»Ich liebe Wien!«, bringt Robert Punkenhofer seine ganz besondere Beziehung zur österreichischen Hauptstadt auf den Punkt – um nach kurzer Pause lachend die durchaus wichtige Randnotiz hinzuzufügen: »…aber nur, wenn ich auch regelmäßig rauskommen kann«. Eine Feststellung, die wohl sehr treffend die besondere Verbindung des Kunst- und Designexperten mit internationaler Reputation zu einer Stadt zusammenfasst, die nicht nur Inspirationsquelle, sondern immer wieder auch zentraler Baustein seines Schaffens ist.
Robert Punkenhofer hat 2017 die traditionsreiche Uhrenmarke Carl Suchy & Söhne, die ursprünglich 1822 in Wien gegründet wurde, neu belebt. Einst Hoflieferant der kaiserlichen Familie, galt das Unternehmen im 19. Jahrhundert als bedeutendster Uhrenhersteller der Donaumonarchie und erfreute sich auch internationalem Renommee, welches erst mit Ende des österreichisch-ungarischen Kaiserreichs versiegte. Mit einer klaren Vision hat Punkenhofer die Marke nun neu belebt und ins 21. Jahrhundert geführt: Uhren von höchster Qualität, konzipiert als Hommage an die Wiener Eleganz und inspiriert von der Ära der Wiener Moderne im Dialog mit zeitgenössischem Design.
Carl Suchy & Söhne war einst der wichtigste k. u. k. Hoflieferant für Uhren und stand für höchste Qualität und Präzision – sogar Kaiser Franz Joseph I. zählte zu den Stammkunden des Uhrmachers.
Mit mittlerweile drei Kollektionen seit dem Relaunch, konnte sich Carl Suchy & Söhne bereits recht erfolgreich als Nischenmarke, die sich durch Qualität, historisch-kulturelle Tiefe und eine starke gestalterische Identität auszeichnet, etablieren. Im Interview mit Chapter spricht Robert Punkenhofer über die Herausforderungen und Ambitionen dieser Markenwiederbelebung, seinen persönlichen Bezug zu Wien und die Rolle von Kunst und Design bei der Schaffung einer zeitlosen Identität.
Chapter Wie definieren Sie die DNA der Marke Carl Suchy & Söhne, auch abseits der historisch so zahlreichen prominenten Kund:innen der Marke?
Robert Punkenhofer Die DNA für mich war sehr klar: Carl Suchy & Söhne war der wichtigste Uhrenhersteller der Donaumonarchie, nicht umsonst Hoflieferant für drei Generationen und bot den Kunden und Kundinnen die höchste Qualität an. Das ist für mich die DNA. Also letztendlich “The Emperor’s Choice”, also die Wahl des Kaisers und der Kaiserin.
Chapter Welche ursprünglichen Designdetails waren für Sie beim Relaunch unverzichtbar, um die Authentizität der Marke zu wahren?
Robert Punkenhofer Bei den Designdetails, geht es mir weniger um historische Uhren, die wir in unserem Archiv haben, denn die Prämisse für uns war, das Feuer von Carl Suchy weiterzutragen und nicht die Asche, immerhin war er einer der herausragendsten, kreativsten, innovativsten Unternehmer seiner Zeit. Von daher war mir weniger das ursprüngliche Design als vielmehr die Positionierung wichtig: Ich wollte wieder dort sein, wo Carl Suchy war, nämlich am höchsten Level. Und wir kopieren nicht einfach die ursprünglichen Designs und legen die selben Uhren neu auf. Ganz im Gegenteil: Wir schreiben die Geschichte weiter und machen dort weiter, wo Suchy aufgehört hat, sprich Biedermeier. Und was kam danach: die Wiener Moderne, Secession, Wiener Jugendstil – und dort haben wir den Design-Ansatz gesetzt, sprich unsere Uhren sind sehr stark inspiriert von Wien um 1900 mit der prägenden Architektur- und Kunstszene um Hoffmann, Klimt, Schiele, Loos, Wagner etc. Aber auch hier wiederum keine Kopie, sondern aufgeladen und relevant für das 21. Jahrhundert.
Ein Highlight der Belvedere-Kollektion ist die Entwicklung der au0ergewöhnlichen Datumsanzeige, bei der das Datumsfenster jeden Tag weiterwandert.
Chapter Wie haben Sie das Spannungsfeld zwischen historischem Uhrendesign des 19. Jahrhunderts und zeitgenössischen Trends, insbesondere was die sportliche Belvedere Linie betrifft, navigiert?
