Formvollendete Exzellenz

Der Rolls-Royce unter den Rolls-Royce

Photo Credits: Rolls-Royce Motor Cars

Im Juni 2022 präsentierte Rolls-Royce den neuen Phantom Series II – das neue, optisch wie technisch dezent überarbeitete Modell des ikonischen Phantom – in der malerischen Kulisse der Côte d’Azur. Zu diesem Anlass trafen wir Sina Maria Eggl, Coachbuild Designerin bei Rolls-Royce Motor Cars zum Gespräch. Was den Phantom aus ihrer Sicht als bestes Auto der Welt auszeichnet, wie sie als junge Frau bei Rolls-Royce Karriere macht und welche extravaganten Ideen sie bereits realisiert hat, erzählte uns die Designerin im Interview.

 

Chapter Du hast in jederlei Hinsicht einen besonders spannenden Job. Wie sieht Deine Arbeit als Coachbuild Designerin bei Rolls-Royce aus?

Sina Maria Eggl Coachbuild Design gilt als exklusivster Bespoke Bereich – als automotives Äquivalent zur Haute Couture. Bei uns ist das ein »by Invitation only« Service. Das heißt, wir laden Menschen, die etwas Außerordentliches geschaffen haben und die wir als Marke bewundern, dazu ein, zusammen mit uns ein komplett neuartiges und einzigartiges Auto zu designen und damit Automotive-Geschichte zu schreiben. Ich bin als Coachbuild Designerin spezialisiert auf Color and Trim und kümmere mich um alle Materialien, Formen und Finishes. Meine Aufgabe ist es, jegliche Art von Individualisierung zu ermöglichen. Dafür reise ich um die ganze Welt um meine Kunden und Kundinnen zu besuchen, an inspirierenden Orten zu treffen oder in Goodwood zu begrüßen. Wir besprechen von der ersten Skizze bis zum fertigen Automobil jedes Detail gemeinsam und haben auch zwischen den Treffen einen sehr engen Austausch.

Chapter Abgesehen von deinen Design-Kompetenzen, welche Skills muss man dafür noch mitbringen?

Sina Maria Eggl Was das Rolls-Royce Team insgesamt auszeichnet, ist Perfektion auf jedem Level zu liefern. Als Coachbuild Designerin muss ich zudem ein riesiges Verständnis für Kontext haben, verschiedenste kulturelle Gegebenheiten bedienen können, ein perfektes Level von Etikette beherrschen und eine enorme Beobachtungskraft mitbringen. Wenn ein Kunde oder eine Kundin mich an einen Ort bringt, der ihn oder sie gerade inspiriert, muss ich sofort verstehen können was genau es ist, das die Inspiration auslöst, was ich darüber hinaus aufnehmen kann, wie ich es in das Projekt reininterpretieren kann. Das können auch ganz kleine Details bei einem Dinner wie das Muster auf einer Serviette sein, die ich versuche, sofort abzuspeichern. Und darüber hinaus braucht man eine enorme soziale Intelligenz. Unsere Kunden und Kundinnen kommen aus verschiedenen Altersklassen, Kulturen und Nationalitäten. Jeder und jede will eine andere Aussage mit seinem bzw. ihrem Automobil treffen, von expressiv bis ruhig, das muss sofort verstanden und umgesetzt werden. Ich muss natürlich den Lifestyle der Kunden und Kundinnen, den sie in das Automobil implementieren wollen, verstehen, wertschätzen und in das Design übersetzen. Ich kann nicht das liefern, was er oder sie schon kennt, sondern versuche noch eins drauf zu setzen und zu überraschen, damit er oder sie diesen Wow-Effekt hat. Wichtig ist auch, dass wir ein sehr freundschaftliches Verhältnis zu unseren Kunden und Kundinnen hegen. Wir wollen, dass sie vor uns kein Blatt vor den Mund nehmen müssen. Es ist ein intensives Zusammenspiel aller Disziplinen.

Chapter Wie ist es für dich als junge Frau in einem traditionsreichen Unternehmen, in einer von Männern dominierten Branche zu arbeiten?

