Bell Laboratories, die Forschungs- und Entwicklungsabteilung des für lange Zeit einzigen Telefondienstanbieters der USA, der AT&T American Phone Company, galt zwischen den Zwanziger und Neunzigerjahren als eine der wohl erfolgreichsten Forschungseinrichtungen der Welt. Eine Innovationszentrale, welche regelmäßig Entdeckungen zum Vorschein brachte, die unser Leben nachhaltig verändert haben. Zu den bedeutendsten Errungenschaften zählten beispielsweise die Technologie hinter der Mobiltelefonie, die Entwicklung der Solarzelle oder die Entdeckung der Mikrowellenhintergrundstrahlungen, welche die Urknalltheorie belegen soll. Für diese und andere Entdeckungen wurden die ForscherInnen der Bell Laboratories nahezu regelmäßig mit Nobelpreisen ausgezeichnet.
Dies schuf mit der Zeit die Notwendigkeit, einen Raum zu schaffen, der den großen Ambitionen der ForscherInnen und WissenschafterInnen der Labs gerecht werden würde. Ein eigenes Gebäude, das nicht nur ein Dach für die rund 6000 Beschäftigten bieten, sondern vor allem auch die wissenschaftliche Arbeit fördern und einen kreativen Austausch ermöglichen sollte. Ein umfangreiches Projekt, das nach jeder Menge Innovationsgeist verlangte und mit dessen Ausführung in den späten Fünfzigerjahren niemand geringerer als Architekt und Designer Eero Saarinen beauftragt wurde.
Saarinen feierte zu dieser Zeit große Erfolge mit seinen erst kürzlich zuvor abgeschlossenen Arbeiten des General Motors Technical Centers außerhalb von Detroit und arbeitete parallel auch an der Ausführung des IBM Thomas Watson Research Center in Yorktown, New York. Mit dem Baubeginn in 1959 sollte Bell Laboratories aber gleichzeitig auch eines der letzten Projekte des finnischen Architekten werden.
Das Konzept von Bell Labs, vier große Gebäude, die ein gemeinsames Dach und Außenwände teilen, gilt heute als eine bedeutende Errungenschaft der modernistischen Architektur und war eine von Saarinens größten Kommissionen. Durch die verspiegelte Außenfassade und die damit einhergehenden Reflektionen der umliegenden Landschaft scheint sich das Gebäude in seiner Mächtigkeit nahezu aufzulösen. Die einzelnen Bauten laufen im Zentrum der Anlage zusammen und bilden dort den charakteristischen Mittelbereich, der einen Treffpunkt für ForscherInnen aus verschiedenen Abteilungen darstellte. Die Laboratorien, welche den offenen Hauptraum auf mehreren Ebenen umfassten, waren ohne Fenster nach Innen gerichtet. Beim Verlassen der Labore und Betreten des Atriums sollte die großzügige Verwendung von Glas, der Blick auf die umliegende Landschaft und die dort vorhandene Fülle an Licht den in den Labs forschenden Menschen ein Gefühl der Erfrischung und Erholung vermitteln. Durch zusätzliche Erweiterungen des Gebäudes in den Jahren nach der offiziellen Fertigstellung erreichte Bell Labs schlussendlich eine Größe von über 18.500 Quadratmetern und bot somit genügend Raum für den großen Entdeckergeist der Menschen, die dort arbeiteten. Über vier Jahrzehnte lang war das in New Jersey gelegene Innovationszentrum der Geburtsort bahnbrechender Erfindungen.
2007 sollte das damals leerstehende Bell Labs beinahe abgerissen werden, wovon nach eingehenden Protesten der Bevölkerung jedoch abgesehen wurde. 2013 erwarb Somerset Developments das Gebäude und beauftragte den New Yorker Architekten Alexander Gorlin mit der Umwandlung des legendären Forschungszentrums. Gemeinsam mit Paola Zamudio von NPZ Style and Décor, welche sich für die Transformierung des Interiors verantwortlich zeigt, wurde die ehemalige Innovationszentrale in die Multi-Tenant Einrichtung verwandelt, die es heute ist.
Gorlin achtete bei der Umgestaltung vor allem darauf, den ursprünglichen Charakter von Saarinens Arbeit beizubehalten. Die deutlichsten Änderungen wurden im Atrium vorgenommen, wo die massiven Metallwände der ehemaligen Labore entfernt und mit Glasfronten ersetzt wurden, um den jetzigen Büroräumen mehr Licht zu geben. Zwei Vergrößerungen eines Bauhaus-Gemäldes von Josef Albers aus dem Jahr 1929, welche im Hauptraum aus monochromen Porzellanfliesen verankert sind, bilden eine Referenz zu den verschachtelten Gängen und Brückenwegen des Gebäudes. Die röhrenförmigen Sitzelemente, entworfen von Ron Arad, setzen mit ihren markanten Farben nicht nur visuelle Akzente, sondern nehmen in ihrer Körperlichkeit architektonische Elemente des Gebäudes wieder auf.
Zukünftig soll auf dem Dach ein Hotel mit 170 Zimmern eröffnet werden. Und so scheint es, dass Saarinen, selbst wenn er die Eröffnung der Bell Labs niemals selbst miterlebt hat, in New Jersey ein Gebäude geschaffen hat, welches sich ganz im Sinne seiner ursprünglichen Funktion immer wieder neu erfinden lässt. [MS]