Größer, aber keinesfalls großspurig

Ford-Chefdesigner Murat Güler im Interview

All images ©Ford

TEXT SARAH WETZLMAYR

Murat Güler ist Ford-Chefdesigner für den europäischen Markt und maßgeblich für das Exterieur Design der dritten Generation des Ford Kuga verantwortlich. In seiner Arbeit als Designer nimmt der erste Entwurf, also die Grundidee, eine zentrale Rolle ein. Und die kann mitunter schon einmal auf einem Bierdeckel angefertigt werden. 

Chapter Wie ist es Ihnen während der vergangenen Wochen ergangen?

Murat Güler Für mich war es glücklicherweise sehr einfach möglich aus dem Home-Office zu arbeiten, weil wir bei Ford digital sehr gut aufgestellt sind. Wir arbeiten ja schon sehr lange global und sind international ausgezeichnet vernetzt, daher ist diese Form der Arbeit für uns ganz normal. Natürlich war das Ausmaß in den vergangenen Wochen trotzdem ein ganz anderes, weil Arbeit und Familie unter einen Hut gebracht werden mussten. Außerdem bedeutet das Büro für mich immer auch Abwechslung. Der regelmäßige Austausch mit dem Team und mit anderen Designern, aber auch Modelle sehen und anzufassen zu können, all das sind Faktoren, die für meine Arbeit sehr wichtig sind. Das hat mir während dieser Zeit schon sehr gefehlt. Trotzdem haben wir seit März viele Dinge auf den Weg gebracht.

Chapter Wir haben es nun mit der dritten Generation des Ford Kuga zu tun. Was waren die einschneidendsten Veränderungen im Exterieur Design im Vergleich zum Vorgänger? 

Murat Güler Die größten Veränderungen zeigen sich in architektonischer Hinsicht. Der neue Ford Kuga hat eine größere Bereifung, wodurch er deutlich athletischer wirkt. Außerdem ist er etwas flacher und breiter. Diese einzelnen Komponenten machen das Fahrzeug aus architektonischer Sicht viel sportlicher und dynamischer. In Verbindung damit haben wir die Formensprache etwas vereinfacht und Flächen sanfter ausgearbeitet.

 

 

Chapter Gibt es eine spezifische Design-Philosophie oder Vision, die dem neuen Kuga zugrunde liegt?

Murat Güler Bei Ford haben wir eine Design-DNA, die sich stetig weiterentwickelt. Es ist wichtig, dass man sich nicht auf Bewährtem ausruht, Veränderungen an den Fahrzeugen gleichzeitig aber so gestaltet, dass sie immer noch eindeutig als Fahrzeuge der Marke Ford zu erkennen sind. Als der Ford Kuga damals in den USA entwickelt wurde, standen wir mit Moray Callum in intensivem Austausch. Wir wussten aber auch, dass das Fahrzeug von seiner Architektur her noch sportlicher werden würde. Ich glaube, dass es unter anderem auch diese Sportlichkeit ist, die unsere Fahrzeuge in ihrem jeweiligen Segment auszeichnet, weil es sehr knackige, sportliche Fahrzeuge sind. Das wollten wir bei dieser Generation des Ford Kuga noch stärker ausarbeiten. Wenn man dann sieht, wie die Schulter über dem Hinterrad sitzt und wie sich der Faktor der Aerodynamik im Design widerspiegelt, erkennt man sofort das Wechselspiel zwischen Effizienz und Sportlichkeit und die Kombination von Dynamik mit einem muskulösen Körper. 

Chapter Ich denke bei dieser Frage auch ein wenig an einen Satz Ihres Kollegen Jens Sieber: „Der Kunde verliebt sich in das Exterieur und heiratet das Interieur.“ Wie wichtig ist diese erste Emotion?

Murat Güler Ich wage zu behaupten, dass man es sich heutzutage nicht mehr leisten kann, schlechtes oder langweiliges Design zu machen, bei der gleichzeitigen Erwartungshaltung, dass sich das Auto gut verkauft, nur weil eine bestimmt Marke dahinter steht. In jenem Segment, in dem sich der Ford Kuga tummelt, ist der wichtigste Grund für den Verkauf immer noch das Exterieur Design. Das wissen wir aus Kundenbefragungen. Dann kommt der Preis und erst dann kommen Wirtschaftlichkeit und Performance. Das Exterieur Design ist sozusagen der Türöffner. Deshalb fällt diesem Bereich auch immer die große Verantwortung zu, Emotionen beim Kunden zu kreieren. Außerdem sollte das so passieren, dass es auch bei Menschen funktioniert, die keinen Designhintergrund haben. Man sollte also nicht erklären müssen, warum ein Fahrzeug so aussieht, wie es aussieht.

