Die Autorin und Kunsthistorikerin Agata Toromanoff macht sich in ihrem Buch Brutalism Reinvented – 21st Century Modernist Architecture auf die Suche nach den Neu-Interpretationen des Brutalismus. Egal ob es sich um Türme, Häuser, Appartements oder auch Museen handelt, sie alle verkörpern die grundlegenden Prinzipien der Architekturströmung – Einfachheit, Funktionalität und Rohheit.
Die ArchitektInnen, der zahlreichen im Buch vorgestellten Projekte, schaffen es durchgehend eine gekonnte Verbindung zwischen neuen Bautechniken, innovativen Technologien und bereits bewährten Elementen zu schaffen. Beton-basierte Strukturen werden modern gedacht, erfahren somit eine Re-Konzeptualisierung – durch die zeitgemäßen Kombinationen aus Glas, Metall oder Backstein wird ihnen neues Licht und Leben eingehaucht. Zwei dieser beeindruckenden Bauten wollen wir hier exemplarisch besonders hervorheben.
Spikkestad Church and Cultural Center – Einar Dahle Arkitekter & Hille Melbye Arkitekter
Das Spikkestad Church and Cultural Center in Kopenhagen (Bild oben), entworfen von Einar Dahle Arkitekter und Hille Melbye Arkitekter, hat zahlreiche Funktionen: In ihm befindet sich eine Kirche, ein kulturelles Zentrum, ein Café sowie mehrere Allzweckräume. Um die nötige Ruhe zu gewährleisten, befinden sich die spirituellen und kulturellen Einrichtungen im zweiten Stock des Gebäudes. Die Decke des dort untergebrachten, auf den ersten Blick monumental wirkenden Kirchenraums, wird unter anderem von betonierten, auf Säulen ruhenden Balken getragen, die allerdings gleichzeitig Gänge und kleine Raumteilungen schaffen und dem bewusst reduziert gehaltenen Raum mehr Wärme verleihen. Obwohl die Außenfassade des Baus von rot-braunen Ziegelsteinen dominiert wird, ist der wahre Blickfang jedoch die Ost-Fassade: Hoch in den Himmel ragend, erinnert sie sowohl an traditionelle Kirchen-Formen als auch an die Kamine der ehemaligen Spikkestad Ziegelfabrik, die auf dem Nachbar-Grundstück situiert war.
Gijang Waveon – Heesoo Kwak & IDMM Architects
Gijang Waveon in Südkorea wurde 2016 von Heesoo Kwak und IDMM Architects gebaut. Das Strand-Café in Gijang-Gun, Busan, umgeben von Pinien-Bäumen und niemals endendem Blau, stellte die ArchitektInnen vor die immer herausfordernde Aufgabe etwas Neues zu erschaffen, das sowohl mit der Landschaft harmoniert, als auch durch seine ganz eigene, künstliche Eleganz bestehen kann. Um das Projekt in die Topographie einzubinden, entschieden sie sich dazu ein skulpturales Gebäude zu erschaffen, das von jedem Blickwinkel aus betrachtet anders aussieht. Aufgrund der scharfen Kanten, glasierten Wände und großen Proportionen wirkt Gijang Waveon dennoch sehr leicht und integriert sich so perfekt in die natürlich gegebene Landschaft des Küstengebietes an. Der Ausblick aufs Meer rundet dabei den kulinarischen Genuss ab.
Pueyrredón 1101 Building – Estudio Pablo Gagliardo
Mit seinem 2017 in Rosario, Argentinien, errichteten Gebäude Pueyrredón 1101 schafft das Architekturbüro Estudio Pablo Gagliardo eine hoch über der Stadt ragende Illusion: Durch das Spiel von Leere und Volumen scheinen die einzelnen Wohnungsblöcke zu schweben, die Sonneneinstrahlung bringt die Texturen des Baumaterials zur Geltung und lässt diese, je nach Tageszeit, jedes Mal anders aussehen. Riesige Fensterfronten öffnen das Gebäude nach Außen und nehmen dem, in der visuellen Tradition des Brutalismus nahestehendem Gebäude, die strenge Härte eines Betonbaus – dazu trägt auch die Begrünung im Eingangsbereich und auf zahlreichen Balkonen bei. Pueyrredón 1101 zählt zu einem der modernsten Gebäude in Argentinien. [AH]
Brutalism Reinvented – 21st Century Modernist Architecture von Prestel, Hardcover, 21 x 27 cm, 240 Seiten