Ralph Gibson zählt zu den markantesten Stimmen der amerikanischen Fotografie des 20. und 21. Jahrhunderts. Die jüngste Monografie Ralph Gibson. Photographs 1960 – 2024 – erschienen bei Taschen – versammelt auf über 500 Seiten eine sorgfältig kuratierte Auswahl seines fotografischen Werks, das sich über mehr als sechs Jahrzehnte erstreckt.
»Während dieser Jahre hat sich sicherlich mein Gefühl für Kontraste ebenso wie die Idee einer starken Kamerapräsenz entwickelt«, nähert sich Ralph Gibson seiner eigenen Arbeit in einem am 16. Januar 1999 verfassten Statement zu seiner Serie San Francisco – und nimmt dabei insbesondere Bezug auf den Einfluss und die Arbeit seines Vaters, der als Regieassistent bei Hitchcock tätig war und den er häufig bei Dreharbeiten besuchte. Ein erster Schritt in Richtung der visuellen Entdeckungen, die er bereits als junger Fotograf machen sollte.
Schon früh zeichnet sich Gibsons Werk durch ein intuitives Wechselspiel zwischen Realität und Poetik aus – Banales wird dabei zum ästhetischen Ereignis stilisiert. Es handelt sich nicht um bloße Momentaufnahmen, sondern um sehr persönliche, visuell verdichtete Eindrücke.
In diesem Sinn gliedert sich auch das Buch in Serien, denn hinter jeder steckt für Gibson eine Philosophie. Ein Ansatz, zu dem ihn Dorothea Lange führte, bei der er ab 1960 als Assistent tätig war. Lange gilt als Begründerin der Dokumentarfotografie, und Gibson beschreibt sie als eine Person weniger Worte, aber umso größerer Beobachtungsgabe – beispielsweise wenn sie Gibsons Arbeiten mit den Worten kritisiert: »Das Problem ist, dass du keinen Ausgangspunkt hast.« Erst als er an der Serie The Somnambulist arbeitete, habe er schließlich die Weisheit ihrer Mahnung erkannt.
»Seitdem habe ich immer von einem Ausgangspunkt aus gearbeitet. Jede Fotografie hängt mit einem Thema, das zur Diskussion steht, mit seiner Serie, einem Buch zusammen«, sagt er und erklärt seinen Zugang mit den Worten: „So bleiben unendlich viele Möglichkeiten, aber das Chaos lässt nach.«
Ungeachtet der Motive – seine Bilder sind geprägt von Ausschnitten, Fragmenten und Zwischenräumen. Ob er sich mit architektonischen Details, typografischen Fragmenten oder der weiblichen Silhouette auseinandersetzt – das Zusammenspiel von Licht, Form und Andeutung verleiht seinen Bildern eine formale Klarheit. Auch seine späteren Serien in Farbe bleiben dieser Haltung treu. Ob es sich um Fassaden, Spiegelungen, urbane Strukturen oder surreal anmutende Detailstudien handelt – Gibson bedient sich des Visuellen als Ausdruck jenseits des Benennbaren.
Ralph Gibson. Photographs 1960–2024 ist mehr als eine Retrospektive oder ein Streifzug durch das Werk eines Fotografen. Gibsons introspektive Bildsprache – reduziert, grafisch, poetisch – nimmt uns mit an die Orte und in die Situationen, die ihm im Laufe seines Lebens begegnet sind – oder er ihnen. Und wem das nicht reicht, kann dem Fotografen persönlich begegnen, wenn er sein Buch am Samstag, 28. Juni, um 12 Uhr im Kölner TASCHEN Store (Neumarkt 3, 50667 Köln) signiert. Um Anmeldung wird gebeten – RSVP.
Ralph Gibson. Photographs 1960–2024
Hardcover, 21 x 27.5 cm, 2.65 kg, 552 Seiten
taschen.com