 

 

Chapter Der neue Kuga ist auch etwas größer als die Vorgänger. War das aus rein funktionalen Gründen wichtig? Oder auch aus der Perspektive des Exterieur Designs? 

Murat Güler Ich würde sagen, dass es immer eine Kombination aus beiden Faktoren ist. Als Designer kann ich nicht einfach sagen, dass ich ein Auto größer machen möchte. Dem Nutzen für den Kunden fällt natürlich immer eine Rolle zu, die unbedingt berücksichtigt werden muss. Letztlich ist der Nutzen, der sich beim Ford Kuga ja unter anderem in einem geräumigeren Innenraum ausdrückt, aber auch für das Design da. Der Ford Kuga setzt sich unter anderem auch deshalb von anderen Fahrzeugen desselben Segments ab, weil er von seiner Formensprache her mehr in Richtung Crossover geht und weniger ein SUV ist.

Chapter Was den neuen Kuga außerdem abhebt, ist die sogenannte Flüsterstrategie, also ein besonders leiser Innenraum. Inwieweit fallen hier Fahrerlebnis und Designerlebnis zusammen? 

Murat Güler Wir haben in diesem Punkt sehr eng mit der Abteilung für Aerodynamik zusammengearbeitet und versucht, Störgeräusche zu vermeiden, indem wir im Bereich der Aerodynamik auf größtmögliche Effizienz geachtet haben. Da geht es dann zum Beispiel auch um die Gestaltung der Außenspiegel. In solchen Fällen kann man auch als Exterieur Designer das Fahrerlebnis positiv beeinflussen. Außerdem haben wir versucht, den Ford Kuga so zu gestalten, dass er ruhig aussieht, von seiner Formensprache her also nicht zu „busy“ wirkt, sondern eine gewisse Gelassenheit ausstrahlt. Das setzt sich dann im Interieur Design weiter fort und schließlich auch im Fahrerlebnis.  

Chapter Wie gehen Sie bei Ihren ersten Entwürfen vor? Kommen da ganz klassisch noch Stift und Papier zum Einsatz? 

Murat Güler Wenn Sie mich während unseres Telefonats beobachten könnten, dann würden Sie sehen, dass ich währenddessen skizziere (lacht). Natürlich nutzen wir alle modernen Technologien, weil es aufgrund der weltweiten Vernetzung gar nicht mehr anders möglich ist. So kommen bei uns beispielsweise auch VR-Technologien zum Einsatz. Was mich am Design aber nach wie vor in besonderer Weise fasziniert, ist die Einfachheit. Man kann eine Skizze auch auf einem Bierdeckel oder auf einem Stück Papier machen und gleichzeitig kann diese Idee so stark sein, dass sie später millionenfach produziert wird.  Es hängt also sehr viel an dieser Grundidee. Das sage ich auch immer wieder zu meinen Designern, weil man aufgrund der vorhandenen Technologien schon dazu tendiert, sehr schnell Photoshop-Renderings anzufertigen. Mein Gedankengang ist aber eher, dass ich diese Renderings erstmal nicht brauche, sondern die allererste Inspiration viel wichtiger ist. Und die kommt bei vielen Designern immer noch von der Skizze.

 

 

Chapter Was ist das für ein Gefühl, wenn man die Autos dann auf der Straße sieht? Gab es da schon einmal den ein oder anderen Überraschungsmoment? 

Murat Güler Große Überraschungen gibt es eigentlich nie, weil man die Fahrzeuge ja vorher immer in ihren unterschiedlichen Stadien sieht. Was man aber nicht sieht, ist die Wirkung der Autos im Straßenbild. Das sind dann in der Regel sehr schöne Momente und wenn es Überraschungen gibt, fallen sie eigentlich durchweg positiv aus. Natürlich gibt es immer ein paar Ecken bei einem Fahrzeug, bei denen man denkt, dass man hier und da noch etwas ändern könnte. Dafür sind Designer ja auch bekannt. Darüber hinaus beeindruckt es mich immer wieder aufs Neue, wenn ich die Fahrzeuge dann auch global sehe. Wenn ich eines unserer Autos in China oder in den USA entdecke und mir klar wird, dass ich daran mitgewirkt habe, dann werden meistens sehr schöne Erinnerungen an den Entstehungsprozess in mir wach.

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