Wie Frauen führen

Chapter »Bookshelf«: When Women Lead

In »When Women Lead« zeigt die amerikanische Journalistin Julia Boorstin, welche häufig unterschätzen Eigenschaften weibliche Führungskräfte mitbringen. Interviews mit erfolgreichen CEOs wie Whitney Wolfe Herd unterfüttert sie mit aktuellen Studienergebnissen.

Als Julia Boorstin 13 Jahre alt war, sagte ihre Mutter zu ihr, dass es nicht mehr lange dauern würde bis Frauen dieselben Chancen und Karrieremöglichkeiten haben wie ihre männlichen Kollegen. Alle Türen würden ihr offenstehen, dafür hätten Frauen wie Gloria Steinem und viele andere hart gekämpft. Boorstin quittierte ihre Aussagen damals mit einem Augenrollen, erkannte in ihnen eine Selbstverständlichkeit, die sich einige Jahre später als falsch herausstellen sollte. Ihre eigenen Erfahrungen als Journalistin in unterschiedlichen amerikanischen Medienhäusern (unter anderem: eine Kollegin, die ihr erklärte, sie solle bei der Happy Hour nach der Arbeit immer zwei Drinks hinter ihren männlichen Kollegen bleiben) wie auch die Erlebnisse und Geschichten anderer Frauen zeigten immer deutlicher, dass der Kampf, von dem ihre Mutter damals gesprochen hatte, noch lange nicht vorbei ist. Statt erneut mit den Augen zu rollen oder gar den Kopf in den Sand zu stecken, entschloss sich Boorstin dazu, zu handeln. 

Im Laufe der folgenden zwei Jahrzehnte, in denen sie als Fernsehreporterin und Schöpferin der CNBC-Serie »Disruptor 50« Tausende von Führungskräften interviewte und zusätzlich Studien wälzte, erkannte sie, dass die Utopie der Gleichberechtigung der Geschlechter nicht länger ein Hirngespinst sein sollte. All die gewonnen Erkenntnisse bündelte sie in ihrem Buch »When Women Lead«, das die Geschichten von mehr als 60 weiblichen Führungskräften mit aktuellen Studienergebnissen verschmilzt. »Erfolgreiche Unternehmerinnen wie Gregg Renfrew (CEO von »Beautycounter«) und ihre persönlichen und beruflichen Qualitäten aufzuzählen, schien mehr als mehr als genug Material für ein Buch zu sein«, schreibt Boorstin. Trotzdem reichte es ihr nicht. 

Sie setzt fort: »Als ich die Interviews führte, merkte ich jedoch, dass ich bessere Instrumente brauchte, um ihre Erfolge zu verstehen. Während ich diese unglaublichen Frauen interviewte, suchte ich auch nach Daten und Forschungsergebnissen, die mir dabei helfen könnten, ihre Ansätze zu kategorisieren und zu verstehen, warum sie funktioniert haben. Dann wollte ich herausfinden, ob diese Merkmale eher bei Frauen zu finden waren. Die Geschichten, die ich hörte, überschnitten sich schließlich mit den Studien, die ich las.« Die Verbindung des biographischen Materials, das sie in unzähligen Interviews sammelte, mit den von ihr recherchierten Studienergebnissen, gab Julia Boorstin Hoffnung, dass auf diese Weise neue Bilder von (weiblichen) Führungskräften entstehen könnten, die nichts mit den gängigen Klischees von finster dreinschauenden Anzugträgern oder Start-up-Gründern in hippen Kapuzenpullis zu tun haben. 

»Ich habe festgestellt, dass Frauen eine Reihe von Qualitäten besitzen. die mit wichtigen Führungsqualitäten korrelieren. Sie haben die Tendenz, bei ihrer Risikobewertung mehr auf Daten zu achten. Sie sind auch eher bereit, verschiedene Perspektiven in die Entscheidungsfindung einzubeziehen und sind daher besser in der Lage, sich in KollegInnen und KundInnen einzufühlen. Sie sind oft verletzlich und bereit, Erwartungen zu ignorieren und die Dinge auf ihre eigene Weise zu tun«, schreibt Boorstin. Am allermeisten beeindruckte sie jedoch, wie es vielen der Frauen, mit denen sie im Zuge der Arbeit an ihrem Buch gesprochen hat, gelungen ist, Kummer und Sorge in Mut zu verwandeln. »Es hat mich beeindruckt, dass Frauen viel rauflustiger, flexibler, dickhäutiger und innovativer sein mussten als ihre männlichen Kollegen  – und wie sich das in den Unternehmen, die sie aufgebaut haben, widerspiegelte.«

Insgesamt sprach Julia Boorstin für ihr Buch, das in drei große Teile gegliedert ist, mit 120 Frauen (darunter auch einige Männer). Nicht alle fanden ihren Weg in ihre umfassende Abhandlung. Zu den Frauen, die in »When Women Lead« vorkommen, gehören unter anderem Katrina Lake, Gwyneth Paltrow, Jenn Hyman, Whitney Wolfe Herd, Lena Waithe, Shivani Siroya, Julia Collins und viele andere. »Ich hoffe, dass die hier vorgestellten Strategien Ressource und Anhaltspunkt für alle Menschen sein können, die nach Wegen suchen, um im Geschäftsleben erfolgreich zu sein – unabhängig von ihrem Geschlecht«, so Boorstin.

 

      When Women Lead, Julia Boorstin, 2022. Erschienen bei Yellow Kite Books.