Statussymbol, Sinnbild für Freiheit, Spiegelbild des aktuellen Zeitgeistes und zuweilen auch Designikone – das Automobil ist bekanntermaßen mehr als nur simples Beförderungsmittel. Durchaus naheliegend also, dass sich zahlreiche Kunstschaffende – in der Vergangenheit und in der Gegenwart – mit diesem ökonomisch, sozial und kulturell prägenden Objekt beschäftigen. Einige interessante künstlerische Auseinandersetzungen mit dem Thema stellt Chapter in der Serie »Mobilität in der Kunst« vor.
Es gibt wenige zeitgenössische Künstler, die ihre Begeisterung für das Automobil in ihrem Schaffen so umfangreich ausleben wie der US-Amerikaner Daniel Arsham. Unter den zahlreichen Arbeiten, bei denen sich Arsham dem Automobil widmet, findet sich auch das ganz persönliche Herzensprojekt des Künstlers, der Porsche 930A, bei dem die Karosserie quasi zur Leinwand wurde. Nach mehr als zweijähriger Arbeit wurde das Traumauto, ein von Grund auf restaurierter Porsche 911 Turbo, Baujahr 1986, im vergangenen Jahr als Gesamtkunstwerk fertiggestellt.
Inspiriert von der Rennsportgeschichte, mit der er sich intensiv auseinandergesetzt hat, zelebriert Arsham mit den Logos verschiedener Marken die typische Ästhetik von Rennsportwägen. Neben dem Dior und dem Apple Logo finden sich aber beispielsweise auch Galerie-Darstellungen und die Bildnisse einiger ehemaliger Mitarbeiter auf der Karosserie wieder, womit Arsham auch seine ganz persönliche Note einfließen ließ. In einem Interview gesteht der Künstler ganz offen: »Ich besitze nicht viele der Fähigkeiten, die erforderlich sind, um diese Änderungen durchzuführen.« Also setzt er auf die enge Zusammenarbeit mit verschiedenen Experten und Expertinnen – sämtliche Embleme wurden von Künstler David Gwyther handgemalt, Felgen wurden eigens dafür angefertigt sowie ein neuer Motor eingebaut.
Im Sinne eines Gesamtkunstwerks ist dieser Arsham-Porsche auch im Inneren bis aufs kleinste Detail kunstvoll gestaltet worden. Insbesondere bei der Haptik war es dem Künstler wichtig, dass man sich weiterhin wie in einem 911 Turbo fühlt. Farblich dezent herrschen Grau und Marineblau vor, als Materialien wählte Arsham Leder und Segeltuch, die dem Porsche bei aller Sportlichkeit auch einen Hauch von Luxuslimousine verleihen.
Der 930A ist dabei nicht der erste Porsche, mit dem sich der Künstler auseinandersetzt. 2019 gestaltete er ebenfalls einen Porsche 911, allerdings die aktuelle Generation, den 992 zum Art-Car um, indem er ihn mit massiven Kristallbrocken verzierte. Als Autoliebhaber achtete Arsham darauf, dass auch dieses Kunstwerk trotz seiner künstlerischen Umgestaltung fahrbar blieb.
Das Oeuvre Arshams spiegelt allerdings nicht nur seine Liebe zu Porsche, sondern zum Automobil im Allgemeinen wider. In zahlreichen Skulpturen hat sich der Künstler mit ganz besonderen Kultautos und ihrem speziellen Platz in der Popkultur auseinandergesetzt – denn, der Maschine scheint hier immer ein eigener Charakter verliehen zu werden.
Im Sommer zeigte die Galerie Library Street Collective in Detroit – es könnte wohl kaum eine passendere Stadt geben – in der Ausstellung »Turning Wrenches« zahlreiche von Arshams Werken. Bei der Auseinandersetzung mit den Exponaten wird klar, Arshams zweite Leidenschaft gilt dem Kino. Unter den Skulpturen befindet sich ein Miniatur-Mustang, ein Replikat des Wagens den Steve McQueen im Film »Bullit« fuhr und eine Bronzeversion des DMC DeLorean, der bei »Zurück in die Zukunft« als Zeitmaschine fungierte.
Das faszinierende an Arshams Art-Cars ist, dass sie oftmals, trotz ihrer detailgetreuen Nachbildung, enorm entfremdet wirken. Dafür sorgen bestimmte Details, die die technische Anmutung des Autos minimieren. Im Falle der Skulpturen sind es oftmals Materialien wie Bronze oder die matte Farbgebung, die den Wagen ihre ganz spezielle Anmut geben. Ein schneeweißer Ferrari weckt im ersten Moment eher die Erinnerung an eine filigrane Porzellanfigur als an den Geruch von Benzin und Abgasen, ein erodierter aschgrauer Mustang mutet wie ein vergessenes Artefakt an.
Arshams erodierte Karosserien sind es auch, die eine ganz besondere, eigene Spezies in seinem Werk darstellen. Sie sind eine Hommage an die Schönheit der Vergänglichkeit. Während AutoliebhaberInnen normalerweise als oberstes Ziel den Erhalt ihres Traumgefährts haben, zeigt Arsham, dass auch der Verfall – zumindest in abstrahierter Form – seinen eigenen ästhetischen Reiz haben kann. Er entfernt dabei großflächig Teile der Karosserie und überzieht die Wagen mit Kristall, wobei bizarr anmutende Kraterlandschaften entstehen. Und dennoch, seine ganz persönliche Liebe zum Automobil lässt sich vermutlich ganz deutlich daran ablesen, dass die in seinen Arbeiten zu Objekten werdenden Autos – trotz aller Experimentierfreude – nie entstellt wirken und in ihren Proportionen, ihrer Anmut und Schönheit überraschend perfekt erhalten bleiben. [AD]