Sechs zukunftsweisende und gestalterisch aufregende Konzepte gingen aus der Kooperation des japanischen Automobilherstellers Mazda mit der Hochschule für Gestaltung in München hervor. In einem zweiteiligen Feature stellt Chapter einige der herausragendsten Projekte vor.
»Wir von Mazda erhoffen uns, durch diese Kooperation von der jungen und somit künftigen Generation eine neue Sichtweise auf die Marke zu bekommen«, verkündete Bahram Partaw, Senior Designer bei Mazda Europe, im Rahmen des Auftakts der Kooperation des japanischen Automobilherstellers mit der Hochschule für Gestaltung in München. Freuten sich zu Beginn noch 35 Studierende darauf, ihr Designprojekt ins Rollen zu bringen, waren es am Ende noch insgesamt zehn, von denen sich wiederum sechs als Favoriten herauskristallisierten. Mit seinem Projekt »Royal Blood« ging Leon Galuzzi schlussendlich als Sieger hervor – und darf sein Können nun als Praktikant bei Mazda Europe auch weiterhin unter Beweis stellen.
Sein Designkonzept ist zudem das beste Beispiel dafür, dass sich neue Sichtweisen häufig aus der Geschichte einer traditionsreichen Marke speisen. Die Idee für sein Konzept kam ihm nämlich direkt bei der Auftaktveranstaltung im Augsburger Mazda Classic Museum, erzählt er. »Dort gab es ein Modell eines Prototyps des 787b, der 1991 das 24-Stunden-Rennen von Le Mans gewann und damit einen historischen Meilenstein für Mazda setzte. Als ich das gesehen habe, war der Gedanke geweckt, die Emotion dieses Fahrzeugs wieder aufleben zu lassen.« Mit dem einhundertsten Jubiläum von Le Mans hätte das Timing – wie die Recherche des jungen, motorsportbegeisterten Designers etwas später ergab – besser nicht sein können. Galuzzi gestaltete schließlich ein Auto, »das in seiner Anmut wie auch in seinen Details an den 787b erinnern und gleichzeitig die neue Kodo-Designsprache von Mazda voranbringen soll.« Er setzte es sich zum Ziel, ein Trackday-Car mit kompromisslosem Fokus auf den Fahrer und die Verbindung zur Straße zu entwickeln. »Außerdem wollte ich ein Fahrzeug gestalten, das in Kinderzimmern auf Postern zu sehen ist. Etwas, wofür es sich zu träumen lohnt«, fügt er hinzu.
»Royal Blood«
In sein Projekt startete der junge Designer, der sich sicher ist, dass das Automobil in Zukunft weniger Statussymbol als vielmehr Ausdruck von Individualität sein wird, mit einer genauen Analyse der Designsprache des 787b und einem Moodboard. »Dann habe ich auf dem Papier gedacht, also einfach so viel wie möglich gesketcht, um eine große Bandbreite an Geometrie-Ideen zu generieren«, so Galuzzi, der, wie er daran anknüpfend hinzufügt, »gerne oldschool auf Papier beginnt«. Für sein Design war außerdem grundlegend, dass es, »auch wenn es ein Performance-Car ist, trotzdem eine ästhetische Cleanness behält«. Was das im Detail bedeutet? Galuzzi antwortet: »Große, undurchbrochene Flächen und klare Volumenaufteilungen sowie eine untypische Featureline sind für mich Schlüsselmerkmale des finalen Designs.« Insgesamt stehe für ihn gestalterisch stets die Schlichtheit an oberster Stelle. »Ich finde Gefallen an einer konsequent durchgeführten Idee ohne Interferenz«, bringt er es auf den Punkt. Dafür, dass das nicht automatisch ausschließt auch ein Fan von Imperfektion zu sein, ist sein Design der beste Beweis. »Imperfektion macht einen Gegenstand menschlich. Die Dinge, die einen an einem Design zuerst vielleicht stören oder an denen man sich aufhängt, sind oft die, für die man das Design später liebt.«
»Kaido«
Auch der junge Designer Niklas Künzer glaubt daran, dass es, obwohl Sharing und öffentliche Mobilitätslösungen immer wichtiger werden, auch weiterhin Bedarf und Faszination für aufregende Automobil-Designkonzepte geben wird, die als Poster in den Kinderzimmern der nächsten Generation hängen werden. Als Fan der Marke Mazda und der japanischen Autokultur war es für ihn, wie er im Interview erklärt, eine große Ehre, seine eigenen Ideen und seinen persönlichen Style in einem Designprojekt zu zeigen. »Mit meinem vollelektrischen Konzept Mazda KAIDO möchte ich eine Vision für das nächste legendäre Enthusiasten-Fahrzeug der Marke schaffen. Denn gerade diese Zielgruppe ist elektrischen Antrieben gegenüber oft kritisch gestimmt und fürchtet, dass viele Emotionen verloren gehen. Mein Ziel war es, mit starkem Wiedererkennungswert und markentypischer Kodo-Designsprache auf neue Weise Spannung zu generieren«, sagt Künzer. Um seinen Designansatz genauer zu erläutern, fügt er hinzu: »Mazda KAIDO arbeitet mit einem zentralen Farbverlauf, der die elektrische Leistung beim Start des Fahrzeugs symbolisiert und Transparenz sowie Lichteffekte zeigt. Proportionen und Volumen des Konzepts sind ebenfalls eine Neuinterpretation der klassischen Sportwagen-Form wie sie unter anderem Mazda etabliert hat. Auf diese Weise entstand eine Kombination aus cleanen Flächen und futuristischen Details.«
