Terence Conran

»Design is used to improve the quality of people’s lives.« Das Leben und Schaffen des Terence Conran

Text MAX MIGOWSKI

Anlässlich seiner aktuellen Kooperation mit dem Andaz × RED Charity-Projekt, werfen wir einen Blick zurück auf die prägendsten Arbeiten und Lebensabschnitte der englischen Design-Koryphäe.

 

Seit nun mehr als 60 Jahren seiner Berufung treu, ist Sir Terence Orby Conran ein wahrer Meister seines Handwerks. Nahezu alle Ebenen, die es im Kosmos eines Designers potenziell zu bespielen gibt, hat er mitgeprägt und viel beachtete Erfolge gefeiert. Zwar ist der 87-jährige Brite inzwischen nicht mehr ganz so sicher auf den Beinen, doch ist er nach wie vor ein absoluter Perfektionist, ein Profi der sympathisch-charismatischen Selbstvermarktung. Bescheiden erzählt er von seiner allerersten Ankunft in der damals noch wenig edlen Herberge, die heute als luxuriöses Andaz Hotel in Londons Liverpool Street brilliert. »I went to book a room, and the girl behind the reception desk asked me ›How many hours do you want?‹«, reminisziert er zu lautem Gelächter der anwesenden Gäste.

Terence Conran (Mitte) zwischen MitarbeiterInnen im Schaufenster des neu eröffneten Habitat Store in London, 1964. Eine besondere Neuerung war das Angebot von ›Ready-to-assemble furniture‹ (Mitnahmemöbel), die flachverpackt im Karton vom Kunden nach Hause transportiert und selbst aufgebaut werden konnten.

Ganz genau weiß er sich auch bei unserem Fotoshoot zu inszenieren, welchen Blick er der Kamera zuwerfen muss, mit welcher Hand er die Zigarre seines Vertrauens — eine Hoyo de Monterrey Epicure No. 2 — in welchem Winkel zu halten hat. Es sind genau diese kleinen aber raffinierten Manierismen, die daran erinnern, mit wem man es hier zu tun hat, wer einem da eigentlich gegenübersitzt und warum dieser ältere Herr noch immer schwer im Geschäft ist. Mit seinen den Markt revolutionierenden Entwürfen, seinem distinktiven, detaildevotem und dabei dennoch flächendeckend-begeisternden Stil sowie seinem sozio-ökonomischen Feingefühl gilt der Engländer als einer der einflussreichsten Design-Schöpfer unserer Zeit. Geboren am 4. Oktober 1931, im Londoner Stadtbezirk Kingston Upon Thames, würde Conran in den nächsten Jahren seine vom zweiten Weltkrieg gezeichnete Heimat langfristig durch seinen Ehrgeiz, seine Neugier und die aus beidem resultierende Kreativität optisch sowie wirtschaftlich bereichern.

Zu seinen Anfängen studiert der junge Conran Textildesign an der Central School of Art and Design, die heute zum Central Saint Martins College of Art and Design — eine der prestigeträchtigsten Kunsthochschulen der Welt — gehört und legt hier das Fundament für seine späteren, an einer Hand gar nicht abzählbaren Errungenschaften. Zunächst teilt er sich mit einem damaligen Professor ein Loft, in dem er an seinen Fertigkeiten der Möbelrestauration arbeitet, bis er das Studium abbricht um ein Jobangebot seitens eines erfolgreichen Architekturbüros wahrnehmen zu können. Mitunter sind es die Erfahrungen, die er dort und durch seine selbstständigen Tätigkeiten sammelt, die ihn dazu antreiben mit gerade einmal Anfang 20 sein Atelier zum Entwerfen und Vertrieb eigenkreierter Wohnaccessoires, Stoffe und Keramikobjekte im Londoner East End zu eröffnen. Eine weitere Business-Epiphanie folgt nach einem Aufenthalt in Frankreich, der ihn dazu inspiriert eine Prise gallischer Lebensfreude in Form eines 1953 ins Leben gerufenen Restaurants an seine noch immer vom Krieg traumatisierten britischen Landsleute weiterzureichen. The Soup Kitchen überzeugt damals nicht bloß mit kulinarischen, sondern auch mit ästhetischen Mitteln und beflügelt den jungen Visionär ein weiteres, ebenfalls dem Pariser Savoir-Faire nachempfundenes Concept-Restaurant auf zumachen, was schlussendlich die 1956er Geburt seiner Conran Design Group zur Folge hat.

In der Fabrik in Thetford wurden seit Beginn der 1960er-Jahre die revolutionären Designs her gestellt.

Es bricht ein neues Zeitalter für Conran an. Neben seiner Möbelmanufaktur — die seine, inzwischen zum Kult  geschlagene Summa Kollektion auf den Markt bringt — und den Restaurants kann der junge Designer nun auch noch eine Vielzahl an Einrichtungsaufträgen für Boutiquen aller Art zu seiner schon jetzt vollbepackten Vita schreiben. Darunter das Interieur der Debütfiliale Mary Quants — einer britischen, ebenfalls als Legende geltenden Modedesignerin, deren Nachhall bis in die Gegenwart in Form des von ihr erfundenen Minirocks spürbar ist.

