Ritt auf der Kanonenkugel

Vom »What if«-Szenario zum spannendsten Hypercar der Gegenwart

Photo Credits: Bugatti

Im Bugatti Bolide manifestiert sich, so Chefdesigner Achim Anscheidt, die Superlative des technisch Denkbaren. Dass sich diese Hinwendung zum Extremen auch im Design des Concept Cars widerspiegelt, beweisen nicht nur seine x-förmigen Scheinwerfer. Der 27-jährige Exterior Designer Nils Sajonz war maßgeblich an der Entwicklung des Hypercars beteiligt und hat gemeinsam mit Achim Anscheidt einige Fragen zum Bolide beantwortet.

Chapter Herr Anscheidt, der mediale Aufruhr rund um den Bugatti Bolide ist nach wie vor groß. War das abzusehen? Haben Sie damit gerechnet?

Achim Anscheidt Es mag sich trocken anhören, aber ja, aus unserer Sicht war das komplett vorhersehbar. Denn wir wussten schon länger um dieses irrwitzige Potenzial des versteckten, unglaublichen Leistungsgewichts von 0,67 für den Bugatti Bolide. Wenn man ein Aggregat wie den Bugatti W16 Antrieb ohne Limitierung freien Lauf lässt, kann das nur den sprichwörtlichen Ritt auf der Kanonenkugel bedeuten. Es verging kein einziger Tag an diesem Projekt, an dem wir nicht überglücklich waren, dass uns unser Topmanagement aktiv couragiert hat, dieses »What if«-Szenario auszuarbeiten.

 

 Nils Sajonz ist Head of Special Projects im Bugatti Design Team und lässt sich im Designprozess stark von der Geschichte und der Formgebung berühmter Rennwagen wie dem Bugatti Type 35 oder dem Type 57SC Atlantic inspirieren.

 

Chapter Herr Sajonz, Sie sind Head of Special Projects im Bugatti Designteam. Könnten Sie Ihren Arbeits- und Aufgabenbereich ein wenig genauer für uns abstecken?

Nils Sajonz In meiner Position als Head of Special Projects innerhalb des Design Departments bin ich in meiner Rolle als Exterior Designer zuständig für die Entwicklung von Kleinserien, Einzelstücken und kreativen Konzepten vom ersten Design bis zur Serie.

Chapter Jüngeren Designern und Designerinnen wird oft vorgeworfen, sie wüssten nicht mehr mit Stift und Papier umzugehen. Wie ist das bei Ihnen? Spielen solche analogen Hilfsmittel noch eine Rolle?

Nils Sajonz Natürlich ist der direkteste Weg, eine Idee zu visualisieren, mit einem Stift auf einem Blatt Papier. Eine analoge Zeichnung ist im Prinzip der Beginn eines jeden Designprojektes. Jeder, der eine Passion fürs Entwerfen hat, zeichnet gern, – ob das am Ende analog oder digital erfolgt, ist aufgrund der digitalen Möglichkeiten innerhalb des Designprozesses mittlerweile nicht mehr entscheidend.

 

 

Chapter Sie haben ja auch einen technischen Hintergrund. Inwiefern beeinflusst das Ihre Designs?

Nils Sajonz Jedes Design muss auch technisch funktionieren, insbesondere bei Fahrzeugen, die sich wie bei uns in Geschwindigkeitsbereichen jenseits der 400 km/h bewegen. Der Bugatti Designethos »Form follows Performance« ist damit auch ausschlaggebend für unseren Kreativprozess. Auch technische Lösungen aus anderen Bereichen wie der Luftfahrt sind Inspiration bei der Findung von Form und gestalterischen Ansätzen.

Chapter Inwiefern war das bei einer technisch hochkomplexen Studie wie dem Bugatti Bolide auch von Vorteil?

Nils Sajonz Der Bolide funktioniert technisch ganz anders als beispielsweise der Chiron – auch vor dem Hintergrund, dass die Studie ausschließlich für den Einsatz auf der Rennstrecke gemacht wurde. Ein technisches Verständnis für das Layout und die Funktionsweise des Fahrzeugs ist dabei unentbehrlich für die Gestaltung dieses außergewöhnlichen technologischen Konzepts.

Chapter Was hat es eigentlich mit den Scheinwerfern in X-Form auf sich?

