Flughafen Tegel

Ein Bildband von Felix Brüggemann und Robert Rieger

Fotografie Felix Brüggemann und Robert Rieger

Die pandemiebedingte Ruhe auf dem – im vergangenen Frühjahr ja eigentlich noch auf Vollbetrieb laufenden – Flughafen Berlin-Tegel »Otto Lilienthal« hat sich für die Fotografen Felix Brüggemann und Robert Rieger als eine besondere Chance erwiesen. In ihrem nun bei Pool-Publishing erschienenen Bildband Flughafen Tegel haben sie der Architektur und den sonst im Boarding-Stress oft übersehenen Details des TXL-Aiports besondere Aufmerksamkeit geschenkt und damit den per 8. November 2020 endgültig geschlossenen Flughafen noch einmal gewürdigt.

 

 

Der Ende der Sechzigerjahre von Meinhard von Gerkan und Volkwin Marg entworfene Flughafen war vor allem für seinen sechseckigen Flugsteigring bekannt und steht wegen seiner architektonischen aber auch sozialgeschichtlichen Relevanz seit 2019 unter Denkmalschutz. Mit dem 88-seitigen Bildband, welcher durch ein Essay von der Autorin Sophie Lovell abgerundet wird, erscheint nun eine fotografische Hommage an den legendären Verkehrsflughafen am Rande der deutschen Hauptstadt. Wir haben uns mit den beiden Fotografen Felix Brüggemann und Robert Rieger über das Projekt unterhalten. [Red.]

 

 

Chapter Euer Bildband Flughafen Tegel lenkt die Aufmerksamkeit der Menschen bewusst weg von auffälligen Anzeigetafeln und Lautsprecherdurchsagen hin zur Architektur und den etwas versteckteren Ecken des Flughafens. Was inspirierte euch zu dieser Bildreihe?

Felix Brüggemann und Robert Rieger Die Fotos entstanden im Frühjahr 2020 am Anfang der Pandemie. Die Stadt war plötzlich menschenleer und wir sind aus Neugierde mit dem Fahrrad zum Flughafen gefahren: Der Flughafen war zwar geöffnet, aber es reiste niemand. Er lag da wie ein gestrandetes Raumschiff und wir verbrachten Stunden damit, dort herum zu streunen und alles genau anzuschauen. Wir waren natürlich durch unsere vielen Reisen sehr vertraut mit dem Gebäude und – wie jeder, der in Berlin lebt – verband uns eine gewisse Hassliebe mit TXL. Aber durch die plötzliche Leere, ohne Reisestress und Zeitdruck ergab sich ein anderer Blick fast von allein: die Architektur, die Patina, die Provisorien traten hervor.

 

 

Chapter Welches Gefühl löste es in euch aus den Flughafen so menschenleer zu sehen? Besonders im Hinblick auf die zum Zeitpunkt der Entstehung der Fotos bevorstehende Schließung?

Felix Brüggemann und Robert Rieger Wir waren wie elektrisiert, es gab so viel zu entdecken! Als Fotografen leben wir ja dafür, neue Blickwinkel auf scheinbar Vertrautes zu finden. Wir liefen damals stundenlang durch die Terminals und drückten jede Türklinke. Erstaunlich, was alles offen war. Gleichzeitig fragten wir uns ständig, ob nicht gleich jemand käme, um uns rauszuwerfen. War das eigentlich erlaubt, was wir da taten? Tatsächlich kam in all den Tagen aber nur einmal jemand von der Sicherheit und hat uns verscheucht. Jedenfalls war uns schnell klar, was für eine fantastische Gelegenheit das war: durch die Dornröschenschlaf-Situation, Monate vor der eigentlichen Schließung konnten wir alles in Ruhe festhalten, was bald für immer verschwinden würde. Das Gebäude bleibt ja, aber ist jetzt für die Öffentlichkeit geschlossen, die Interiors werden zur Zeit versteigert.

Chapter Unbesetzte Check-In Schalter, Wegweiser, die von niemandem mehr gelesen werden, geschlossene Geschäfte – einige der Fotografien bergen eine gewisse Melancholie in sich. Kann man daraus auch etwas über euren persönlichen Zugang zur Fotografie ablesen?

Felix Brüggemann und Robert Rieger Unbedingt! Fotografie kann ja nur Dinge zeigen, die bereits vergangen sind. So gesehen ist die Melancholie, die Sehnsucht nach Vergangenem schon fest ins Medium eingebaut – und vermutlich sind alle Fotografen mehr oder weniger Melancholiker.

 

 

Chapter Spannend ist auch, dass der Bildband einige alte Fotografien von Siegfried Brüggemann, Felix Brüggemanns Großvater, enthält. Wieso war euch diese generationsübergreifende Sichtweise auf den Flughafen Tegel wichtig?

Felix Brüggemann und Robert Rieger Siegfried Brüggemann war Lehrer von Beruf – und ein begeisterter Hobby-Fotograf. Wir haben die drei Fotos in seinem Nachlass entdeckt, sie müssen kurz nach der Eröffnung entstanden sein. Wir mögen den Kontrast zu unseren Fotos: man sieht geradezu die Freude, fast den Stolz des Berliner Studienrats über den neuen, modernen Flughafen in seiner Stadt. Diese Bilder zeigen die Zuversicht am Beginn des von Sophie Lovell erwähnten Jet Age: sie zelebrieren die Freude am Flugzeug – und am Automobil. Unsere Fotos sind dagegen ein Abgesang auf diese Zeit.

 

 

Chapter Für den Bildband hat Sophie Lovell den Essay »TXL The Drive-In Airport« geschrieben, in dem sie ein Ende des Jet Age wie wir es kennen prophezeit. Wie seht ihr die Zukunft des Reisens, auch im Hinblick auf eure Praxis als Fotografen?

Felix Brüggemann und Robert Rieger Wahrscheinlich werden viel mehr lokale Fotografen eingesetzt. Es gibt in fast jeder großen Stadt gute Fotografen, die für Auftragsgebende schnell über die sozialen Medien und Website ausfindig gemacht werden können.
Die Sicht aufs Fliegen hat sich in den letzten Jahren ja komplett gewandelt. Der Architekt von Gerkan erwähnte mal in einem Interview, dass es 1974 zur Zeit der Eröffnung von TXL noch nicht einmal Sicherheitskontrollen gab. Heutzutage durch die strikten Sicherheits- und Hygiene-Maßnahmen, die beengten Billigflieger, die teils absurden Regeln und Regularien, denen man sich jedes Mal unterwerfen muss, ist Fliegen ja eine Qual: man versucht es so selten wie möglich zu machen. Wir fahren jetzt lieber Bahn – und träumen von eleganten Schlafwagen in europäischen Speed-Trains, so, dass man abends in Berlin einsteigt und dann morgens ausgeschlafen in Paris oder Rom ankommt.

 

 

Flughafen Tegel von Felix Brüggemann und Robert Rieger ist bei Pool Publishing erschienen und direkt über die Verlagsseite erhältlich.

 

 

 

 

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