In der Porsche Exclusive Manufaktur fusionieren handwerkliche Perfektion und modernste Technik um individuelle, oft durchaus extravagante Kunden- und Kundinnenwünsche Realität werden zu lassen. Dass dabei aber gar nicht so sehr das Erreichen eines einzigartigen Ergebnisses, die Auslieferung eines Fahrzeug-Unikats, sondern vielmehr der vielfältige und intensive Entstehungsprozess im Mittelpunkt steht, war nur eine der spannenden Erkenntnisse unseres Besuchs im Zuffenhausener Kreativzentrum.
Alexander Fabig, Leiter der Porsche Abteilung Individualisierung und Classic, führt uns durch die beeindruckenden Räumlichkeiten der Porsche Exclusive Manufaktur. »Unsere Kunden kommen mit einer Vision«, erzählt er, während wir an einem Panamera Turbo vorbeigehen, dessen eigens kreierter Farbton Leblon Violet Metallic mit einem Klarlack, der Gold-bedampfte Flakes enthält, veredelt wurde. »Wir helfen ihnen, diese Vision in die Realität umzusetzen.«
Panamera Turbo – Porsche Sonderwunsch, 2023
Und dafür nimmt man sich bei Porsche gerne ausführlich Zeit. Zeit für einen intensiven Austausch und eine durchaus auch emotionale Zusammenarbeit mit den Kund:innen. Es sei ein dialogischer Prozess, betont Fabig: »Wir arbeiten eng mit unseren Kunden zusammen, um sicherzustellen, dass jede ihrer Vorstellungen perfekt umgesetzt wird.« Dieser Co-Creation Ansatz der tiefen Einbindung der Kunden und Kundinnen in den Kreativprozess spiegelt dabei auch das wesentliche Element eines neuen Luxusbegriffs wider. Weg von bloßem Besitz von Luxusgütern, hin zu einzigartigen Erlebnissen und wirklich individuell maßgefertigter Exklusivität. Weniger das fertige Produkt, sondern vielmehr der kreative Weg dahin steht im Vordergrund. »Luxus ist nicht mehr nur das Besondere zu besitzen, es geht darum, das Besondere zu erschaffen«, erklärt Alexander Fabig. »Deshalb sind unsere Kunden Teil des gesamten Prozesses – von der ersten Idee bis zum fertigen Sportwagen.«
Taycan Turbo S Celestial Jade – Porsche Exclusive Manufaktur, 2024
Porsche’s Sonderwunsch Programm existiert eigentlich bereits seit den späten 70er Jahren und erfährt nun, wohl nicht zuletzt durch jene Transformation des Luxusbegriffs, eine Renaissance. Vom Erstgespräch auf Basis einer grundsätzlichen Idee, bis hin zur Fertigstellung eines Sonderwunsch Werksunikats, als höchste Ausprägung der Individualisierung, kann jener Prozess schon durchaus mehrere Jahre durchlaufen und gliedert sich grundsätzlich in drei Phasen: Am Anfang steht die Idee des Kunden oder der Kundin, deren grundsätzliche technische Umsetzbarkeit von Porsche geprüft wird. Von individualisierten Detailkomponenten im Fahrzeuginnenraums bis hin zu markanten Änderungen an der Fahrzeugkarosserie, reicht hier das Spektrum der möglichen Wünsche. Nach positiver Machbarkeitsprüfung lädt Porsche den Kunden oder die Kundin schließlich zu einem Projektgespräch ein, bei dem in Zusammenarbeit mit Designer:innen und Expert:innen unterschiedlichster Bereiche ein so genanntes »Lastenheft« entsteht, in dem das Projekt von allen Seiten analysiert und eine Umsetzung im Detail ausgearbeitet wird. Ein, abhängig von der Ausprägung der Individualisierung, äußerst komplexer Prozess, der je nach Umfang bereits bis zu einem Jahr dauern und durchaus eine sechsstellige Summe kosten kann. In der dritten Phase werden schließlich die gewünschten Komponenten entwickelt und das individuelle Traumauto wird, selbstredend streng den Porsche Qualitätsstandards entsprechend, gefertigt. Um jene teils ausgefallenen Visionen der Kunden und Kundinnen professionell umzusetzen, betreuen je nach Fahrzeugalter die Technikexperten der Porsche Exclusive Manufaktur oder Porsche Classic die Umsetzung.
Dass beim Porsche Sonderwunsch Programm in gewisser Weise der (lange) Weg das Ziel ist, zeigt sich auch in unserem Gespräch mit Alexander Fabig, der uns spannende Einblicke in den Arbeitsprozess und die nahezu unbegrenzten Möglichkeiten der Individualisierung gab.
