Text Sven WEDEMEYER
Der Begriff des Designers ist zu eng gefasst, um Daniel Simon gerecht zu werden. Denn als visionäres Multitalent beflügelt er nicht nur die Formen exklusiver Boutique-Sportwagen, sondern auch Hollywoods wildeste Kino-Fantasien. Der Deutsche bewegt sich traumwandlerisch zwischen Realismus und Fiktion. Er erzählt, erfindet, zweifelt und träumt. Mit dem Freigeist sprechen wir über Naheliegendes — wie Formensprache. Über Unvermeidbares — wie künstliche Intelligenz. Und Überraschendes — wie Zeit, Distinktion und Langlebigkeit.
Es sind vor allem Gegensätze, die Daniel Simon anziehen. Er spürt sie auf. Nicht immer mit Absicht, aber doch mit absoluter Treffsicherheit. Dann widmet er ihnen all seine Aufmerksamkeit. Und vereint, was sich oft ausschließt. Vergangenheit und Zukunft zum Beispiel. Oder Funktion und Form. Die kluge Moderation dieser Dialektik, die eine Reibung erzeugt, Geschichten spannend und Dinge lebendig macht, ist vielleicht sein größtes Talent — neben der offensichtlichen Begabung, mit wenigen Bleistift-Strichen die Konturen einer ganzen Galaxie zu umreißen.
Mit dem überwältigend detailreichen Bildband Cosmic Motors gelang ihm 2007 der internationale Durchbruch, nachdem er in Pforzheim Transportation Design studierte und einige Jahre für Volkswagen und Bugatti Konzeptfahrzeuge entwarf. Die Auto-Industrie war und ist aber nur ein Spielfeld des heute 47-Jährigen, der mit großer Hingabe alles hinterfragt. So wurde er über Nacht zu 2013 Hollywoods liebstem Utopisten. Blockbuster wie »Tron: Legacy«, »Oblivion« oder »Top Gun: Maverick« profitieren sichtlich von seiner Kreativität, die mehr erschafft als cineastische Oberflächlichkeit.


Tron: Legacy Hero Light Cycle, 2010
Schon Cosmic Motors macht das deutlich. Daniel hatte sich Mitte der 2000er für zwei Jahre nach Brasilien zurückgezogen, um dieses utopische Werk im Geiste seines Vorbilds Syd Mead zu erschaffen. »Syd oder Harley Earl haben einen großen Einfluss auf mich«, sagt er noch heute. Die fiktive Welt von Cosmic Motors dreht sich um Fahrzeuge einer fantastischen Galaxie, die eine Mischung aus de-militarisierten Kampfjets und vom Hauch der Vergangenheit inspirierten Renn- und Luxuswagen sind. Doch nicht nur der Inhalt des Buches ist bemerkenswert, auch seine Form. Als Leser:in kann man regelrecht spüren, wie die Ideen vom ersten Entwurf über die Reinzeichnung bis zum digitalen Rendering aufs Papier kamen. »Das Spiel mit Zeitachsen, also das Vermischen von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, ist für mich total faszinierend. Was-Wäre-Wenn-Gedankenspiele sind für mich wie eine Droge. So entstehen Räume ohne Regeln und alternative Welten, die angesichts der Unendlichkeit des Kosmos nicht mal so unmöglich scheinen.« Zeit, das wird schnell klar, ist ein großes Thema in Daniels Gesamtwerk. Sein zweites Buch, The Timeless Racer, trägt das Thema sogar im Titel und widmet sich einem zeitreisenden Rennfahrer, der zwischen den Jahren 1916 und 2615 pendelt. »Mich fasziniert der Gedanke, was aus Rennställen oder Traditionsmarken in ferner Zukunft wird, wenn diese nicht nur auf ein paar Jahrzehnte, sondern auf ganze Jahrhunderte zurückblicken. Wie würde eine Porsche-Sammlung im Jahr 2600 aussehen?« Für Daniel sind das keine von Materialismus getriebenen Fragen. Er stellt sie nur, weil für ihn immer auch Menschen dazu gehören. Er betreibt großen Aufwand beim Entwerfen durchdachter Hintergrundgeschichten, die zwangsläufig die Frage aufwerfen, wie sehr wir als Subjekte an Vergangenem festhalten. Vermächtnisse, so Daniel, könnten nämlich auch eine Last sein. »Referenzen sind wichtig. Es macht mir aber schon zu schaffen, mit wie viel Geschichte wir leben müssen. Die gestalterische Bibliothek und die Menge unausgesprochener Vorgaben ist schon gewaltig. Nur wenige Autohersteller sind davon befreit, Koenigsegg zum Beispiel.« Massenhersteller seien zwangsläufig mehr der Vergangenheit verpflichtet. Der überzeugte Enthusiast, der in Mobilität eine erhebende Daseinsform sieht, ist sich diesen Zwängen bewusst, hinterfragt aber trotzdem jede Konvention: »Auf einer Automobilausstellung in den 1920ern gab es keinen Bezug zu früher. Die Frage der Rückschau stellte sich gar nicht.« Heute trage das Design großer Marken also immer auch den Ballast der Vergangenheit mit sich, vor allem gestalterisch.

