Olfaktorische Kundenbindung

Duftende Hotelidentitäten

© Vincent Leroux

Text Andres DAMM

Große Hotelketten aber auch individuell geführte Häuser arbeiten heute ganz bewusst mit dem Einsatz von verschiedenen Duftkreationen, um ihren Gästen eine unverwechselbare Atmosphäre zu bieten. Wenn Dufthäuser ihre Kreationen anpreisen, sind deren Beschreibungen oftmals genauso blumig wie das Bouquet des beworbenen Parfums. Da wird von eleganten Aromen, edlen Noten, opulenten Akkorden und gerne auch mal von einer kostbaren Aura geschwärmt. Wie bitte? Wie riecht Eleganz, wie Opulenz, nach was duftet edler Purismus? Falls diese Frage überhaupt beantwortet werden kann, dann wohl nur unter dem Vorbehalt höchster Subjektivität. Beim eigenen Parfum ist das nicht weiter problematisch, schließlich ist die Entscheidung, welches Duftwasser man an seine Haut lässt immer eine äußerst persönliche Präferenz. Doch wie soll man agieren, wenn man einen Duft nach dem Kriterium der allgemeinen Akzeptanz auswählen soll?

Genau dieser nicht ganz einfachen Frage gehen immer mehr Hoteliers nach. Unter dem wenig romantischen Begriff des »Duftmarketings« wird die durchaus sinnliche Angelegenheit erforscht, wie man einen Ort olfaktorisch so kuratieren kann, dass für den Besucher ein erlebbarer Mehrwert entsteht und er so im Idealfall zum treuen Stammgast wird.
Im schlimmsten Fall fußt die Idee des Duftmarketings in dem Vorhaben, andere unschöne Gerüche zu verbergen. So werden beispielsweise unzählige Casino-Lobbys in Las Vegas aggressiv aus der Klimaanlage mit künstlich anmutenden, überdosierten Rose-Veilchenmischungen parfümiert, um damit den Geruch von Alkohol und Zigarettenrauch zu übertünchen. Das Ergebnis ist in der Regel in etwa so charmant wie ein mit Febreze benetzter Aschenbecher, allerdings durchaus erträglich. Eine Studie konnte nachweisen, dass in foralparfümierten Casinos Gäste im Schnitt 50 Prozent länger an Spielautomaten verweilten, als in gänzlich unparfümierten Etablissements.

Doch neben dem schnöden Mammon gibt es auch noch deutlich sinnlichere Ansätze, in Hotels Duftkompositionen als subtiles Marketinginstrument zum Einsatz zu bringen. Intelligent eingesetzt kann ein besonderer Duft durchaus zur Signatur eines Hotels werden und maßgeblich zur Gästebindung beitragen.

Als beispielsweise 2016 das legendäre Ritz in Paris nach knapp vierjähriger Renovierungsarbeit wiedereröffnet wurde, monierten manche Kritiker, das Grand Hotel sei nach der Grundmodernisierung kaum noch wiederzuerkennen. Doch Nostalgikern wurde trotz der neuen Optik ein sinnlichvertrautes Element geboten. Geruchstechnisch setzt man in der Lobby nämlich weiterhin auf den bereits seit über 20 Jahren verwendeten Duft‚ L’Ambre Ritz. Die Mischung aus dem namensgebenden Amber und orientalischen Noten ist bei der illustren Klientel des Hauses so beliebt, dass man ihn mittlerweile auch als Home Spray im Flakon oder in Form einer Duftkerze erwerben kann.

Auch bei der Sofitel Gruppe setzt man auf die positive Assoziation mit dem Vertrauten. Mit der Essence de Sofitel, einem in allen Häusern identischen Signature-Duft, wird international — von Beverly Hills bis Bangkok — ein Wiedererkennungswert geschaffen, der insbesondere bei Vielreisenden das Gefühl des Nachhausekommens hervorrufen soll.
Ganz egal wo auf der Welt, wer in einem Sofitel nächtigt, weiß, was ihn olfaktorisch erwartet. Die Gruppe verpflichtete den Parfümeur Lucien Ferrero dazu, einen Duft zu kreieren, der die französische Heimat der Marke auf allen Kontinenten zelebriert. Damit werden Lobbys und auch Konferenzräume sanft aromatisiert. Mit einer zurückhaltenden Dosierung und leichten, frischen Noten von Zitrusblättern, Bergamotte und Sandelholz minimiert man das Risiko, dass der Duft, statt positiver Assoziationen beim Gast zu wecken, genau das Gegenteil bewirkt.

