Mit dem Porsche Vision GT entwirft der deutsche Sportwagenhersteller erstmals ein Fahrzeug, dem man nur auf den Straßen der virtuellen Welt von »Gran Turismo« begegnen wird. Das bedeutet jedoch nicht, dass es sich dabei um keinen echten Porsche handelt.
»Theoretisch hat man bei einem Computerspiel alle Freiheiten der Welt. Wir hätten auch ein Raumschiff auf die virtuelle Straße stellen können«, sagt Porsche-Designer Ingo Bauer-Scheinhütte lachend. In der Designabteilung des deutschen Automobilherstellers war man sich jedoch rasch einig, dass der erste Porsche, der exklusiv für ein Videospiel – die siebte Auflage des Beststellers »Gran Turismo« – entworfen wird, lieber mit allen vier Rädern in der Realität verankert sein sollte. Obwohl er in der virtuellen Welt zu Hause ist, schlägt der Porsche Vision Gran Turismo eine Brücke zwischen Fiktion und Realität. »Nach einigen Gesprächen waren wir uns sicher, dass wir sehr ernsthaft an das Projekt herangehen und uns gar nicht zu viel Freiheit nehmen möchten«, so der Exterieur Designer. »Der Vision GT«, fügt er hinzu, »sollte der Markenidentität der Firma entsprechen. Es wäre kein richtiger Porsche, wenn wir ein total abgedrehtes Fahrzeug entworfen hätten.« Diese Herangehensweise führte unter anderem dazu, dass sich der Designprozess gar nicht so sehr von der Gestaltung anderer Fahrzeuge unterschied. Wie Ingo Bauer-Scheinhütte hinzufügt, war es schließlich das erklärte Ziel, den SpielerInnen das Gefühl zu geben, dass es sich bei dem Showcar um ein Auto handelt, das einem in der Zukunft auch auf der Straße begegnen könnte.
Auch beim Interieur folgte man diesem Weg, erklärt der gebürtige Holländer Doeke de Walle. »Trotzdem haben wir die Möglichkeiten der virtuellen Welt nicht aus den Augen verloren und statt eines transparenten Kombi-Instruments ein optisch freischwebendes Hologramm-Display entworfen. Ohne dabei das Gefühl aufzugeben, dass man gerade auch in einem echten Auto sitzen könnte, sind wir bei manchen Dingen also einen Schritt weiter gegangen», erklärt der Interieur Designer.
Die Kirsche auf der Torte
Bei der Frage nach den ersten Reaktionen auf das Projekt müssen beide lachen. »Showcars sind immer die Kirsche auf der Torte – und wenn es dann noch für ein Computerspiel ist, umso besser«, bringt es Doeke de Walle auf den Punkt. »In den Designteams waren deshalb alle sehr motiviert, dieses Projekt gemeinsam umzusetzen. Die Aussicht, dass man ein Fahrzeug, an dessen Gestaltung man beteiligt war, in einem Computerspiel fahren kann, war definitiv ein großer Motivator.«
Die Zusammenarbeit mit den Game DesignerInnen empfanden Ingo Bauer-Scheinhütte und Doeke de Walle als sehr bereichernd. Weil sich Porsche mit diesem Projekt auf bisher noch unbespieltes Terrain vorwagte, war es den Designteams wichtig, abzuklopfen, wie die Erwartungshaltung von Polyphony Digital aussieht. »Die Anziehungskraft eines Porsche ergibt sich aus dem puristischen Design«, sagt Kazunori Yamauchi, Präsident von Polyphony Digital. »Und auch bezogen auf die Ingenieurskompetenz folgen Porsche und wir derselben perfektionistischen Philosophie. Wir teilen dieselbe Leidenschaft für den Rennsport und blicken gemeinsam in die Zukunft des Automobils.« Michael Mauer, Designchef bei Porsche, betont, dass ein für den virtuellen Raum gestaltetes Fahrzeug spannende Freiräume eröffnet, die in einem regulären Designprozess eines Serienfahrzeugs stark reglementiert sind. »Projekte wie der Porsche Vision Gran Turismo sind für uns im kreativen Prozess besonders wertvoll. Die Weiterentwicklung unserer klar definierten Porsche Design DNA sowie der Austausch mit Designern anderer Branchen sind ein wichtiger Bestandteil unserer Arbeit.«
Lieber David als Goliath
Gestalterisch war es den Designern wichtig, kein großes Hypercar zu entwerfen, sondern den Kernwerten der Marke treu zu bleiben. »Wir wollten lieber der David sein, der gegen Goliath antritt«, bringt es Ingo Bauer-Scheinhütte auf den Punkt. Man orientierte sich an der Firmengeschichte, deren Anfangszeit von kleinen, leichten Sportwagen geprägt war. Dieser Spirit sollte auch im Porsche Vision Gran Turismo weiterleben. »Formal ist das Auto für uns eine Art Best-of mit Blick in die Zukunft. Man kann definitiv Ähnlichkeiten zu Porsche-Modellen, die heute auf der Straße zu sehen sind, erkennen.« Zum Beispiel zum Porsche Taycan. Die Leuchten in der besonders puristisch gestalteten Front und die integrierten Lufteinlässe schaffen eine optische Verbindung zur Designsprache des rein-elektrisch betriebenen Sportwagens. Das Heck ziert ein besonders schmal gestaltetes Leuchtenband – eine Weiterentwicklung der Lichtsignatur, die bereits von den Modellen 911 und Taycan bekannt ist.
Im Interieur, fügt Doeke de Walle hinzu, wollte man bei der für den deutschen Sportwagenhersteller typischen Fokussierung auf die Fahrerachse bleiben. Die niedrige Sitzposition, die man auch im virtuellen Showcar findet, sei, so der Interieur Designer, charakterprägend für Porsche. »In gewisser Weise ist der Vision GT aber auch eine Hommage an den 550 Spyder. Wir wollten ein Auto kreieren, das Lust auf Fahren macht und den Fahrer mit dem Fahrzeug eins werden lässt.« Eines ist dabei sicher: Für viele Menschen wird die virtuelle Fahrt mit dem Vision GT ein erster Berührungspunkt mit der Marke Porsche sein. Und diese erste Begegnung könnte sich, glaubt man den beiden Automobildesignern, ziemlich real anfühlen. [SW]
Die siebte Auflage des bekannten Rennspiels »Gran Turismo« ist seit 4. März 2022 erhältlich.