Enfants Terribles

Noam und Irene Griegst im Interview

Photo Credit: Griegst

Arje Griegst könnte man als den Punker unter den JuwelierInnen bezeichnen. Mit viel Fantasie und Experimentierfreudigkeit schaffte er es, Gold und Perlen zum Leben zu erwecken und seiner gleichnamigen Werkstatt ein Alleinstellungsmerkmal zu verleihen. Heute wird das Unternehmen von seinem Sohn Noam und seiner Frau Irene Griegst weitergeführt.

Wie Wachs in seinen Händen

»Mein Vater arbeitete ständig, hörte laute Opernmusik im Zigarrenrauch, der Geruch von Wachs und seine Werkzeuge waren zuhause allgegenwärtig«, erinnert sich Noam Griegst an das Aufwachsen mit seinem Vater, Arje Griegst. Das künstlerische Handwerk zieht sich bereits seit Generationen durch die Familie, und so kam auch Arje Griegst früh in Berührung mit seiner späteren Handwerkskunst. Beeinflusst von der Tätigkeit seines Vaters, einem litauischen Goldschmied, begab er sich auf eine ständige Suche nach neuen Wegen, Materialien zu formen. Im Zuge dieser entwickelte er sein eigenes Wachsausschmelzverfahren und zählte unter anderem die stetige Transformation des Universums und die Architektur von Antoni Gaudí zu seinen Inspirationsquellen.

Diese Faszination für metamorphische Wirkungskräfte äußerte sich in skulpturalen Schmuckstücken, Tafelgeschirr und Kunstwerken, die nicht von dieser Welt zu sein schienen. So bilden etwa ein goldenes, mit 120 Edelsteinen besetztes Finger Piece oder Paribanu’s Tears, eine filigrane Arbeit aus Gold, die über das Gesicht gehangen wird, eine Synthese aus Kunst und Schmuck, wodurch Arje Griegst als früher Vertreter der »Wearable Art« Bewegung bezeichnet werden kann. Damit lehnte er sich auch gegen den vorherrschenden Stil der skandinavischen Reduktion und Moderne auf und dachte statt in klaren Linien und Formen weit außerhalb von diesen.

 

 

Was bleibt

Als Lehrender an der Bezal’el-Akademie für Kunst und Design lernte er seine Frau Irene kennen, welche ebenfalls als renommierte Künstlerin tätig ist und heute ihrem Sohn bei der Leitung des Unternehmens mit Rat und Tat zur Seite steht. Das KünstlerInnenpaar beeinflusste sich gegenseitig in seiner ästhetischen Ausdrucksweise, wie Irene Griegst erklärt: »Mein Mann war mein größter Lehrer und Einfluss. Er lehrte mir alles, was ich heute weiß, und auch wenn unsere Arbeiten unterschiedlicher Natur waren, so inspirierte ich ihn, seine Augen für die Magie des Mittleren Ostens und für unkonventionelle Techniken zu öffnen.«

Auch ihr Sohn Noam, welcher neben seiner Arbeit im Familienbetrieb auch als Fotograf und Filmschaffender tätig ist, wurde bei seiner eigenen künstlerischen Entwicklung stark von dem Werk seiner Eltern geprägt. Er betrachtet Film, Fotografie und Schmuck als eng miteinander verbunden und erkennt in diesen Ausdrucksformen die Möglichkeit, den Körper zu transformieren und einen visuellen Eindruck zu hinterlassen. »Ich war immer von meiner Herkunft und der Arbeit meiner Eltern inspiriert, was sich auch in meinen verträumten, romantischen Bildern widerspiegelt. Bei Fotografie und Schmuck geht es um Fantasie und Schönheit – sowohl im konventionellen als auch im unkonventionellen Sinne«, führt er aus.

Was die Zukunft bringt, wird bei Griegst gleichermaßen optimistisch und poetisch auf den Punkt gebracht. Ikonische Designstücke würden durch ihre Perfektion niemals an Strahlkraft verlieren, beschreibt Noam Griegst. Und bereits sein Vater erkannte: »Wahre Tradition ist das zu tun, was sich richtig anfühlt und nicht in die Fußstapfen von anderen zu treten, – das ist nur Degeneration.« [LM]