The Timeless Racer Masucci X-7A
Der Massenmarkt sei damit einem Großteil seiner revolutionären Kraft beraubt. Als Beispiel nennt Daniel die Niere von BMW, deren eigentliche Funktion als Kühleröffnung schon seit Jahrzehnten hinfällig, aber für den Wiedererkennungswert der Marke unverzichtbar sei. Eine implizite Verhinderung radikaler Neuanfänge — und eine Abstraktion des Ursprungs, bis hin ins Absurde. Gestalterischer Mut, das wird deutlich, scheint für den weit jenseits normaler Grenzen denkenden Designer selten. »Renault hatte Anfang der 2000er ein progressives Design, das mir sehr gefiel — mit Vel Satis oder Avantime. Wirtschaftlich war es aber eine Katastrophe, die Masse fand diese Autos eher herausfordernd.« Langsam versteht man, warum Daniel heute nicht Designchef bei Volkswagen ist, sondern beispielsweise für Singer arbeitet, wo bis ins letzte Detail modifizierte Porsche für absolute Liebhaber:innen in Kleinserie entstehen. Doch er gibt zu bedenken: »Auch bei solch teuren Prestigemarken sind sentimentale Käufer die Mehrheit. Da geht es meist um Rückblicke und Sehnsüchte.« Was zur Folge hat, dass man für Restomods nicht alles neu erfinden müsse. Daniel hat deshalb seine ganz persönliche Nische gefunden, wo er in verschiedenen Projekten gestalterischen Freiraum erlebt. »Viele Industrie-Designer etablieren sich in einem Genre und suchen ständig nach neuen Ausdrucksformen. Die Auto-Industrie ist dafür sehr empfänglich. Ich mache es anders herum und habe meine individuelle Designsprache gefunden. Diese wende ich dann auf verschiedene Genres an.«
![1990 Porsche 911 restored and modified by Singer Vehicle Design using results of Dynamics and Lightweighting Study [DLS] undertaken with Williams Advanced Engineering and other technical partners.](https://chapter.digital/wp-content/uploads/2025/04/Result_of_Dynamics_and_Lightweighting_Studio_03-386x500.jpg)
1990 Porsche 911 restauriert und modifiziert von Singer Vehicle Design
Seine erkennbare Handschrift ist in unserer lauten Welt von Vorteil. Doch damit verbunden ist auch das Simonständige Risiko, einer inneren Gemütlichkeit oder einer gefährlichen, missverstandenen Souveränität zum Opfer zu fallen. »Routine kann einen schnell aufs Abstellgleis führen.« Davon scheint Daniel aber weit entfernt. Für Roborace gestaltete er schon 2015 einen ganz realen, autonomen Rennwagen. »Da kann man keine Vorlage herunterladen. Man hat keine visuelle Bibliothek für diese Produktklasse, man kann nirgendwo schauen, wie das andere machen. Solche Projekte sind die Sahnestücke des Fahrzeugdesigns.« Sein Robocar war ein Segen, aber auch eine Herausforderung. Denn radikales Design ist selten sofort perfekt. »Wir mussten die Form lange massieren. Es gibt da ungeschriebene Regeln, wie einen Takt. Den muss man lernen, denn die Gesetze der Ästhetik lassen sich nicht einfach aushebeln.«