Nils Sajonz Viele der Designmerkmale des Bolide sind sowohl zentrale Stilelemente als auch zweckmäßig. Das Erscheinungsbild des Bugatti Bolide zitiert die sogenannten X-Flugzeuge der Luftfahrtgeschichte und zeigt aus jeder Perspektive eine deutliche X-Signatur. Dies erinnert auch an Bugattis Rennsporterbe, bei der die X-Signatur an der Front des Bolide die Scheinwerfer historischer Rennwagen zitiert, die x-förmig abgeklebt waren, um so Glasscherben auf der Strecke im Falle eines Unfalls zu verhindern. Diese Themen sind konsequent umgesetzt und tragen zur Gesamtdynamik und Performance des Bolide bei.

 

 

Chapter Einerseits haben Sie bei Bugatti sehr viel gestalterischen Freiraum, auf der anderen Seite sehen Sie die Fahrzeuge so gut wie nie im Straßenbild. Fehlt Ihnen da etwas?

Nils Sajonz Wir sehen in unserem täglichen Tun alle Modelle im Designstudio und die Fahrzeuge sind im Arbeitsalltag allgegenwärtig. Aber natürlich ist es etwas Besonderes, wenn man das Ergebnis unserer Arbeit dann im Atelier unserer Produktionsstätte am Stammsitz der Marke in Molsheim, fertig gebaut oder tatsächlich auf der Straße fahren sieht, auch wenn dies nur mehr als selten der Fall ist.

Chapter Inwieweit bereichert es Ihre Arbeit, auch auf die reiche Vergangenheit der Marke referenzieren zu können?

Nils Sajonz Schon als kleiner Junge prägten Design und die Schönheit der Dinge mein Leben. Das kulturelle Erbe der Marke Bugatti ist allgegenwärtig und ich lasse mich stark von der Geschichte und der Formgebung berühmter Rennwagen wie dem Bugatti Type 35 oder dem Type 57SC Atlantic inspirieren. Sie können im Design aller unserer Autos Referenzen an Bugattis Rennsport-DNA finden, natürlich auch im Bolide. Es ist wichtig, dass auch künftige Projekte der Designidentität der Marke treu bleiben, da sie für immer zeit- und konkurrenzlos sein müssen.

Chapter Was ist für Sie der schönste Moment im Designprozess?

Nils Sajonz Es gibt zwei Momente, die mich als Automobildesigner im Kreativprozess prägen. Der erste ist, wenn man intuitiv weiß, dass man das Richtige gezeichnet hat, insbesondere wenn man davor vielleicht schon Hunderte an Skizzen verworfen hatte. Und der zweite Moment ist natürlich der, wenn man ein Showcar entworfen hat und es nach Monaten, manchmal nach Jahren an Arbeit der Weltöffentlichkeit präsentiert wird.

 

 

Chapter Wenn Ihnen vor zehn Jahren jemand gesagt hätte, dass Sie einmal an einem Auto wie dem Bugatti Bolide arbeiten, was hätten Sie geantwortet?

Nils Sajonz Automobildesigner zu sein ist für mich ein absoluter Traumberuf. Ein Bugatti ist ein Objekt für die Ewigkeit und daran mitzugestalten, ist etwas, was ich mir nie zu träumen gewagt hätte. Der Aspekt, dass ein Bugatti Kunde nicht nur ein Automobil von uns bekommt, sondern dass das Auto Teil seiner Familie wird, das von Generation zu Generation weitergegeben wird, ist ein schönes Gefühl.

Chapter Zum Abschluss noch eine Frage an Herrn Anscheidt. Sie haben einmal über den Bugatti Bolide gesagt, dass Sie bisher noch an keinem extremeren Konzept gearbeitet haben. Was macht das Auto so extrem?

Achim Anscheidt Alles am Projekt Bolide ist so anders, so viel extremer: Aerodynamik, Thermodynamik, Abtrieb, Kühlung, Querbeschleunigung, Gewichtsbalance, Sitzposition und nicht zuletzt die Attitüde, absolut keine Kompromisse einzugehen. Mein Team flehte die Möglichkeit förmlich herbei, endlich einmal zu zeigen, was die Historie der Marke Bugatti verheißt: Performance auf höchstem Niveau aufzuzeigen und die Superlative des technisch Denkbaren zu manifestieren. [Red.]

 

Achim Anscheidt und sein Team rechneten bereits damit, dass der Bugatti Bolide für viel Aufruhr sorgen würde.