Robert Punkenhofer Speziell bei der Belvedere war es für uns einerseits wichtig, unserem Designansatz treu zu bleiben, sprich aufbauend auf der Wiener Moderne eine Uhr zu gestalten, die klar als eine Suchy erkennbar ist – beispielsweise an der halbierten Guillochage am Zifferblatt und an vielen kleinen Details wie den polierten und sandgestrahlten Oberflächen. Und auf der anderen Seite, wenn wir die Uhr umdrehen, dann sehen wir den goldenen Rotor, das goldene Wien sozusagen, das klassisch Barocke, mit der mikrogravierten Fassade vom Schloss Belvedere. Eine Dualität von Schlichtheit, effortless elegance, und dem Emotionalen, wie jenem goldenen Rotor, dem goldenen Halterungsring, aber auch mit kleinen Twists, wie dem Datumsfenster, das sich immer weiter dreht und so jeden Tag eine neue Perspektive auf die Uhr ermöglicht.
Chapter Inwiefern spiegelt die von Ihnen beschriebene Gestaltung des Zifferblattes als zentrales Element die Wiederbelebung der Markenidentität und “Wiener Eleganz” wider?
Robert Punkenhofer Das Zifferblatt ist tatsächlich elementar, es ist das Gesicht der Uhr. Es war für uns zentral eine schlichte Eleganz, eine Wiener Eleganz zu erzeugen, mit fließenden Übergängen vom Ziffernblatt ins Gehäuse, vom Glas ins Zifferblatt, vom Bandanstoß zum Stahlgehäuse oder Titaniumgehäuse. Fließende Übergänge wie sie zum Beispiel ein Adolf Loos in der Wiener Moderne kreiert hat, oder auch ein Josef Hoffmann. Und dann waren uns natürlich auch die kleinen Design-Details des Zifferblatts wichtig, die überall in unseren Kollektionen durchscheinen und eine Wiedererkennbarkeit ermöglichen, wie mit der Walzerscheibe bei der Waltz N°1, oder erwähntes Datumsfenster, das sich um Mitternacht weiter bewegt.
Das Design der Armbanduhr Waltz N°1 ist vom Wiener Architekten Adolf Loos inspiriert und soll die zeitlose Eleganz der Wiener Moderne mit höchster Schweizer Handwerkskunst fusionieren.
Chapter Sie betonen immer die historisch starken Wiener Wurzeln der Marke, die Inspiration durch prägende Wiener Kunst- und Kulturströmungen und klassische Wiener Eleganz. Welche Verbindung haben Sie persönlich zu Wien und wie beeinflusst diese die Markenidentität von Carl Suchy und Söhne?
Robert Punkenhofer Also ich bin kein Wiener, ich bin eigentlich Steirer, aber natürlich hat mich Wien immer fasziniert, schon als junger Student. Zudem war ich in Wien ja bereits viele Jahre in der Design- und Kunstwelt tätig, habe beispielsweise vor 20 Jahren die Vienna Art Week gegründet oder war Geschäftsführer der Österreichischen Design Stiftung in Wien. Und durch diese Auseinandersetzung mit dem kreativen Wien, mit den Creative Industries, habe ich einen sehr, sehr starken Bezug zur Stadt entwickelt. Für mich war es schon lange vor dem Wiederbeleben von Carl Suchy & Söhne ein Traum, einmal eine historische Marke wieder aufleben zu lassen. Basierend auf einer starken Historie, einer starken Legacy, etwas Relevantes, Neues zu schaffen. Ich liebe Wien! … Aber nur, wenn ich auch regelmäßig rauskommen kann. (lacht)
Durch den kratzfesten Saphirglasboden der Waltz N°1 ist das mechanische Uhrwerk der Schweizer Traditionsmanufaktur Vaucher Fleurier sichtbar.
Chapter Wie hat denn dieser eben von Ihnen beschriebene berufliche Hintergrund als Kunst- und Design-Experte Ihren Blick auf die Uhrmacher-Kunst geprägt und welche Rolle spielt Ihre diesbezügliche weitreichende Erfahrung und Expertise in der Positionierung der Marke?