Robocar, Roborace
Wer echte Rennautos, Formel-1-Designs oder Luxus-Sportwagen entwirft, Elon Musks SpaceX berät, Motorräder für Lotus oder zuletzt Flugzeuge für den neuen »Top Gun«-Film zeichnet, der braucht eine eigene Designsprache. Für Daniel heißt das: Industrielle Eleganz ohne zu viel Provokation, dazu echter Futurismus trotz greifbarer Zeitlosigkeit. »Für meine Arbeit beim Film ist das hilfreich, denn aktueller Zeitgeist hat in einem Sci-Fi-Movie wie »Oblivion« nichts verloren. Da will man möglichst viel Abstand zur realen Welt schaffen.« Als kreativer Handwerker geht er dafür immer vom dreidimensionalen Objekt aus und verschmilzt einfache Grundvolumen zu einer komplexen Gesamtheit, deren geometrische Ursprungsformen jedoch weiterhin lesbar bleiben. Das schafft Souveränität. »Viele andere Designs finde ich zu laut, zu verbastelt, und damit nach längerem Betrachten ermüdend.« Das mache sie paradoxerweise auf lange Sicht uninteressant, so Daniel. Wie so oft liegt die große Kunst im Weglassen. »Bei simplen Entwürfen muss alles stimmen: Balance, Flächenqualität, Proportion. Da darf sich nichts hintereinander verstecken.«

Top Gun: Maverick Darkstar Jet, 2022
Die Vehikel in Cosmic Motors oder The Timeless Racer sind dieser Aufgabe gewachsen. Und wirken dabei erstaunlich funktional — genau wie seine Film-Fahrzeuge. »Das hat seinen Grund«, so Daniel. Eine Zukunft, in der alles wireless und absolut digital sei, wäre visuell nicht unterhaltsam. »Wenn es um bestimmte Fantasie-Maschinen geht, bin ich ein Fan von echten Schaltern, Schrauben und Nieten.« Er nennt ein Beispiel: »Das Bubbleship in »Oblivion« steht für ein ganz spezielles Gefühl im Film — das muss es auch vermitteln. Wenn ein Darsteller aus einer brenzligen Situation fliehen muss und dabei nichts zu tun hat, bietet das kein Drama. Dem Raumschiff haben wir deshalb klassische Kippschalter für eine Schlüsselszene gegeben — und keinen Touch-Screen, was näher läge. Das ist eine kreative Entscheidung.«
Seit vielen Jahren setzt der Regisseur Joseph Kosinski auf Daniels Talente. Das aktuelle »Top Gun«-Remake mit Tom Cruise am Steuer des Darkstar Jets war für Daniel erneut ein absoluter Traumjob. Auch wenn der Diskurs mit einer fiktiven Welt harte Arbeit und viel Recherche in der Industrie bedeutet. »Es ist der beste Teil meiner Arbeit, sich in neue Branchen einzulesen und neue Türen aufzumachen.« Angesichts der vielen Meta-Ebenen in der Kunst ist es überraschend, wie analytisch er vorgeht und der Mechanik unserer Welt nachspürt. »Ich liebe Flugzeuge und deren Design, habe mich aber sofort gefragt: Wie gehen wir das jetzt an? Das Design muss einem Blockbuster würdig sein, aber auch Fachleute beeindrucken — und darf den durchschnittlichen Kinogänger nicht verwirren. Ein Balanceakt.«


