Zwischen Karosserie und Asphalt passt gerade so eine geballte Faust. Das stromlinienförmige Chassis schwebt nur zehn Zentimeter über dem Boden und ist eine Kampfansage an den Luftwiderstand. Wie die gesamte Industrie steht auch die US-amerikanische Automarke Chrysler vor einem tiefgreifenden Wandel. Bis 2028 soll ihr gesamtes Fahrzeugportfolio elektrifiziert werden. Kompromisslose Aerodynamik und induktive Ladetechnologie spielen dabei eine entscheidende Rolle, denn auf dem Weg in die CO2-Neutralität hat Chrysler ein weiteres klares Ziel für die Autos der Zukunft: endlose Reichweite.
»The Chrysler Halcyon Concept brings to life a fully electric tomorrow through new technology suites from Stellantis, that integrate simple and pure aerodynamic design and a seamless, connected and immersive cockpit experience«, sagt Chrysler-CEO Chris Feuell. Die Automarke spricht bei ihrem Fahrzeugdesign von »Harmony in Motion« und bei der Materialwahl von einer Harmonie mit dem Planeten. Im Innenraum sollen 95 Prozent der Materialien nachhaltig sein. Damit meint Chrysler synthetische Lederalternativen, kombiniert mit Naturelementen wie Echtholz sowie hohen Recyclinganteilen. Das markentypische Flügellogo auf dem Lenkrad, den Einstiegsleisten und den Vordersitzen besteht zu 100 Prozent aus recycelten CDs. Damit integriert die Marke nicht nur Nachhaltigkeit, sondern auch ein Stück US-amerikanische Geschichte in sein Konzeptfahrzeug.
Die recycelten CDs stehen für die Musikkultur und das Erbe der Stadt Detroit. Lange war die Großstadt im Bundesstaat Michigan der wichtigste Produktionsstandort für Autos aus den USA. Gleichzeitig entstand im industriellen Umfeld der Fabriken ein musikalisches Kulturzentrum. Zum Beispiel wurde hier das weltbekannte Plattenlabel Motown gegründet. Der Musikproduzent Berry Gordy Jr. verhalf hier schwarzen Künstler:innen zu so großem Erfolg, dass dabei zum ersten Mal die bis dahin dominierenden weißen Musiker:innen in den Schatten gestellt werden konnten. Ähnlich erfolgreich sollen, wenn es nach den Wünschen von Chrysler geht, in Zukunft auch die Elektroautos der Marke werden und mit ihrer Reichweite alle Verbrenner in den Schatten stellen. Stromlinienförmiges Karosseriedesign ist dafür essenziell.
Viel tiefer kann ein Frontscheinwerfer nicht sitzen. Eine dünne und durchgängige LED zeichnet eine klare Kante auf die Front des Chrysler Halcyon Concept. Zentriert darüber ist ein beleuchtetes Markenlogo eingelassen. Die Windschutzscheibe des Konzeptfahrzeugs erstreckt sich bis zu den Rändern der Frontpartie. Türgriffe gibt es keine. Die Türen und transparenten Dachteile mit Schmetterlingsscharnieren sollen sich über eine biometrische Identifizierung der Besitzer:innen selbstständig öffnen. Statt Seitenspiegeln gibt es klingenartige Kameraarme. Auch bei den 22-Zoll-Felgen im Turbinendesign steht aerodynamische Effizienz an erster Stelle. Allerdings wissen wir aus Erfahrung, dass große Felgen für die Reichweite kontraproduktiv sind. Denn: je größer die Felge, desto höher ist der Rollwiderstand und damit der Stromverbrauch. Doch als prognostizierte Reichweite gibt Chrysler selbstbewusst »unlimited« an.
Doch für eine unbegrenzte Reichweite braucht die Automarke aus den USA natürlich mehr als radikale Aerodynamik. Chrysler spricht deshalb von einer Technologie, die sich Dynamic Wireless Power Transfer (DWPT) nennt. Über induktive Ladeplatten funktioniert das teilweise heute schon, wenn dafür ausgerüstete Elektroautos darauf parken. Um den Akku während der Fahrt zu laden, müsste diese Technologie aber natürlich unter der Straße verlegt werden. Der Autokonzern Stellantis, zu dem die Marke Chrysler mittlerweile gehört, experimentiert aktuell zwar bereits mit der DWPT-Technologie auf einer Rennstrecke in Italien – aber bis öffentliche Straßen tatsächlich mit jener Technologie ausgestattet werden können, wird es noch Jahrzehnte dauern. Auch an dieser Tatsache merkt man, dass Chrysler mit seinem Konzeptfahrzeug keine Vision von morgen, sondern von übermorgen skizziert. [FJS]