Branchen wie insbesondere die Hotellerie, Gastronimie oder der Handel haben bekanntlich längst erkannt, dass gutes Design auch ein nicht zu unterschätzendes PR- und Marketingtool ist, das in großem Maße zu Image und Kundenbindung beitragen kann. Überraschenderweise ist es jedoch auch abseits der gestalterisch gleichgeschalteten Konzernketten nur schwer möglich, eine Tankstelle zu finden, die auch nur ansatzweise versucht, sich mit architektonischer Gefälligkeit vom Mitbewerb abzuheben. Doch es gibt auch sie: ästhetisch anspruchsvolle Tankstellen. Chapter hat sich auf die Suche begeben und stellt drei besonders spannende Zapfstationen vor.
Der weiße Giftpilz
Arne Jacobsens wohl berühmtester Entwurf ist der sogenannte Ameisenstuhl, der in Variationen seit 1952 ohne Unterbrechung gefertigt wird und mittlerweile millionenfach verkauft wurde. Dass der dänische Architekt und Produktdesigner bereits 1936 eine Tankstelle entwarf, die in ihrer Formensprache durchaus eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Kultstuhl aufweist, ist allerdings nur wenigen bekannt.
Die in einem nördlichen Vorort von Kopenhagen stehende Skovshoved Petrol Station scheint mit ihrer ovalen Überdachung der Zapfsäulen und dem daran angeschlossenen, beinahe quadratischen Häuschen wie einem Lehrbuch für geometrische Formen entsprungen. Kassenhäuschen und Zapfsäulendach werden durch ein schmales, rechteckiges Element verbunden, sodass man bei Regen durch eine durchgehende Überdachung geschützt ist.
Das runde Zapfsäulendach wird dabei von einer einzelnen, mittig angeordneten Säule getragen, was der Tankstelle ihren Spitznamen »Paddehadden«, dänisch für Giftpilz, gab. Arne Jacobsen war dabei einer der ersten Architekten überhaupt, der diese heute als »Mushroom« oder »Umbrella Structure« bezeichnete Baumethode anwendete, bevor sie dann im Modernismus der Vierziger- und Fünfzigerjahre äußerst populär wurde. Ganz im Stil von Jacobsens Funktionalismus hält sich die Zapfstation farblich zurück, sie strahlt in glänzendem Weiß. Dabei sind die Fassaden des ehemaligen Kassenhäuschens, dass heute einen Eissalon beherbergt, mit vertikal verlegten Meissen Fließen verkleidet. Praktisch, so sind diverse Öl- und Benzinflecken leicht abwaschbar.
Insbesondere in der Nacht zieht die Skovshoved Petrol Station gekonnt die Aufmerksamkeit von Autofahrern und Autofahrerinnen auf sich. An der zentralen Betonsäule sind drei Leuchten so montiert, dass sie von unten das darüber liegende ovale Dach anstrahlen und es somit aus der Entfernung wie ein schwebendes Ufo wirken lassen.
Ursprünglich wurde die Tankstelle von Arne Jacobsen für das US-amerikanische Mineralölunternehmen Texaco als Prototyp entworfen und sollte eigentlich in Serie an diversen Standorten gebaut werden. Bedauerlicherweise kam es dazu nicht, weshalb man abseits von Skovshoved keine dieser dekorativen Giftpilze an Straßenrändern stehen sieht.
Grüner tanken
Kann ein Ort, dessen primäres Ziel es ist, fossile Brennstoffe zu verkaufen, als ökologisch nachhaltig bezeichnet werden? Im Falle des Helios House in Los Angeles sollte man diese Frage zumindest nicht direkt und ausschließlich mit Nein beantworten. Denn die Tankstelle, entworfen von Office dA (Monica Ponce de Leon und Nader Tehrani) in Kooperation mit Johnston Marklee Architects, wurde zum Großteil mit recycelten Materialien gebaut. Zudem waren für die EntwicklerInnen maximale Energieeffizienz beim Bau wie auch im Betrieb wichtige Aspekte. Das erklärte Ziel war es, dass das Helios House grüner als alle bisherigen Tankstellen sein sollte.
Die verschiedenen Dächer der Tankstelle sind entweder begrünt, durch diese natürliche Form der Isolation kann der Einsatz von Heizung und Klimaanlage drastisch reduziert werden oder mit Solarpaneelen verkleidet, wodurch jährlich knapp drei Tonnen CO₂ eingespart werden. Das ästhetische Herzstück der Tankstelle ist eine silbern glänzende Edelstahlkonstruktion, unter der die Zapfsäulen aufgereiht sind.
Hierfür wurden nicht weniger als 1.653 dreieckige Stahlelemente so angeordnet, dass sie das Sonnenlicht auf eine Weise brechen, dass für den Tagesbetrieb kaum elektrische Beleuchtung benötigt wird. Dadurch werden in Zusammenarbeit mit Energiesparlampen weitere 16 Prozent Elektrizität eingespart. Optisch erinnert der futuristisch anmutende Metallmantel der Tankstelle mit seinen Dreiecken an eine abstrahierte Bienenwabe. So wird subtil auch optisch die Naturwertschätzung des Helios House verdeutlicht. Man kann nur hoffen, dass nicht allzu viele vorbeifahrende kalifornische TeslafahrerInnen den Umstieg auf das elektrische Gefährt bereuen, denn das wäre vermutlich nicht im Sinne des Nachhaltigkeitsgedanken.
Anmut einer Autobahnraststätte
Während seiner Regierungszeit waren einige Entscheidungen von Georgiens Ex-Präsident Micheil Saakaschwili nicht unumstritten, doch mit welchem Erfolg er moderne Architektur in der jungen Republik östlich des Schwarzen Meeres förderte, müssen auch politische Gegner anerkennen.
Um das Land zu verschönern, startete Saakaschwili ein Architekturprogramm, bei dem diverse Bauten von international renommierten Architekten realisiert wurden. Dem Büro des deutschen Stararchitekten Jürgen Mayer H. wurden in diesem Rahmen direkt mehrere Projekte anvertraut, so auch ein Rasthof vor den Toren der Hauptstadt Tiflis.
Dabei ist Mayer H.s typische Handschrift auch bei diesem Projekt unverkennbar. Wohl kaum ein anderer seiner Zunft würde es schaffen, einer derart massiven Betonstahlkonstruktion eine ähnliche Leichtigkeit zu verleihen, wie sie die Gori Raststation ausstrahlt. Durch die abstrahierte Form der Betonpfeiler, die sich in diverse Richtungen verzweigen, verliert der Baustoff seine Schwere. Zudem scheint es fast, als wären es die zurückversetzten, getönten Glasfronten, die das Betonkonstrukt tragen. Dadurch wird der Eindruck der Leichtigkeit des Baus noch verstärkt.
Die 2011 fertiggestellte Gori Tankstelle beherbergt neben einer Raststation auch einen Supermarkt sowie Ausstellungsflächen für lokale KünstlerInnen und Kulturevents. Kein Wunder also, dass der Bau heute eine Art Pilgerstätte für georgische und internationale ArchitekturliebhaberInnen ist. [AD]