gut-bürgerlichen Münchner Stadtteil Schwabing darstellt. Begrüßt wird der Gast im Tantris zuallererst von zwei beflügelten Betonskulpturen des Schweizer Künstlers Bruno Weber.

Im Inneren ist das Haus optisch eine Mischung aus Märchenwald auf Steroiden und Edelkabarett. Die vorherrschenden Farben sind neben dem grauen Sichtbeton Hummerrot und Trüffelschwarz. Besonders reizvoll ist neben dem Spiel mit den beiden Signaturfarben auch der Umgang mit Materialien und ihrer Beschaffenheit. Roten geometrischen Klarlacklampen von Verner Panton stehen beispielsweise organisch geformte Samtstühle in der gleichen Farbe gegenüber. 

Die gerade abgeschlossene neueste Renovierung wurde nach allen Auflagen des Denkmalschutzes, unter dem das Gebäude steht, durchgeführt und dadurch die Identität des Hauses trotz sanfter Erneuerungen gewahrt. Zum Glück, denn so markant das Tantris seine Geburtsstunde in den frühen Siebzigerjahren auch offenbart, so zeitlos ist es doch in seinem Dasein als Gesamtkunstwerk. 

Genau wie in der Küche wird dabei auch im Design auf sämtliche Details geachtet. Das Porzellan des Hauses stammt von der Münchner Manufaktur Nymphenburg, die Gläser von Riedel und selbst das Papier für Speise- und Getränkekarten ist Qualitätsware von der Büttenpapierfabrik Gmund am Tegernsee.

Das Tantris wurde als Ort geschaffen, an dem Haute-Cuisine mit allen Sinnen zelebriert wird, also auch mit den Augen. Dass dabei in diverser Hinsicht auch ein bisschen Exzentrik zugelassen wurde, macht das Erlebnis hier zu essen bis heute zu etwas ganz Besonderem. [AD]

 

 

Tantris Maison Culinaire, Johann-Fichte-Str. 7, 80805 München
tantris.de