Roy Liechtenstein, Jenny Holzer, Jeff Koons – für die 1975 bei BMW entstandene Reihe »Art Cars« konnten stets die renommiertesten Künstler und Künstlerinnen ihrer Zeit gewonnen werden. Ein umfassender Bildband beleuchtet nicht nur die Entstehungsgeschichten der 19 bisher gestalteten Kunstwerke, sondern liefert auch spannende Hintergrundinformationen zur Verschränkung von Kunst und Maschine.
»Malen ist viel zu schwierig. Die Dinge, die ich zeigen möchte, sind mechanisch. Maschinen haben weniger Probleme. Ich wäre gerne eine Maschine, Sie nicht auch?«, lautet ein bekanntes Zitat von Andy Warhol. Obwohl die Aussage – wie für Warhol typisch – mit einem Augenzwinkern daherkommt, sagt sie doch viel über das Kunstverständnis des Pop-Art-Königs aus. So bewegte er sich mit seiner Arbeit stets an der Grenzlinie zwischen serieller Reproduktion und subjektivem Ausdruck. Das Serielle und das Individuelle begegnen sich auch in dem von ihm gestalteten BMW Art Car von 1979. Er bemalte die Oberfläche eines BMW M1 und konzentrierte sich dabei vor allem auf den Aspekt der Geschwindigkeit. »Ich habe versucht, Geschwindigkeit bildlich darzustellen. Wenn ein Auto wirklich schnell fährt, verschwimmen alle Linien und Farben«, so Warhol über sein Art Car. Schnelligkeit spielte auch bei der Gestaltung des Autos eine große Rolle: Nach nur einer halben Stunde hatte Warhol sein Werk vollendet – noch bevor sich die Filmcrew, die die Aktion dokumentieren sollte, in der Werkstatt eingefunden hatte.
Andy Warhol, BMW M1, Art Car von 1979
Andy Warhols Art Car ist jedoch nur ein Beispiel für die Verschmelzung von Kunst und Maschine, die sich beim deutschen Automobilhersteller in den sogenannten »BMW Art Cars« ausdrückt. Ins Leben gerufen wurde die Reihe vom französischen Auktionator, Kunstliebhaber und Hobby-Rennfahrer Hervé Poulain. Er träumte 1975 davon, das 24-Stunden-Rennen von Le Mans in einem von einem Künstler gestalteten Rennwagen zu fahren. Sein Wunsch ging in Erfüllung und Poulain tatsächlich in einem Supersportwagen mit künstlerischem Anspruch in Le Mans an den Start. Das Auto: ein vom US-amerikanischen Bildhauer Alexander Calder bemalter BMW 3.0 CSL.
Alexander Calder, BMW Art Car (Artist’s Proof), 1975 / 2021
Seither sind 18 weitere BMW Art Cars entstanden, deren Entstehungsgeschichten im Bildband »BMW Art Cars« versammelt wurden. Zu den Künstlern und Künstlerinnen, die seit 1975 Art Cars gestalteten, gehören unter anderem Roy Liechtenstein, Frank Stella, Robert Rauschenberg, Jenny Holzer, David Hockney und Jeff Koons. Die Künstler und Künstlerinnen haben bei der Umsetzung ihrer Ideen stets freie Hand. Nimmt das Auto an einem Rennen teil, dürfen Aerodynamik und Gewicht allerdings nicht beeinträchtigt werden. So unterschiedlich die Autos auch aussehen, ist ihnen eine Sache dennoch stets gemein: Das Design des jeweiligen Automobils hatte immer deutlich sichtbaren Einfluss auf die kreative Gestaltung der Oberfläche. »Was die Signifikanz dieser Reihe zukünftig ausmachen wird, ist auch die sich konstant verändernde Wahrnehmung des Zusammenspiels von Design und Kunst«, schreibt Thomas Girst, Leiter des internationalen Kulturengagements der BMW Group, in seinem einleitenden Essay zum Bildband.
Der amerikanische Künstler John Baldessari enthüllt seine Design Studie für das 19. BMW Design Car.
Den größten Bruch in der Art-Car-Reihe stellt für Thomas Girst Olafur Eliassons »Your Mobile Expectations: BMW H2R Project« aus dem Jahr 2007 dar. Der dänisch-isländische Künstler schuf sein Werk auf der Grundlage eines ihm überlassenen, rein mit Wasserstoff betriebenen Prototyps, des BMW H2R. Girst schreibt: »Der Künstler ersetzte die Außenhülle durch eine komplexe wie feingliedrige Haut aus zwei übereinanderliegenden, spiegelnden Metallschalen, die netzartig die Karosserie umhüllen und mit mehreren Eisschichten überzogen sind«. Daher konnte das von ihm gestaltete Art Car auch nur in einem Kühlraum bei etwas minus zehn Grad Celsius gezeigt werden. Über sein außergewöhnliches Projekt sagte Eliasson unter anderem: »Durch das Zusammenführen von Kunst, Design, sozialen und umweltspezifischen Aspekten hoffe ich, einen Beitrag dazu zu leisten, unser Denken, unser Fühlen und unsere Erfahrungen, die mit dem Auto verbunden sind, zu verändern und das Auto in Bezug zur Zeit und zum Raum, in der beziehungsweise in dem wir leben, zu setzen«. Zu seinem Projekt gehört auch ein Buch, das denselben Titel trägt wie das Art Car, und das als integrativer Bestandteil des Kunstprojekts zu verstehen ist.
Nachdem 1975 das erste BMW Art Car in Le Mans präsentiert worden war, hoffte Hervé Poulain nicht nur, dass weitere Modelle folgen würden, er glaubte fest daran. »Schließlich hatte das Projekt einen einzigartigen kommunikativen Wert«, bringt es der Rennfahrer und Kunstliebhaber auf den Punkt. Auf Thomas Girsts Frage, welches Art Car ihm das liebste ein, antwortet er: »Und wenn ich Sie nun frage, welches Ihrer Kinder Ihnen das liebste ist? Die vier Art Cars, die ich fahren durfte, sind meine legitimen Töchter und jedes hatte seinen eigenen Charme und seine eigene Rennhistorie«. Wer sich selbst – wenn auch nur auf Papier – ein Bild machen möchte, dem sei der Band »BMW Art Cars« ans Herz gelegt.
BMW Art Cars, Thomas Girst (Hg.), 2018. Erschienen im Hatje Cantz Verlag.