 

©  Bulgari

Die Idee eines weltweit in allen Hotels verwendeten Dufts zur Identitätsbildung wird auch bei verschiedenen anderen Ketten wie Westin oder auch den Bulgari Hotels in Mailand, Dubai, Shanghai, London und auf Bali verfolgt. Doch es gibt auch Gruppen, die den konträren Ansatz wählen und bewusst für jeden Standort einen eigenen Duft entwickeln lassen, um Lokalkolorit im wahrsten Sinne des Wortes zu versprühen, darunter die kanadische Four Seasons Gruppe und die luxuriösen Park-Hyatts!

Egal ob vom Standort inspirierte, sich unterscheidende Düfte oder der weltweit identische Signaturduft — möchte man als Hotelier täglich hunderte von Zimmern füllen und die Konferenzräume für internationale Firmenmeetings buchen lassen, ist es ratsam, olfaktorisch vornehme Zurückhaltung walten zu lassen. »Falls ein Dufterlebnis auch im Zimmer gegeben sein soll, macht es Sinn, dort nicht über die Klimaanlage zu parfümieren, sondern dem Gast eine kleine Selektion an Raumdüften zur Verfügung zu stellen«, empfiehlt Giuseppe Iannò vom Nischenlabel The Merchant of Venice, das mit verschiedenen Hotels kooperiert. »Es ist gut, wenn ein Hotelier das Selbstbewusstsein hat, Düfte nach seinem eigenen Geschmack auszuwählen, allerdings sollten auf jeden Fall auch regelmäßig Befragungen der Gäste stattfinden. Der beste Indikator, um zu sehen, ob ein Duft wirklich begeistert, ist allerdings, ihn in der Hotelboutique anzubieten und dann die Verkaufszahlen zu analysieren.«
Dabei gilt es gut auszubalancieren, um keine zu extremen Emotionen hervorzurufen. Denn neben den unterschiedlichsten persönlichen Geschmäckern kommt in der Welt der Parfums auch noch hinzu, dass je nach Kulturkreis komplett andersartige Duftrichtungen als angenehm wahrgenommen werden. Schwere Noten wie Oudh, Moschus oder Zeder, die im arabischen Raum begehrt sind, empfinden Westeuropäer schnell als erdrückend, grasige Noten oder Vetiver sind dagegen südlich von Italien kaum gefragt.

 

© Donja Pitsch

Die auf den Hügeln Capris thronenden Carthusia Suites erlauben sich beim Einsatz von Aromen deutlich mehr Extravaganz, als es wohl jede Hotelkette wagen würde, was nur Sinn macht, kennt man die Geschichte hinter den duftenden Apartments. Denn während bei großen Hotelketten »Duftmarketing« erst seit relativ kurzem ein Element ist, um die Markenidentität zu stärken, bildet bei dem italienischen Unternehmen Carthusia die Parfümeurskunst die DNA des Hauses.

»Die Carthusia Suites sind kein Hotel, sondern Ferienwohnungen, in denen die Duftwelt Capris zelebriert wird. Raumdüfte, Kerzen, Duschgels, Seifen, Cremes, hier ist alles ein wohlabgestimmtes Duftuniversum«, erklärt Virginia Ruocco, die Tochter des Firmengründers Silvio Ruocco. Die beiden Suiten Corallium und Mediterraneo sind dabei nach dem jeweiligen Duft, der dort verwendet wird, benannt. Als Gast kann man sich also im Vorfeld an das zu erwartende Erlebnis heranschnuppern und weiß so genau welche Suite zu einem persönlich passt. Der gigantische fünf Liter Diffuser in den Suites ist optisch ein Highlight und stellt klar, hier ist der Duft kein Nebendarsteller, sondern der absolute Star.
»Corallium und Mediterraneo sind allerdings bewusst gewählt worden, weil es Düfte sind, die geschlechtsneutral sind und somit von Männern und Frauen geliebt werden«, erläutert Ruocco. Zur Kundenbindung sind Gerüche in all ihrer Vielseitigkeit sicherlich ein Mittel, das sich in der Hotellerie noch stärker verbreiten wird, doch kann man damit auch Neukunden gewinnen? Eine große Hotelmarke versah vor einigen Jahren ihre Anzeigen mit einem Duftstreifen, die Aktion wurde allerdings recht schnell wieder beendet und ist bis heute nicht kopiert worden — das Gesamterlebnis für die Sinne ist scheinbar eben doch nicht ganz so leicht nach Hause zu transportieren. Ein guter Grund um auf Reisen zu gehen.