Der Salone del Mobile Milano 2025, der vom 8. bis 13. April stattfindet, präsentiert sich in seiner 63. Ausgabe erneut als feste Größe im internationalen Designkalender – getragen von wirtschaftlicher Relevanz, programmatischer Erweiterung und nicht zuletzt symbolischer Strahlkraft. Die Zahl internationaler Ausstellender bleibt hoch, zahlreiche Unternehmen jenseits klassischer Designdisziplinen nutzen die etablierte Plattform, um Kunst- und Designkooperationen zu präsentieren – Mailand soll dabei erneut zum globalen Knotenpunkt der Designszene werden. Auffällig ist dabei weniger der Anspruch auf radikale Innovation als vielmehr der reflektierte Umgang mit Bestehendem – und dessen behutsame Weiterentwicklung in zeitgemäße Kontexte.
Stadt und Messe – verzahntes System
Bereits vor der offiziellen Eröffnung der Messe beginnt das diesjährige Programm in der Stadt. Die Ausstellung Vernissage in der Via Dante etwa bringt Fotografien von Bill Durgin in den öffentlichen Raum. Sie zeigen Körper in Beziehung zu gestalteten Objekten – als Verweis auf das diesjährige Leitthema »Thought for Humans«.


Ergänzt wird diese bildhafte Erzählung durch den Design Kiosk auf der Piazza della Scala, wo täglich Gespräche mit Gestalter:innen stattfinden. Beide Formate verstehen sich weniger als spektakuläre Ereignisse, sondern als Einladung zur Auseinandersetzung mit Gestaltung im Alltag.
Installationen zwischen Inszenierung und Reflexion
Inhaltlich und atmosphärisch differenzierter als in früheren Jahren zeigen sich zwei zentrale Installationen außerhalb des Messegeländes. Robert Wilsons Arbeit Mother im Museo della Pietà Rondanini soll für ein harmonisches Zusammenspiel von Licht, Musik und Raum stehen – eine Auseinandersetzung mit Michelangelos unvollendeter Skulptur, begleitet von Arvo Pärts Stabat Mater. Die Installation verzichtet bewusst auf erzählerische Gesten und arbeitet mit Reduktion, Lichtsetzung und Klang als gestalterische Mittel.

Mit Library of Light hat die renommierte britische Künstlerin Es Devlin im Cortile d’Onore der Pinacoteca di Brera eine Installation realisiert, die sich deutlich von der rein visuellen Geste vieler Mailänder Setzungen abhebt. Der konzeptionelle Kern liegt nicht in der Darstellung von Licht als atmosphärisches Mittel, sondern in seiner Rolle als Träger von Information und Bedeutung. Die Installation ist physisch als begehbare Struktur konzipiert, befüllt mit über 2.000 Büchern – kuratiert und gespendet von der Fondazione Feltrinelli –, die den Raum in eine Art performative Bibliothek transformieren.

Die Künstlerin operiert hier mit dem Gegensatz von Flüchtigkeit (Licht) und Speicher (Text, Buch). Das Resultat ist ein temporärer Raum, der sich zwischen Skulptur, Archiv und Bühne bewegt. Besucher:innen sind eingeladen, sich still in die Struktur hineinzubewegen, sich zwischen den Regalen aufzuhalten oder – bei den Abendveranstaltungen – an kuratierten Gesprächen teilzunehmen. Diese programmatische Ergänzung verschiebt die Installation deutlich in Richtung kulturelles Format mit aktivem Vermittlungsanspruch.

Es Devlin selbst meinte dazu: »I have always experienced libraries as silently intensely vibrant places where minds and imaginations soar, while clutched like kites by their seated bodies. This kinetic sculpture reflects the synaptic connections being forged, the resonances and associations at play within the minds of a temporary community of readers. As Jorge Luis Borges said: I am not sure that I exist, actually. I am all the writers that I have read, all the people that I have met, all that I have loved; all the cities I have visited.«

Auch auf der Messe selbst setzen zwei Installationen gestalterische Akzente: Villa Héritage von Pierre-Yves Rochon interpretiert klassische Innenraumgestaltung neu, mit Referenzen an historische Hotellerie und detailreich inszenierter Materialwahl. In direktem Kontrast dazu steht La dolce attesa, ein Gemeinschaftsprojekt von Regisseur Paolo Sorrentino und Bühnenbildnerin Margherita Palli. Die Inszenierung thematisiert den Moment des Wartens – als Zwischenzustand, übersetzt in eine visuelle und akustische Raumgestaltung.
Licht im Fokus: Euroluce 2025
Mit der Rückkehr der Lichtbiennale Euroluce rücken Fragen nach Technologie, Modularität und Material erneut ins Zentrum. Zahlreiche Entwürfe zeigen neue Lösungen im Bereich kabelloser Systeme, adaptiver Lichtsteuerung und skulpturaler Formgebung. Materialkombinationen aus Glas, recyceltem Kunststoff und Metall stehen im Vordergrund – meist funktional begründet, seltener als gestalterisches Statement. Ergänzend findet erstmals das Euroluce International Lighting Forum statt, mit Beiträgen aus Architektur, Wissenschaft und Lichtdesign. Auch hier zeigt sich eine Tendenz zur Öffnung disziplinärer Grenzen.


Mailand als Design Hauptstadt
Mit über 2.100 Ausstellern aus 37 Ländern, darunter 168 Marken, die erstmals vertreten sind, und einer Gesamtfläche von mehr als 169.000 Quadratmetern ausverkauftem Ausstellungsgelände bleibt der Salone del Mobile.Milano auch in seiner 63. Ausgabe die international wichtigste Plattform für die Möbel- und Designindustrie. Ergänzt wird die Messe durch den Nachwuchsbereich SaloneSatellite, der in diesem Jahr 700 junge Designer:innen und 20 internationale Designhochschulen versammelt. Zudem wurden zudem über 100 Showrooms in der Stadt als Teil des offiziellen Programms aktiviert, dazu kommen 49 digitale LED-Wände im Stadtraum, 320 Plakatflächen in U-Bahn-Stationen, sowie ein dichtes Talk- und Kulturprogramm an insgesamt acht zentralen Orten. Der Salone bleibt damit – bei allen konzeptionellen Erweiterungen – ein Ereignis, das vor allem durch seine Dichte, Skalierung und institutionelle Reichweite Wirkung entfaltet. [Red.]