Robert Punkenhofer Auf der einen Seite ist das ein ganz wichtiger Einfluss und auch eine wichtige Basis für mein Schaffen. Auf der anderen Seite muss ich zugeben, dass ich beim Relaunch von Carl Suchy & Söhne eigentlich nicht aus dieser »cutting-edge« Kunst- und Designwelt Synergien suchen konnte, weil DNA und Philosophie der Marke, natürlich deutlich konservativer positioniert ist. Andererseits im Hinblick auf junge Designer, wie Milos Ristin, der die ersten Uhren gestaltet hat, oder jetzt mit Eric Giroux, da ist schon auch sehr stark mein Einfluss aus Kunst- und Design-Projekten, die ich in der Vergangenheit umgesetzt habe, erkennbar. Insbesondere wenn es darum geht, sich immer wieder selbst herauszufordern und zu hinterfragen, was kann man toller, besser, schöner machen? Denn wir wollen eine wirklich schöne Marke aufbauen, bei der es nicht immer ausschließlich darum geht, ob wir damit Geld verdienen können, sondern so wie mein Leitspruch immer war »Meaning is more than money«.
Chapter Mit welchen Herausforderungen sind Sie bei der Wiederbelebung von Carl Suchy & Söhne konfrontiert worden?
Robert Punkenhofer Die Herausforderungen waren aus meiner Sicht jetzt gar nicht so groß, weil ich es auch durchaus gewohnt bin, sozusagen aus dem Nichts Schönes zu schaffen. Vielleicht auch, weil es in meiner früheren Tätigkeit als Diplomat und Wirtschaftsdelegierter stets wichtig war, meine Fühler auszustrecken, neue Netzwerke aufzubauen, mich mit interessanten Leuten zu vernetzen – in diesem Fall nun eben Uhrmacher, Designer usw. Die eigentliche Herausforderung war eigentlich, dann nach einem Jahr immer noch zu leben. Jetzt sind wir schon im verflixten siebten Jahr, haben es geschafft, schon drei Kollektionen aufzubauen und in über 20 Ländern Kunden zu gewinnen. Wenn ich zurückdenke, war die größte Herausforderung bis heute eigentlich, dieses Netzwerk und eine Community aufzubauen, von Personen in der Uhrenindustrie, Händler, Opinion-Leader, ob das jetzt Journalisten oder Sammler sind, zu gewinnen. Das habe ich letztendlich sehr unterschätzt. Ich habe mir gedacht, ich weiß, wie es in der Kunstwelt läuft, ich weiß, wie es in der Diplomatie läuft, es wird nicht viel anders sein in der Uhrenindustrie. Aber es ist eben doch noch einmal ein spezielles Segment und auch ein sehr geschlossener Kreis teilweise.
Ein durchaus ungewöhnlich mutiges Statement: Mit der Table Waltz lancierte Carl Suchy & Söhne nach über 100 Jahren wieder eine Tischuhr, die jeden Raum mit Wiener Charme erfüllen soll.
Chapter Wie würden Sie die Zielgruppe beschreiben, die Sie mit Carl Suchy & Söhne ansprechen wollen?
Robert Punkenhofer Unsere Zielgruppe ist ganz klar: leidenschaftliche Sammler für Uhren, die jetzt schon die gängigen Marken bei sich zu Hause haben, also vielleicht schon eine Rolex, eine Patek Philippe, und nun etwas Spezielles, Besonderes suchen – eine Nische, die viel exklusiver ist. Wir machen ein paar hundert Uhren im Jahr, während Patek Philippe rund 70.000 macht, Rolex über eine Million. Unsere Kunden suchen nach Uhren, die vom Design und ihrem Erbe speziell sind, die eine andere Geschichte erzählen, als alle anderen Schweizer Uhrenmarken. Wir sind die österreichische Uhrenmarke, wir sind die Wiener Uhrenmarke. Und unsere Kunden sind sozusagen »People in the know«, sophisticated, intellektuell und weit gereist. Vom Mindset jemand, der etwas Spezielles sucht, nicht »bling bling« und »into your face« präferiert, wo jeder sofort erkennen soll, ich habe jetzt ein Rolex, sondern der, ganz im Gegenteil, glücklich ist zu wissen, was er da Besonderes am Handgelenk trägt und es ist ihm überhaupt nicht wichtig, dass das andere auch sofort erkennen.
Chapter Und wie wollen Sie sicherstellen, dass die Marke sowohl für Uhrenliebhaber:innen als auch für Sammler:innen langfristig relevant bleibt?
Robert Punkenhofer Ich denke, diese Relevanz und Begehrlichkeit für unsere Uhren können wir nur dadurch schaffen, indem wir fantastische Qualität liefern – was das Design betrifft, was Uhrwerke anlangt, aber auch bezüglich der Positionierung, das Kreieren einer Markenwelt, die Spezielles bietet. Und da glaube ich, dass wir mit unserem symbolischen Wert um unsere Geschichte, um Wien, um unsere Designsprache, hoffentlich auch in Zukunft viele neue Sammler für uns gewinnen können – Liebhaber, Sammler und Fans. [CS]