Chapter Die Customer Journey scheint ein ganz essenzieller Bestandteil im Sonderwunsch Programm zu sein, geht es doch um mehr als nur die Frage, wie schnell ein Fahrzeug fertig gestellt werden kann. Wie wichtig ist Ihnen persönlich also diese Phase des intensiven Austauschs, wo vielleicht manche Dinge funktionieren, manche weniger?
Alexander Fabig So ist es. Jene Customer Experience, dieser gemeinsame Weg dahin, der ist eigentlich das dominierende Element. Gelegentlich stellt sich bei Fertigstellung eines Projekts bei allen Beteiligten sogar eine gewisse Schwermütigkeit ein, denn viele Projekte erstrecken sich über einen langen Zeitraum und basieren auf einer sehr intensiven Zusammenarbeit, in der auch emotionale Beziehungen zwischen den Menschen entstehen. Der Idealzustand ist, dass während dieses Prozesses ein starker Teamgedanke entsteht. Der Kunde ist nicht mehr nur Kunde, er wird ein Teil eines Teams und leitet sein eigenes Projekt. Wenn Sie beispielsweise manche unserer so genannten »Meilenstein-Meetings« beobachten würden, bei denen wir uns hier vor Ort mit den Kunden treffen und das jeweilige Projektteam zusammenzubringen, da würden Sie als Beobachter vermutlich gar nicht identifizieren können, wer denn hier jetzt der Kunde ist und wer der Projektleiter. Und tatsächlich stellen wir auch ein Organigramm für jedes Kundenprojekt zusammen, in dem wirklich der Kunde als Projektleiter fungiert und darunter unsere Porsche-Kollegen als Team aufgeführt sind. Und auch das ist natürlich Teil dieser außergewöhnlichen Experience – also eine wirklich besondere und intensive Zeit, die wir gemeinsam erleben. Ziel ist es, dem Kunden eine maximale Integration zu ermöglichen. »So nah wie möglich« ist dabei unser Leitgedanke.
911 Turbo S – Porsche Sonderwunsch, 2024
Chapter Wie bewerten Sie vor dem Hintergrund der von Ihnen beschriebenen Experience die aktuellen Veränderungen im Luxusverständnis, in den Luxusbedürfnissen und den darauf basierenden neuen Geschäftsmodellen, die insbesondere der Individualisierung eine immer größere Rolle beimessen? Kann man sagen, dass echter Luxus sozusagen nicht mehr »von der Stange« kommt?
Alexander Fabig Diesen Trend können wir absolut bestätigen. Aus unserer Sicht bewegt sich die Entwicklung klar weg vom einfachen Kaufen »aus dem Regal« hin zum selbst Kreieren oder Designen. Und dieser steigenden Nachfrage versuchen wir natürlich auch gerecht zu werden, einerseits sowohl schon mit den Katalogangeboten aus dem Bereich Exclusive Manufaktur Optionen, aber natürlich auch speziell mit Sonderwunsch. Wir bieten dem Kunden also einerseits einen Startpunkt, aber andererseits darauf aufbauend die Möglichkeit in unterschiedlichster Ausprägung selbst gestalterisch aktiv zu werden. Wir haben beispielsweise in der ersten Stufe im Rahmen der Exclusive Manufaktur Optionen ein Angebot namens Personalize, bei dem der Kunde über Texte oder Bilder, die er im Konfigurator hochladen oder eingeben kann, bereits Umfänge personalisieren kann. Das wäre jetzt sozusagen die Ausbaustufe eins – und die höchste Ausbaustufe ist schließlich das Sonderwunsch Unikat. Ich bin überzeugt, der eigentliche Luxus, jene Luxus-Kennzahl, die dahinter steckt, ist eigentlich Zeit. Zeit, die unsere Kunden diesem Thema widmen können oder wollen. Das ist der Luxus, den ich mir gönne: Ich nehme mir jetzt beispielsweise drei Jahre Zeit und realisiere mit Porsche ein Unikat. Dazu gehören auf Wunsch des Kunden regelmäßige Aufenthalte an den Porsche Standorten in Zuffenhausen und Weissach. Das sind zeitintensive und zuweilen auch anstrengende Termine, bei denen wir mit den Kunden ganz konkret an ihren Unikaten arbeiten.
911 GT3 RS, Tribute to Jo Siffert, Porsche Sonderwunsch, 2024
Chapter Wo setzen Sie bei Porsche denn eigentlich die Grenzen der Individualisierung, ab wann sagt man »das geht jetzt zu weit«? Wenn etwa die Formensprache eines aktuellen Modells, wie sie eigentlich von Chefdesigner Michael Maurer definiert wurde, zu drastisch modifiziert werden würde?