Jene Erfolge räumen dann im Jahre 1964 end gültig den Weg frei für eines von vielen Flaggschiffen entlang des Werdegangs des rastlosen Künstlers, nämlich für die Etablierung des später international vertretenen Wohn- und Haushaltsfachhandels namens Habitat. Getrieben durch seine persönliche Affinität für praktisches, ästhetisch hochwertiges und dennoch erschwingliches Design, entwickelt sich Habitat in Windeseile zu einem Verkaufshit, insbesondere unter jungen Londonern, die Wert auf optischen Gefallen, gleichzeitig aber auf preisliche Zugänglichkeit legen. Nahezu universell priorisierte Kriterien, wenn man bedenkt, dass es sich hier um eine Nachkriegsgeneration an Käufern handelt, deren Konsum einerseits von notstandsbedingter Sparsamkeit, andererseits von Sehnsucht nach dem Schönen, dem Besseren, dem Komfort geprägt war.

Aber auch das moderne und jugendlichem Zeitgeist gerechte Marketing durch aufwändigst visuell konzeptualisierte Kataloge — deren Models von oben erwähnter Mary Quant in Zusammenarbeit mit dem weltberühmten Friseur Vidal Sassoon gestylt wurden — trafen einen Nerv bei der anderweitig gelang weilten Kundschaft. Weitere Mitglieder der von der gemeinen Bevölkerung idolisierten Londoner Upper-Echelon wie Twiggy, Jean Shrimpton oder Peter Sellers waren ebenfalls große Fans der zum Teil Bauhaus-anmutenden, minimalistischen Handschrift des Designers, was sich sicherlich positiv auf Verkaufszahlen auswirkte. Profitabel erwies sich das Geschäftsmodell für beide Enden aber eben auch dadurch, dass Kunden die Möbel auswählten und Post-Kauf zuhause selbst zusammen bauen mussten. Das verringerte Produktionskosten seitens des Unternehmens und entlastete folglich auch den Geldbeutel des Käufers.

In der Fabrik in Thetford wurden seit Beginn der Sechzigerjahre die revolutionären Designs her gestellt.

Witzigerweise führte Conran selbst den Erfolg Habitats mitunter auf den zeitgleichen Verkaufserfolg getrockneter Getreideprodukte wie Nudeln zurück, für welche das Geschäft wohl besonders geeignete und hübsche Behälter im Sortiment hatte. Sowohl Katalog, als auch die »Do It Yourself«-Herangehensweise von Conran sind Konzepte, die wir allen voran auch vom schwedischen Möbelgiganten IKEA kennen, deren Muttergruppe die bis dahin mit weiteren Subunternehmen fusionierte Habitat-Marke einige Jahrzehnte später aufkaufte. Aber auch lange nach Anfangsboom, weniger fruchtbaren Perioden und in Folge etlicher Kollaborationen, Schwester- und Tochterbetriebsgründungen sowie dem mal größeren, mal kleinerem Involvement Conrans, konnte Habitat bis heute wegweisend überleben. Einer auf dem japanischem Markt äußerst erfolgreichen Habitat Basics Linie liegt beispielsweise die welt weit von kosmopolitischen Minimalisten geliebte Kette MUJI zugrunde, deren Firmenmantra seit 1980 auf Ästhetik, Qualität und Funktionalität ihres Angebots beruht.

Wer meint, all das reiche schon um zur lebenden Legende zu werden und den Design-Olymp zu besteigen, hat die Rechnung nicht mit Sir Terence Orby Conran gemacht. Obwohl er schon jetzt mit seiner Habitat-Idee den für viele unerreichbar scheinenden Luxus des schöneren Wohnens an  Mittelständler gebracht und somit das Verkaufsprinzip jenes Segments für immer verändert hat, geht es weiter.

Terence Conran ist der Autor einer Vielzahl von Design-Büchern. Printed Textile Design, veröffentlicht 1957, zeigt die Leidenschaft und das Verständnis Conrans für Design, sowohl in Bezug auf den historischen Kontext als auch auf den modernen technologischen Fortschritt.