Bei der Umsetzung seiner Projekte ist es dem jungen Designer stets ein großes Anliegen, einen Stil zu definieren, der sich durch jede Präsentationsfolie, jeden Sketch und am Ende auch durch jedes Rendering zieht. Handsketches bilden die Grundlage jedes Designvorhabens, die er dann mit digitalen Renderings weiterentwickelt. »Der Schritt zu einem ersten 3D-Modell ist für mich jedoch der entscheidende«, ergänzt er abschließend. Die für die Marke zentrale Philosophie des Jinba Ittai, der Einheit von Fahrer und Fahrzeug, behielt er während all dieser Schritte stets im Hinterkopf. Auch Nachhaltigkeit ist für Niklas Künzler, der die Concept Artists Scott Robertson, Carlos Pecino und Khyzyl Saleem zu seinen Vorbildern zählt, ein wichtiges Thema. »Design muss Ideen für nachhaltige Konzepte attraktiv gestalte uns so erstrebenswert machen«, hält er fest. »Mein persönliches Ziel ist es immer, Emotionen mit meinen Designs zu wecken. Und ich denke, dass dieses emotionale Design von großer Bedeutung sein wird, um unsere Gesellschaft von Nachhaltigkeit zu überzeugen.«
»Aibo«
»Mazda hat mir auch gezeigt, dass traditionelle Prinzipien in Zukunft gerne auch neu interpretiert werden können«, lautet ein Schlüsselgedanke, den der Studierende Austin Reimann aus der Kooperation mit Mazda mitgenommen hat. Und wieder ist man bei jener Brücke zwischen Tradition und neuen Sichtweisen, die die beiden Kooperationspartner mit ihrem Vorhaben zu schlagen suchten. Doch nun zurück zu Austin Reimann, der sich, wie er erzählt, seit seiner Kindheit von japanischem Automobildesign angezogen fühlt. »Ikonische Fahrzeuge wie die MX- und RX-Reihen spielten in diversen Videospielen und Verfilmungen wichtige Rollen. Aus einer gestalterischen Perspektive hat Mazda, mit den Concept Cars Vision Coupe, RX und Kai, einen besonderen Eindruck hinterlassen.«
Sein eigenes Konzept trägt den Namen Mazda Aibo, japanisch für Partner bzw. Freund, und ist ein teilautonomes Fahrzeugkonzept, das das Jinba Ittai-Designprinzip auf spielerische Weise neu anwendet. Reimann bringt es folgendermaßen auf den Punkt: »Die Verbindung von Mensch und Maschine wird in dem Fall durch das Einsinken des Insassen in ein umschließendes Material geschaffen. Formgestalterisch inspiriert von der Figur Baymax aus dem gleichnamigen Disneyfilm, sind eine ruhige und freundliche Formensprache wichtig, um ein Gefühl von Freundschaft und Geborgenheit auszulösen. Mit einer umarmenden Geste im Innenraum, künstlicher Intelligenz und damit verbundener Interkation kann das Auto ein täglicher Begleiter und damit so viel mehr als nur ein bloßer Gegenstand sein.« Gutes Automobildesign drückt sich für ihn unter anderem in einer klaren Formensprache und einer Reduktion auf das Wesentliche aus. »Das Fahrzeug muss jedoch auch Emotionen in einem hervorrufen. Und das ist etwas absolut Subjektives. Wenn ich überlege, warum mir gewisse Autos und Designrichtungen gefallen hab, hat das viel mit meinen Erfahrungen als Kind und meinem Umfeld zu tun«, fügt er hinzu.
Mit seinem teilautonomen Konzept reagiert der junge Designer auf Veränderungen im Bereich der Mobilität, die er beobachtet. »Automobil-Enthusiasten wird es immer geben. Dennoch ist die Generation nach uns schon so weit, ganz auf das selbstständige Fahren verzichten zu können. Für die Automobilindustrie bedeutet das, sich etwas Neues ausdenken zu müssen.« Konkret bedeutet das für ihn und die Zukunft seines Berufsfeldes, »Lösungen für Entertainment und Interaktion zu entwickeln, aber auch Ruhemöglichkeiten oder Rückzugsorte zu schaffen. Die Gestaltung dieses Use Cases im Innenraum wird einen Impact auf die Außengestaltung haben, so es überhaupt eine Trennung zwischen Innen und Außen gibt.« [SW]