Geradlinig und visionär

Chapter »Bookshelf«: Roots and Wings

Peter Schreyer gab der koreanischen Marke Kia ein neues Gesicht, ohne dabei sein eigenes zu verlieren. Wie Roots and Wings, ein umfassender und bilderreicher Band über den Ausnahmedesigner zeigt, ist die gerade Linie tatsächlich oft der beste, wenn auch nicht immer der einfachste Weg.

»I made a drawing that consisted of a single line«, erinnert sich Peter Schreyer, Chief Design Officer bei Kia Motors, im Buch Roots and Wings, kürzlich erschienen im gestalten Verlag, das die Entstehung seiner 15 eindrucksvollsten Entwürfe beleuchtet. Er fügt hinzu: »Then a phrase came to my mind – I don’t know if I’d heard it somewhere else before or not – and I wrote it on the drawing: ›Simplicity of the Straight line‹.« Diese im Buch abgebildete Zeichnung präsentierte er damals, kurz nach seinem Einstieg bei Kia im Jahr 2006, dem damaligen Präsidenten der Kia Motors Corporation Euisun Chung. »It was intended to act as a symbol of my way of thinking and as a statement of what I wanted to achieve at Kia«, so der vielfach ausgezeichnete Designer, der eine Bilderbuchkarriere im VW-Konzern hinlegte, bevor er kurzerhand die Chance ergriff, die Marke Kia gestalterisch umzukrempeln.

Es wäre also naheliegend, dieses von ihm entwickelte Credo auch auf seine Karriere umzulegen und relativ frei mit »Alles lief wie am Schnürchen« zu übersetzen. Doch so einfach ist die Sache nicht, wie Roots and Wings mit vielen Bildern und Geschichten aus dem Leben und Schaffen des Designers zeigt. Eines liest man aus den Texten aber auf jeden Fall heraus – nämlich die Geradlinigkeit, Klarheit und Bodenständigkeit, die den 1953 in Bad Reichenhall geborenen Automobildesigner zu einem der besten seines Fachs machen.

Das neue Gesicht, das er der Marke Kia gab, markiert einen dieser Umbrüche, der zum damaligen Zeitpunkt – Schreyer hatte damals gerade die Position des VW-Konzerndesignchefs inne – auch für viel Unverständnis in der Branche sorgte. 2007 präsentierte er die neue gestalterische Ausrichtung mit dem »Kia Kee Concept«, der als erstes Auto die für die Marke typisch gewordene Front – die sogenannte »Tiger Nose« – aufwies. »We wanted to create a frontal element so strong, that you wouldn’t even need the Kia Badge as an identifier«, so Schreyer. Und es gelang ihm.

Die Tigernase ist jedoch nur einer vieler Fußabdrücke, die Peter Schreyer bisher im Automobildesign hinterlassen hat. Mit dem Audi A2, dem Audi TT oder dem VW Beetle prägte er auch andere Marken nachhaltig. Dafür verlieh ihm das Royal College of Art, wo er auch studierte, 2007 die Ehrendoktorwürde. Damit ist Schreyer nach Sergio Pininfarina und Giorgetto Giugiaro erst der dritte Automobildesigner, dem diese Auszeichnung zuteilwurde. Für Roots and Wings hat Schreyer erstmals eine Liste seiner fünf wichtigsten Designprinzipien formuliert.

Was es sonst noch über Peter Schreyer zu erzählen gibt? Sehr viel. Sehr, sehr viel sogar. Unter anderem, dass er im Alter von vier Jahren bereits Autos malte oder, dass er in den 1980er Jahren bei Audi Schlittenrennen organisierte, bei dem die wichtigsten Automobildesigner dieser Zeit mitmachten. Und natürlich darf auch seine Liebe für die Kunst der Dadaisten nicht unerwähnt bleiben. In Roots and Wings werden nicht nur sehr bilderreich, sondern auch mithilfe vieler Geschichten und Anekdoten sämtliche Aspekte einer beeindruckenden Karriere ausgeleuchtet. Erschienen im gestalten Verlag.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Roots and Wings. Peter Schreyer: Designer, Artist and Visionary von gestalten, Hardcover, 21 x 26 cm, 208 Seiten