Neben dem Eintauchen ins Bekleidungsmilieu, der Gründung einer Conran Foundation zur Förderung britischen Industriedesigns und zahlreichen, lukrativen Buchveröffentlichungen rund um besagtes Thema, exploriert der noch immer vor Kreativität sprühende Allrounder auch weiter die Welt der Architektur. Zwei seiner rückblickend wohl unverkennbarsten Werke wären einmal der Kauf und die Restauration des Michelin Gebäudes, zum anderen die Implementierung eines Design Museums in London. Ersteres wurde Conrans Vision nach restauriert und wiederbelebt, ein Conran Shop sowie eines seiner Restaurants und der hauseigene Verlag fanden in der sagenumwobenen Baulichkeit ihr Zuhause. Dem Ursprungskitsch treu bleibend ließ Conran das charakteristische, Fensterrosen-ähnliche Glasmosaik wiederherstellen und balancierte die opulent-eklektische Architektur — wie für ihn ganz typisch — mit klassisch-eleganter Inneneinrichtung wieder aus. Zweiteres ist das mit anderen hochrangigen Namen seiner Disziplin ins Leben gerufene Design Museum, welches zunächst als eines von vielen Projekten galt um der, der Tower Bridge nahegelegenen, Shad Thames Gegend frischen Wind einzuhauchen. Bis in die frühen 80er, also bis zur Inangriffnahme Conrans, galt das Viertel, das einst als Dreh- und Angelpunkt des Londoner Tee- und Gewürzhandels boomte, als verstaubtes Lagerhallengebilde. Die Wiederbelebung des nach wie vor pittoresken Stadtteils glückte und die Implementierung des  Design Museums wurde zum absoluten Herzensprojekt des Designers, sogar zum wichtigsten seiner gesamten Karriere, wie er zum Umzug des Museums nach Kensington verlauten ließ:

»It will allow all our dreams and ambitions for the Design Museum to come true, to create a world-class space with the size and scope for the serious promotion and celebration of design and architecture in this country.«

Es ist genau diese Liebe und Begeisterung gegenüber dem, was er tut, die unzählige Nachwuchsdesigner dazu anspornen, in seine Fußstapfen zu treten, ambitioniert zu bleiben und selbst den kleinsten Details ihres Umfeldes jene Beachtung zu schenken, die sie verdient haben. Und ebendiese ist es auch, die Terence Conran bis heute, mit fast 90 Jahren, Dekaden nach seinem Ersteinstieg in die Branche, dazu befähigen am Fortbestehen, globalen Expandieren und Umstrukturieren seiner Erfolge — inzwischen gedeckelt unter der Conran & Partners Gruppe — zu arbeiten. Darunter auch die aktuellste Ergänzung seines geradezu unmessbaren Portfolios: In Kooperation mit dem Andaz Hotel London Liverpool Street und der von Bono und Bobby Shriver im Kampf gegen AIDS gegründeten RED Stiftung, beteiligte sich Conran an der Umgestaltung und Einrichtung einer neuen Suite. 30% der Einkünfte für jenes Apartment gehen direkt an die RED Stiftung, die es sich seit 2006 zum Ziel macht Medikamentenforschung voranzutreiben, mit Vorurteilen aufzuräumen und die Krankheit bis 2030 ein für alle Mal zu beseitigen.

Mit seinem eigenwilligen Verständnis von Modernismus, basierend auf schlichter Formgebung, natürlichen Materialien und einer frischen Farbpalette kann Habitat als humanisierte britische Version des Bauhaus verstanden werden. Im Sortiment wurde besonderer Wert auf minimalistisches, praktisches, ästhetisch hochwertiges und dennoch erschwingliches Design gelegt.

Das gemeinsame Projekt mit RED und Andaz (Teil der Hyatt Hotelgruppe) liegt Conran eigenen Erklärungen nach aber nicht nur wegen des guten Zwecks am Herzen, sondern darüber hinaus auch weil das Innere besagten Hotels in der Liverpool Street schon Jahre vorher von Conran durchdesignt und eingerichtet wurde. »The Great Eastern Hotel, as this hotel was once known, was my first big hotel project, so it has been a dream for me to be involved with the building once again«, erklärt uns der 87-Jährige, »and I am proud to have collaborated with the Andaz brand and RED on a suite design that will give guests a great deal of pleasure while doing a great deal of good in the world.« Das von der East Londoner Nachbarschaft und deren Kreativszene inspirierte Interiorkonzept umfasst Werke lokaler Künstler — darunter auch in Zusammenarbeit mit RED entstandene Arbeiten von Starfotograf Rankin — spezialangefertigtes Schrank- und Regalmobiliar, sowie von Conran selbst favorisierte Eames und Karuselli Lounge Sessel. Als weitere persönliche Note ziert ein ganz besonderes Stück das Wohnareal der Luxus-Räumlichkeit: Ein Replikat des Kaffeetisches, den Conran einst für sein eigenes Heim schuf, als dekoratives und zweckdienliches Epizentrum der 80 Quadratmeter. »People have always asked me ›Why’d you make it like this?‹«, erzählt Terence Conran abschließend, »And I say because this is the way I like it, that’s the way I’d like to live.«

 

 

 

 

Das 5-Sterne Hotel Andaz London Liverpool Street bietet 267 luxuriöse Boutique-Zimmer und Suiten, darunter die von Sir Terence Conran gestaltete (ANDAZ)RED Suite. Über Hyatt.com/AndazRED kann man die Suite direkt buchen und damit die RED Stiftung in ihrem Kampf gegen Aids unterstützen. Mit den in den kommenden Monaten geplanten Eröffnungen von Andaz in München (Schwabinger Tor) und Wien (Am Belvedere) erweitert die Boutique-Hotelgruppe, deren Markenzeichen stets die Einbindung individueller lokaler Elemente und Einflüsse in ihr Designkonzept ist, ihr Angebot auf weltweit 20 Häuser. Mehr Infos auf andaz.com.