Raum und Kunst

»L.A. Special«: Das Schindler House

Photo Credit: Gerald Zugmann

1922 entstand mit dem Schindler House in West Hollywood das revolutionäre Wohnhaus des österreichisch-amerikanischen Architekten und Bauingenieurs Rudolph M. Schindler. Seine innovativen Designprinzipien und die Fähigkeit »Räumlichkeit« neu zu denken, spiegelte auch seine Philosophie Raum als Medium der Kunst zu verstehen wider. Zu Besuch in einem der wichtigsten Bauwerke des Modernismus in Kalifornien.

Wien – Los Angeles

Direkt nach seinem Studium der Architektur bei Otto Wagner an der Akademie der bildenden Künste  in Wien emigrierte Rudolph M. Schindler 1914 in die Vereinigten Staaten. Neben seinem Landsmann Richard Neutra und weiteren klingenden Namen wie Gropius und Mies van der Rohe, avancierte er rasch zu einem der geachtetsten Vertreter einer neuen, progressiven Architekturentwicklung, dem »Neuen Bauen«. 

Photo Credit: Esteban Schimpf

Bereits in seinem Manifest von 1912 – später unter dem Titel »Space Architecture« erschienen – hält er seine Interpretation von Raum als dem Medium der Kunst eines Architekten fest und spricht in diesem Zusammenhang auch von Frank Lloyd Wright als »Raum-Architekten«, der mit seinem offenen Raumkonzept einen prägenden Einfluss auf Schindlers Praxis hatte und für dessen Architekturbüro er vier Jahre lang arbeitete. Im Auftrag Wrights übernahm er unter anderem die Bauaufsicht des legendären Hollyhock House in East Hollywood, gebaut für Ölerbin Aline Barnsdall.

PROTOTYP

Am besten lässt sich Schindlers Philosophie der »Raumarchitektur« wohl an seinem eigenen Wohnhaus in der Kings Road in West Hollywood nachvollziehen. Das heute als Schindler House  bekannte Bauwerk kann als Modellhaus seines Schaffens gesehen werden, das sich, mit Ausnahme einer überschaubaren Anzahl größerer Bauten, ausschließlich auf das Einfamilienhaus konzentriert.

War es in erster Linie Schindlers Frau Pauline Schindler, die an alternativen Modellen des Zusammenlebens interessiert war, inspirierte ein Aufenthalt im kalifornischen Yosemite-Nationalpark den Architekten folglich dazu das gängige Modell eines »Wohnhauses« als solches neu zu denken und gab den endgültigen Anstoß für die Umsetzung des für zwei Paare konzipierten Baus. 

Photo Credit: Gerald Zugmann
Photo Credit: Esteban Schimpf

Schindlers Übersetzung der Strukturen des dortigen Campinggeländes äußerten sich durch das für ihn so zentrale offene Raumkonzept der Wohn- und Freiräume. Im Sinne einer modernen Form des Zusammenlebens ist nicht nur das angebaute Gäste-Apartement, sondern auch die zwei sich überlagernden, L-förmig angelegten Wohnkomplexe, wobei die ineinander geschobenen Raumvolumen als Gemeinschaftsraum und -küche genutzt wurden. Schindlers neue Raumideen zeigen sich auch an der Gliederung der Innenräume durch einfache kubische Formen, freistehende Wandscheiben und großen Fensterwänden, die den Raum zur Gartenanlage hin öffnen und diese fließend miteinander verbinden. Diese klaren gestalterischen Prinzipien führt er auch bei der Inneneinrichtung fort – seine schlichten Möbelentwürfe sind fester Bestandteil des Gesamtkonzeptes, dem vor allem das Streben nach Zweckmäßigkeit zu Grunde liegt. 

Photo Credit: Esteban Schimpf
Photo Credit: Christof Tag

In namhafter Gesellschaft

Die formale Raumsituation des Hauses erlaubte es den Schindlers ihre Idee vom modernen Zusammenleben innerhalb einer Gemeinschaft zu leben. Ab der Fertigstellung des Baus im Frühsommer 1922 lebten sie nicht nur mit dem befreundeten Paar, Bauunternehmer Clyde Chace und seiner Frau Marian Chace, bis Sommer 1924 zusammen, sondern ab 1925 für mehrer Jahre auch mit seinem Kollegen Richard Neutra und dessen Familie. 

Als Arbeitsraum und Rückzugsort zur individuellen Entfaltung stand allen BewohnerInnen ein eigenes Studiozimmer zur Verfügung, insgesamt waren es vier. Als Schlafplatz waren allerdings Schlafkojen – »sleeping-porches« – angedacht, die sich, möglich gemacht durch das milde kalifornische Klima, auf dem Flachdach des Hauses befanden, überspannt mit Segeltüchern, als Schutz vor Sonne und Regen. 

Die komplexen natürlichen Gegebenheiten der Natur waren ein Aspekt des Bauens, den Schindler stets in seiner Planung sorgfältig berücksichtigte. Ursprünglich stand das Haus auf weitläufig unbebautem Grund und war als Teil einer großen Gartenanlage konzipiert, die mit der typischen Weite der kalifornischen Landschaft korrespondierte. Eine perfekte Kulisse, die im Laufe der Jahre, trotz zahlreicher Bemühungen dies zu verhindern, neu errichteten Apartmentkomplexen weichen musste.

Photo Credit: Christof Tag

MAK Center Los Angeles

Seit 1994 wird das Schindler House als Dependance des MAK  Wien genutzt. Als kalifornische Außenstelle hat das MAK Center Los Angeles ihren Sitz in drei der architekturhistorisch bedeutsamsten Häusern Rudolph M. Schindlers. Neben dem Schindler House  werden weiters das Fitzpatrick-Leland House (1936) sowie die Mackey Apartments (1939) als Orte der Forschung, der Kunstproduktion und des interdisziplinären Dialogs genutzt. [DM]