Alexander Fabig Michael Mauer blickt tatsächlich auf jedes Unikat, er persönlich ist sozusagen die höchste Instanz, die Projekte am Ende freigibt. Der Kunde ist Teil es Projektteams in Form eines Projektleiters – Michael Mauer ist und bleibt aber der Designchef, der über die Freigabe letztendlich entscheidet. Die von Ihnen angesprochenen Grenzen sind meist an zwei Stellen vorhanden: Das eine ist die Funktion: Die Sonderwunsch Unikate unterliegen den gleichen Ansprüchen an technischer Perfektion und Sicherheit, die wir auch als Maßstab für unsere Serienfahrzeuge ansetzen. Dazu kommen die Grenzen im Bereich der Gesetzesanforderungen, Typisierungen, das ist selbstredend. Bei gestalterischen Aspekten sind die Grenzen eigentlich sehr weit gefasst, diese würden wir aber beispielsweise überschreiten, wenn markenfremde Elemente übertragen werden sollen. Also – als frei erfundenes Beispiel – wenn ein Kunde einen Testarossa Flügel auf einem 911er möchte. Aber in allen Projekten und Anfragen, die es bisher gab, hatten wir nie Nachfragen dieser Art.
Chapter Weil die Kunden trotz aller Individualisierungswünsche am Ende dann ja doch einen Porsche wollen…
Alexander Fabig Das ist genau richtig formuliert – der Kunde könnte sich auch am freien Markt bedienen und findet mit Gewissheit jemanden, der ihm einen Testarossa Flügel auf einen 911 montiert. Der Kunde wendet sich aber bewusst an uns, weil er gemeinsam mit Porsche seinen Traum-Sportwagen realisieren möchte. Gemäß unserem Credo »You Dream it, we build it«. Wir verstehen uns nicht als Auftragsfertiger für den Designentwurf eines Kunden, sondern unsere Kunden möchten bewusst in die Markenwelt von Porsche eintauchen und mit unserer Designphilosophie ein Projekt umsetzen. Deshalb sind auch die bisherigen Projekte zwar sehr, sehr persönlich, individuell und speziell in vielen Aspekten und Details, aber das sind jetzt keine vollständig ungewöhnlichen Ansätze, die umfassend in unsere Formensprache eingreifen. Und dazu passt natürlich auch die Tatsache, dass all unsere Kunden bereits langjährige Porsche-Enthusiasten sind, die stark mit der Marke verbunden sind. Sie wünschen sich einen echten Porsche, dem sie ihre eigene Handschrift verleihen. Es geht also vorrangig um Details, beispielsweise um Linien, um Aspekte der Linienführung – machen wir einen Winkel etwas spitzer oder etwas weicher, machen wir eine Kontur eher rechtwinkelig oder runder, wo läuft eine Sicke hinaus… Was aber nicht bedeuten soll, dass wir uns nicht auch größeren Veränderungen annehmen würden – diese wurde bisher aber nicht an uns adressiert.
Chapter Von großen Veränderungen zu sehr kleinen Details: Wie steht man bei Porsche der Integration von markenfremden Elementen gegenüber? Wenn ein Kunde sich beispielsweise die Integration einer bestimmten Luxusuhr im Armaturenbrett wünscht…
Alexander Fabig Im Rahmen eines Kunden-Einzelprojekts stehen wir dem sehr offen gegenüber. Auch in Serie gibt es natürlich externe Marken, mit denen wir gerne zusammenarbeiten. Selbstverständlich prüfen wir im Detail, welche Themen und Marken schlussendlich harmonieren.
Chapter Wenn Sie auf die bisherigen Sonderwunsch Projekte zurückblicken, können Sie uns ein in der Umsetzung besonders herausforderndes Beispiel nennen?
Alexander Fabig Herausfordernd war tatsächlich die Umsetzung des Taycan, den wir für den chinesischen Künstler Ding Yi gebaut haben. Ding Yi ist ein international bekannter Künstler, der in vielfältigen Variationen und Farben dichter Kreuzstrukturen riesige Wandgemälde entstehen lässt. Und seine Idee war, dass eines seiner Gemälde sozusagen in diesen Taycan »merged«. Sowohl im Exterieur, in der Lackierung, als auch auf einzelnen Interieur-Komponenten. Das war mit Abstand die aufwändigste Lackierung, die wir jemals durchgeführt haben, auch weil es eine wirklich anspruchsvolle Handlackierung war. Natürlich hat ein Künstler wie Ding Yi einen sehr hohen Anspruch an die Umsetzung seiner Vision durch unser Team, auch, weil das Ergebnis Teil seines künstlerischen Schaffens wird. Dies war tatsächlich ein sehr herausforderndes Projekt, mit dessen technischer und handwerklicher Umsetzung wir schlussendlich auch unsere eigenen Fähigkeiten nochmals erweitert haben.