Hollywoods Oblivion Bubbleship, 2013
Im Fall von »Top Gun: Maverick« arbeitete Daniel eng mit der Forschungs-Abteilung von Lockheed zusammen. Er nahm sich den SR-71 Blackbird zum Vorbild, bis heute das schnellste Flugzeug der Welt — und begab sich dann auf die für ihn so typische, geistige Zeitreise. Was, das fragte er sich, würden die Lockheed-Ingenieure aus den 1960ern heute machen? Es ist ein Rollenspiel, ganz ähnlich dem Method Acting. Genau diese Herangehensweise macht Daniels Werk so authentisch, detailreich und schlüssig.
Hinzu kommt, dass er schon als Junge Autos auf die Rückseite technischer Zeichnungen kritzelte. Es waren die Unterlagen seines Vaters, der als Ingenieur arbeitete. Die Familie lebte in den 1980ern an der Ostsee, in der DDR. Die Ikonen jener Jahre waren Ferrari Testarossa oder Lamborghini Countach. Doch Daniel malte keine konkreten Marken, sondern einfach nur »Visionen von Blechbüchsen, die Krach machen und irgendwo hin donnern«. Sicher wäre er auch ein brillanter Ingenieur geworden. Heute lebt Daniel mit Frau und Tochter in Florida, designt für internationale Kunden, von denen nicht wenige geheim bleiben. Dass er seinen Traumjob gefunden hat, ist einem Zufall geschuldet: Als 15-Jähriger liest er beim Brötchen holen in einer Autozeitung vom Beruf des Fahrzeugdesigners. Bis dahin war ihm diese Welt völlig verborgen. Auf einmal gab es eine Perspektive.Die Zeitung besitzt er noch heute, was seine romantische Neigung unterstreicht, die auch in seine Arbeit einfließt. Er ist ein sentimentaler Futurist, ohne Zweifel. Und er weiß um das Privileg einer Tätigkeit, die seinen Talenten so sehr entspricht. Vielleicht hat auch die unfreiwillige Neuerfindung seiner Person — weitgehend entkoppelt von der deutschen Herkunft und seiner vermeintlichen Vorbestimmung als Autodesigner — dazu beigetragen, sich eine ganz besondere Freiheit des Geistes zu erhalten. Das Leben in den USA kommt dem sicher entgegen. Denn anders als in Europa sieht Daniel sich nicht täglich mit seiner Vergangenheit konfrontiert. Ihn prägt stattdessen der unaufhaltsame Fortschritt. Er wuchs ohne Internet auf, hatte als Teenager den ersten Home Computer, studierte, als Photoshop released wurde und setzte erste Jobs um, während Google Images oder Youtube durchstarteten. Er betrachtet diesen radikalen Wandel als großes, aber zufälliges Glück: »Als Student ging ein ganzes Jahr ins Land, bis ich herausfand, mit welchem Stift bestimmte Designer arbeiteten. Heute gibt es 16-Jährige, die sind Supertalente für Darstellungstechniken. Das Internet und Tutorials verändern, wie sich kreative Köpfe entwickeln. Der Findungsprozess ist von Jahren auf Minuten geschrumpft. Das hat Konsequenzen.« Welche, das lässt Daniel offen.

Daniel Simon – ein visionäres Multitalent
Seine Meinung zur disruptiven Kraft digitaler Techniken und vor allem künstlicher Intelligenz ändere sich wöchentlich, wie er bestätigt. »Grundsätzlich habe ich durchaus extreme Bedenken.« Er schließt die positive Wirkung technologischen Fortschritts für die kollektive Gesellschaft keineswegs aus. »Doch wir sind schon heute schleichend und doch unaufhaltsam von Algorithmen abhängig, hängen pausenlos an vernetzten Geräten. Die Matrix ist real!« Trotzdem arbeitet Daniel intensiv mit AI-Designsoftware. »Midjourney oder Vizcom sind unfassbar, sie kamen gefühlt aus dem Nichts. Doch das sind ja nur harmlose Kreativ-Beispiele. Niemand kann sich vorstellen, wo wir in zehn Jahren stehen werden. Zumal wir große Schwierigkeiten mit exponentiellem Wachstum haben. Menschen sind eher linear gestrickt.« Wie leichtgläubig sich Menschen vom spielerischen Element künstlicher Intelligenz vereinnahmen und ablenken lassen, erstaunt ihn zutiefst.
Denn das Ausmaß der Bedrohung sei nicht absehbar. Und schon heute real. Künstler:innen fühlten sich zu Recht von AI bedroht. »Wir glauben, Dinge entstehen lassen zu können, die noch niemand zuvor gesehen hat. Das ist arrogant! Denn alle Formen sind eigentlich schon erfunden. Wir mixen also eher das Vorhandene. Nur die Kombinationsmöglichkeiten sind unendlich. Designer sind also Kuratoren, DJs sozusagen. Wie wir den Prozess des Mixens gestalten, das macht uns einmalig.« Daniel ist davon überzeugt, dass wir uns allein durch die Unfähigkeit zu astronomischer Rechenkraft — also durch ein Defizit — von AI und ihrem Brute-Force-Design unterscheiden.

