Ein Auto ist ein Auto ist ein Haus

Der Hype rund um das Reisen im Van

Photo Credits: Porsche

Auf der mittleren Spur zwischen Nostalgie und unserer Vorstellung davon, wie Reisen unter den aktuellen Bedingungen aussehen könnten, ist eine Bewegung entstanden, mit der vor rund zehn Jahren wohl niemand so wirklich gerechnet hätte – ein Hype rund um das Reisen mit dem Van.

Hinter dem auf sozialen Netzwerken überstrapazierten Hashtag #vanlife verbirgt sich also sowohl eine Sehnsucht nach vermeintlich »besseren Zeiten« als auch eine spannende Zukunftsprognose zum Thema Reisen. Und die wird, laut zahlreicher Experten und Expertinnen, von der aktuellen Krisensituation, die mit geschlossenen Hotels und Pensionen einhergeht, zwar befeuert, hat aber unterschiedliche Auslöser, die sich schon vor der Krise in den Zahlen bemerkbar machten. So steigt laut ÖAMTC auch in Österreich der Bestand von Campingfahrzeugen stetig. Ende August 2019 gab es in Österreich knapp 70.000 Campingfahrzeuge, davon 30.000 Wohnmobile und 40.000 Wohnanhänger – ein Plus von vier Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Spannend ist dabei unter anderem, dass vor allem junge Menschen über die Anschaffung eines Vans nachdenken oder den Umbau eines alten Bullis zu ihrem Projekt machen. Die Kleinkariertheit mit leicht schmuddeligem Beigeschmack, die dem Campingurlaub lange Zeit anhaftete, scheint nun jedenfalls Stück für Stück abzubröckeln.

Man muss kein Zukunftsforscher sein, um eine Diagnose dazu abzugeben, welche Bedürfnisse der anhaltende Trend abdeckt. Autonomie, Flexibilität und Individualität stehen auf dieser Liste mit Sicherheit ganz oben. Der Kulturforscher Thomas Herdin bettet das verändernde Reiseverhalten in einen größeren gesellschaftlichen Kontext ein, wie er in der Tageszeitung Kurier erklärt: »Unser Alltag, beruflich wie privat, ist in ein enges Korsett geschürt. Alles wird dichter, vollgepackter. Da ist es kaum verwunderlich, dass man versucht, sich ein Stück flexible Freiheit wiederzuholen.« Im sogenannten »Vanlife« sieht er außerdem eine Parallele zur neu entdeckten Häuslichkeit junger Menschen: »Außen herrscht immer größere Unsicherheit, das Verlässliche, Vertraute und Heimische gewinnen an Wert. Wir nennen das Neo-Biedermeier. Durchs Zusammenzimmern schafft man sich ein Nest.«

 

Photo Credit: ŠKODA

Wie reagieren die Automobilhersteller auf diese nicht zu negierende Tendenz, die sich schon vor der Pandemie abzeichnete? Antworten darauf finden sich, aufgrund der bisherigen Überlegungen wenig überraschend, einige. Daniel Hájek ist Designer bei ŠKODA und hat dem legendären ŠKODA 1203 einen neuen Anstrich verpasst. Dabei hat auch die bereits erwähnte Nostalgie eine Rolle gespielt: »Wir haben so eine Pritschenversion im Garten des Hauses meiner Großeltern, aber die ist nicht mehr fahrtüchtig.« Er fügt hinzu, dass es sozusagen sein erstes Auto war. »Wir haben es auf unserer Farm benutzt und als ich fünfzehn war, durfte ich ab und zu den Motor starten und damit über das Feld fahren«. Aber seine Wahl war nicht nur von Nostalgie getrieben. »Ich habe mit meinen Kollegen darüber gesprochen, und sie sagten, wenn ich Erfahrung mit dem 1203 habe, könnte ich versuchen, ihn für das neue Jahrtausend neu zu konzipieren. Aber ich denke auch, dass ein solches Fahrzeug für die Marke ŠKODA heute großartig wäre«, so der Designer des Concept Cars.

Seiner Meinung nach ist es ein Fahrzeug, das die Werte der Marke perfekt verkörpert: Praktikabilität, viel Platz im Innenraum und clevere Lösungen. Ziel der Studie war es, das Design des legendären Vans, der zum ersten Mal am 14. September 1968 gezeigt wurde, ins 21. Jahrhundert zu übertragen. »Ich wollte, dass aus meiner Studie klar hervorgeht, dass es sich um das gleiche Fahrzeug handelt, aber ich wollte nicht, dass es zu offensichtlich retro ist. Ich habe ein modernes Fahrzeug entworfen, das eine Hommage an die Legende ist.« Daniel Hájek skizzierte sein Concept Car mit einem Kugelschreiber und beendete die Skizze am Computer. »Das ist meine liebste Art zu arbeiten. Außerdem habe ich immer einen Kugelschreiber dabei. Mit ihm kann man sich keine Fehler erlauben, und ein Filzstift macht eine ziemlich charakteristische Linie, deshalb sind meine Skizzen etwas anders: weniger dynamisch und mehr illustrativ«, erklärt er.

 

Photo Credit: ŠKODA

Doch nicht nur ŠKODA hat ein Konzept für einen modernen Van entwickelt, sondern auch VW. Wobei der ID. Buzz mittlerweile schon sehr viel mehr als ein reines Concept Car ist, schließlich soll er bereits 2022 vom Band rollen. Der rein elektrische Bulli-Nachfahre wird auf Basis des Modularen E-Antriebs-Baukastens MEB gebaut und erinnert in punkto Design an seinen Urahn, den VW T1. Und auch der Luxusautomobilhersteller Porsche wagte sich – bereits im Jahr 2018 – in die Funktionalität vor – und zwar mit der Studie Porsche Renndienst. Allerdings wurde die erst im Jahr 2020 der Öffentlichkeit präsentiert. Entworfen wurde das futuristische Konzept vom Porsche Designteam rund um Chefdesigner Michael Mauer. Die kurze Motorhaube weist die Studie klar als Van aus, darüber hinaus zeigen sich aber auch einige für die Porsche-Design-DNA typische Elemente – beispielsweise an den Kotflügeln und den Lufteinlässen am Stoßfänger. Im Gegensatz zum ID. Buzz ist für den Porsche Renndienst momentan noch keine Serienherstellung geplant. [Red.]

 

Photo Credit: Volkswagen