Taycan Turbo S Porsche Sonderwunsch 2023 für den Künstler Ding Yi
Chapter Bei all den Einblicken in Ihre Arbeit, die ich hier gewinnen konnte, gehe ich davon aus, dass für Ihre Tätigkeit im Bereich Sonderwunsch nebst vielfältiger fachlicher Expertise auch Persönlichkeitsmerkmale wie Geduld und Empathie essenziell sind. Immerhin geht es – vielleicht ein wenig überspitzt formuliert – bei Sonderwunsch weniger darum, das perfekte oder das schönste Auto zu bauen, sondern eigentlich den Kunden oder die Kundin glücklich zu machen. Kann man das so sagen?
Alexander Fabig Definitiv, denn schlussendlich versuchen wir bei Sonderwunsch nicht den »perfekten Porsche« oder den »schönsten Porsche« zu kreieren, sondern wir arbeiten für und mit Individualisten. Aus diesem Grund bliebt auch die Geschmacksdiskussion oder vielleicht die Frage »Könnten wir das so verkaufen?« nicht aus. Es geht ausschließlich darum den perfekten Porsche für den jeweiligen Kunden zu realisieren. Und ja, wenn Michael Mauer ein Porsche Modell zeichnet und auch konfiguriert, dann ist es natürlich in gewissem Sinne »absolut«: So sieht ein »perfekter Porsche« aus. Aber hier in der Exclusive Manufaktur muss es nur einem gefallen – dem Auftrag gebenden Kunden. Wichtig ist, hier zwischen Geschmacksfragen und einer Passung zur Marke zu unterscheiden: Im Bereich Geschmack entscheidet der Kunde. Wenn wir der Meinung sind, dass ein Konzept für die Marke nicht funktioniert, legen wir unser Veto ein.
Porsche 911 Speedster Sonderwunsch 2024 für Designer Luca Trazzi
Chapter Abschließend würde mich noch interessieren, welchen Impact Ihre Tätigkeit auf Sie ganz persönlich hat. Hat die so ständige, intensive Auseinandersetzung mit Individualisierungsoptionen Ihre Wahrnehmung oder Ihre Definition von Schönheit im Automobildesign beeinflusst – man könnte ja denken, dass für Sie klassische Porsche »von der Stange« doch ein wenig an Reiz verloren haben?
Alexander Fabig Der größte Einfluss auf mich – nicht nur im Kontext Automobil – war, dass es meine grundsätzliche Offenheit, meine liberale Haltung ganz massiv gestärkt hat. Denn in gewissem Sinne baut man mit jedem Thema irgendwelche Vorbehalte ab. Durch die intensive Zusammenarbeit mit unseren Kunden erhält man zudem auch enorm viel Einblick in die jeweilige ganz persönliche Geschichte hinter einem Projekt – hinter all diesen vermeintlich ausgefallenen oder obskuren Wunschanfertigungen verbirgt sich etwas, da steckt oftmals ein sehr persönlicher Gedanke dahinter. Und wenn man jenen Gedanken kennt, dann macht alles auf einmal absolut Sinn – ob es einem gefällt, ist natürlich etwas ganz anderes. All das hat in mir also einfach eine sehr liberale Grundhaltung etabliert: Alles ist schön, es liegt im Auge des Betrachters und muss nicht allen gefallen. Auch ein Sonderwunsch Unikat muss ausschließlich jener Person gefallen, die es für sich selbst erdacht hat.
Chapter Aber nehmen Sie denn ein klassisches Serienmodell mehr wie ein Ausgangsprodukt wahr, vielleicht wie ein Bildhauer das Rohmaterial, das erst unvollendete Basis seiner Arbeit ist?
Alexander Fabig Ja, das ist natürlich schon ein wenig so, der »Film« startet durchaus bei mir. Natürlich nicht in dem Sinne, dass es jetzt eine Beleidigung für Geist und Seele wäre, wenn man in einem Serienauto sitzt, aber natürlich rattert es vor dem geistigen Auge sofort los, welche Möglichkeiten es gäbe: Nähte, Farben und Themenvielfalten… Und natürlich sprudeln die Ideen auch zu Beginn jedes neuen Projektes, wenn man in die Produktsubstanz blickt. Aus den individuellen Erfahrungswerten im Sonderwunsch Bereich schöpft man natürlich sehr viel Inspiration für stets neue Ideen und unterschiedlichste Möglichkeiten. [CS]