DSX Mistral Concept Helicopter
»Ein Computer macht Kunst? Wie lachhaft! Ein Computer schreibt ein Drehbuch? Zum Teufel! Was ist Kunst?«, fragt er. Seine Antwort: In der Kunst sei Vieles nicht quantifizierbar. Oder wertfrei. Im Design schon. Hierin liege der Unterschied. »Daher ist es denkbar, dass wir in Zukunft lieber auf Werke menschlicher Kuratoren zurückgreifen, wenn wir es uns leisten können. Den Markt der unteren Konsumentenschichten wird dann aber die AI überschwemmen. Womit sich die Elite weiter abgrenzt. Diese Theorie kann man auch aufs Autodesign übertragen.«
Eine Welt mit noch mehr Abgrenzung und noch mehr Spannungen scheint nicht in seinem Interesse. Daniel setzt auf das Menschliche, wo er es sich leisten kann. Es ist sein Gebot eines kreativen Existenzialismus. Für ihn hat der Schaffensprozess in seiner Langwierigkeit, in seiner Komplexität, mit dem immanenten Risiko des Scheiterns, eben auch eine hohe Qualität. Trotzdem weiß er: AI wird das Fahrzeugdesign revolutionieren, das extrem ressourcenintensiv sei. Autohersteller würden sich dieses Einsparpotenzial sicher nicht nehmen lassen. Der Zukunftsgläubige sieht in der süßen Frucht der künstlichen Intelligenz eine zu große Verlockung.
Kürzlich las er einen Kommentar der Autorin Laura Preston, die davon berichtete, wie ein AI-Bot ihr die Arbeit erleichtern sollte, sie stattdessen aber dazu verleitete, selbst wie ein Bot zu denken. Der Bot fing an, sie zu trainieren. Daniel sieht in dieser Rückkopplung, die das Menschliche fatal ins Abseits drängt, ein bekanntes und wiederkehrendes Muster: »Unser Bemühen um maximale Likes führt dazu, dass quasi jeder Content gleich aussieht. Die Maschine hat entschieden, was cool ist. Und der Algorithmus wiegt uns im Glauben, dass wir kreativ seien. Das fasst meine Sorgen um AI sehr gut zusammen.«

Skizze Robocar, Roborace
Als lupenreiner Utopist blickt Daniel daher durchaus kritisch auf Innovationen. Viele Trends würden seiner Meinung nach nicht genügend hinterfragt. Hinzu käme, dass der Kapitalismus Design als Verkaufsmittel entdeckt habe und es bis auf den letzten Tropfen ausquetsche. Eine starke Meinung von jemandem, dessen Geschäft vom Fortschritt lebt. Doch gerade jemand wie Daniel kann es sich erlauben, aus dem Inneren des Systems Kritik an Selbigem zu üben. Er holt aus: »Die Menge neuer Fahrzeuge und extrem kurze Modellzyklen haben wir eigentlich nicht nötig. Das macht mich wahnsinnig. Diese inhärente Obsoletheit ist ethisch unvertretbar. Meine Arbeit richtet sich gegen diese Verschwendung im Sekundentakt.« Doch er weiß auch — unsere Welt ist komplex und seine Stimme nur sehr leise. Als Designer plädiert er trotzdem für mehr Langlebigkeit. Seine simplen und smarten Formen haben damit eine tiefere Botschaft. »Aus dem Strudel vom Mehr und Mehr habe ich mich schon lange zurückgezogen. Es ist ein Hamsterrad, das für einen kreativen Kopf sehr ermüdend sein kann.«

Robocar, Roborace
Die Auseinandersetzung mit Daniels Design offenbart damit eine unterschwellige Agenda. Sie ist persönlicher Ausdruck, mutige Spekulation und fantasievolle Träumerei. Aber eben auch die Reflexion gesellschaftlicher Verantwortung. Er grenzt sich klar von einer politischen Deutung ab, gibt aber zu: »Ökonomie, Wissenschaft und unser Miteinander spielen schon eine Rolle.« Der Mann, für den Utopien den Alltag bedeuten, ist beispielsweise schockiert, »wie sehr Dystopien die Massen faszinieren. Die Previews im Kino sind fast nur noch Gemetzel — mit flachen Helden, die die Welt retten«. Sein Job in der Unterhaltung ist also durchaus konfliktbehaftet — philosophisch und ganz praktisch.
Am Schaffen hat er trotzdem keinen Zweifel. Er sieht sich einfach nur einer großen Verantwortung gegenüber. »Ich frage mich schon, worauf ich eines Tages zurückblicke. Was wird man von mir und meiner Arbeit in Erinnerung behalten? Eine Frage, über die AI sicherlich nicht reflektiert.«
ERSTMALS VERÖFFENTLICHT IN CHAPTER №IX »WORK In PROGRESS« – WINTER 2023/24