Architektonische Schokoladenseiten

Lindt Home of Chocolate

Photo Credits: Walter Mair

Im Schweizer Örtchen Kilchberg erfreut man sich einer exzellenten Luftqualität, ganz so, wie man es eben am beschaulichen Ufer des Zürichsees erwarten würde. Doch was Kilchbergs Brise von der anderer idyllischer Ortschaften unterscheidet? An manchen Tagen, wenn der Wind richtig steht, mischt sich in die frische Zürichseeluft ein Hauch von Schokoladenaromen. Denn seit 1899 ist hier mit Lindt & Sprüngli einer der größten Schweizer Schokoladenhersteller ansässig.

Das Fabrikgelände des Unternehmens ist mit seinen diversen Gebäuden ein historisches Zeugnis über den Wachstumsverlauf von Lindt & Sprüngli. Eine eklektische Hallenmischung aus diversen Epochen veranschaulicht, zu welcher Zeit wieder mal eine bauliche Erweiterung aufgrund des wirtschaftlichen Erfolges von Nöten war. Architektonisch konnte man das Ensemble bisher wohlwollend als industriell zweckmäßig bezeichnen, architektonisch aufregend war es jedoch nicht.

 

 

Das änderte sich allerdings im vergangenen Herbst mit der Eröffnung des neu erbauten Lindt Home of Chocolate. Denn hier kommen nicht nur Schokoladen-, sondern auch ArchitekturliebhaberInnen auf ihre Kosten. Mit dem Basler Büro Christ & Gantenbein gewannen Eidgenossen den Etat, um das durchaus gewaltige Projekt zu realisieren.
Das Ergebnis ist ein krasser Gegenentwurf zur romantisierten Schokoladenfabrik à la Willy Wonka. Bereits beim Namen wird die Seriosität, mit der Lindt dieses Projekt angeht, deutlich.

Als Lindt Chocolate Competence Foundation will man hier mit einem interaktiven Museum, einem Forschungszentrum und einer Schauproduktion die Schweiz als nachhaltigen Schokoladenstandort langfristig stärken.

 

 

Das Architekturduo Christ & Gantenbein wählte bei der Gestaltung des Baus im Inneren Sichtbeton als das vorherrschende Material, ergänzt um farbig abgestimmten grauen Marmor für die Böden.
Das Herz des Gebäudes ist dabei ein über 60 Meter langes Atrium, dessen eigentlich rechteckige Grundform sich durch die an den Seiten längs angeordneten geschwungenen Wendeltreppen, graphischen Verbindungsbrücken und runden Säulen und Lichtkanäle als konvex-konkaves Formenspiel inszeniert. Die Idee dahinter war, die Bewegung der Besucher und Besucherinnen zu orchestrieren. Man kann zwar davon ausgehen, dass der ein oder andere Gast im Lindt Home of Chocolate eher der Nase folgt, jedoch sind die kreierten Wege im Inneren tatsächlich so klar strukturiert angelegt, dass die Bewegungsrichtung nahezu selbstverständlich erscheint.

Bei der Außengestaltung wurde darauf Wert gelegt, dass sich das neueste Gebäude auf dem Werksgelände gut ins Gesamtbild einfügt, was zur Folge hat, dass hier reduzierte Sachlichkeit in Form von schlichten roten Backsteinfassaden vorherrscht. Lediglich das Eingangsportal an der Süd-Ost-Ecke des Gebäudes setzt sich farblich mit weiß glasierten Ziegeln und durch eine abgerundete Form ab und betont so trotz des Dialogs mit den umliegenden Hallen die architektonische Besonderheit des Werksmuseums, die sich dann eben auch im Inneren fortsetzt.

 

 

Dabei stellt man schon direkt beim Eintreten in das Lindt Home of Chocolate fest, den örtlichen und vermutlich auch symbolischen Mittelpunkt bildet hier definitiv ein über neun Meter hoher Schokoladenbrunnen, an dem dickflüssig 1.500 Liter Schokolade herabfließt und von dem aus das gesamte Gebäude mit Kakao-Duft erfüllt wird.
So ein bisschen ist Willy Wonka dann eben doch in jeder Schokoladenfabrik präsent. [AD]