Sina Maria Eggl Ich bin mit 22 – also sehr jung – zu Rolls-Royce gekommen und bin für den Bereich Color and Trim zuständig, das ist natürlich eine große Aufgabe. Ich bin stolz darauf, was ich in den jungen Jahren zusammen mit dem Team alles geschafft habe. Als junge Frau wurde ich hier von Anfang an sehr gefördert. Bei uns wird Fleiß, Perfektion, höchste Qualität, Zuverlässigkeit und Vertrauen sehr geschätzt und auch belohnt. Ich sage immer: hard work beats talent if talent doesn’t work hard. Alle Designer und Designerinnen bei Rolls-Royce ruhen sich nicht auf ihrem Talent aus, sondern sind absolute High Performer in Sachen Arbeitskultur. Der Anteil der weiblichen Designerinnen nimmt immer stärker zu, was wirklich schön ist. Die Frauen, mit denen ich schon jetzt zusammenarbeite, sind wahre Inspirationen in Sachen Geschmack, Motivation, Talent, Grazie und vor allem Zusammenarbeit. Es sind hochgradig beeindruckende Frauen und wir sind alle befreundet. Man kann sehr viel von ihnen lernen und das tue ich jeden Tag.

 

 

Chapter Wie würdest du deinen eigenen Designstil beschreiben?

Sina Maria Eggl Ich liebe minimalistische und vor allem zeitlose Eleganz, die aber qualitativ maximal hochwertig sein muss. Ich kaufe lieber wenig, aber dafür sehr Hochwertiges. Neben minimalistischen Formen mag ich sehr rauchige und schwere Farben. Das ändert sich aber auch wieder.

Chapter Woher bekommst du neue Ideen und Inspiration?

Sina Maria Eggl Ein Spruch von Konfuzius lautet »Everything has beauty, but not everyone sees it«. Da muss ich immer dran denken. In meinem Kopf ist es wie in einer riesigen Bibliothek an Eindrücken. Ich kann mich zum Beispiel in einem Restaurant plötzlich wahnsinnig für das Besteck begeistern, das sich mir dann einprägt. Oder ich bekomme Ideen auf Reisen oder von anderen Designobjekten.

Chapter Lass uns über den soeben an der Cote d’Azur präsentierten Phantom Series II sprechen. Ihr bezeichnet den Phantom als den »Rolls-Royce unter den Rolls-Royce«. Was macht ihn so besonders?

Sina Maria Eggl Der Phantom ist ein legendäres Meisterstück, die Ikone für Ikonen und ein wundervolles Beispiel für die Evolution von beispiellosem Design. 1925 wurde der erste Phantom kreiert und seitdem ist er das Opus Magnum der Marke, der absolute Höhepunkt von Luxus, der mutige und originelle Designaussagen reflektiert. Der Phantom hat eine eindrucksvolle Präsenz, die in jedem Fall für sehr viel Aufmerksamkeit sorgt und für uns ist er die Leinwand für Personalisierung durch unser Bespoke Programm. Von unseren Kunden und Kundinnen hören wir immer wieder, dass wir den Phantom nicht verändern sollen und dementsprechend waren wir in einem kleinen Dilemma, weil wir im Designteam zur Überzeugung gekommen sind, dass es notwendig ist, nach der absoluten, ultimativen Perfektion zu streben. Deswegen haben wir kleine Designelemente am Auto hinzugefügt, die es nun absolut vollenden. Eines meiner absoluten Highlights sind dabei die neuen Frontleuchten. Die Idee entstand eines Abends im Designstudio, als das Interieur des Phantoms mit dem wundervollen ikonischen Sternenhimmel beleuchtet war und wir die Reflexion auf der Motorhaube sahen. Wir wussten, wir müssen das ins Exterieur bringen und haben in jeder Frontleuchte 580 gelaserte Sterne integriert, die wundervoll funkeln. Wenn man sich bewegt, sieht man auch Sterne, die wieder verschwinden oder erscheinen. Das ist ein tolles Feature. Natürlich begeistert mich auch unser neuer Exterieur Farbton Olivin, der zuerst fast schwarz erscheint, aber im Sonnenlicht ein ganz reiches Grün mit einem Gold-Sparkle offenbart. Das ist ganz fantastisch und magisch, weil man das erst auf den zweiten Blick erkennt. Dark Amber Wood ist das wundervolle Veneer, in das Kupfer gebürstet wurde. Das finde ich auch großartig weil es plötzlich anfängt zu funkeln. Und ich bin ein riesiger Fan von unseren Disc Wheels, weil sie die Romantik aus den 1920er Jahren zurückbringen. Sie sind minimalistisch, klassisch, elegant und zugleich super modern. Wenn man das Auto fahren sieht, scheint es fast zu schweben und ich mag den soliden Klang der Materialität. 

 

 

Chapter Du bist ja eine Spezialistin für Farben. Wie entstehen diese bei euch?

Sina Maria Eggl Beim Start eines neuen Projekts führen wir immer zuerst einen Character Workshop mit den unterschiedlichen Disziplinen aus Design, Vertrieb, Marketing und Engineering durch und treffen uns der Inspiration wegen dafür in einer anderen Stadt. Wir führen über mehrere Tage sehr intensive Diskussionen, um das Auto zu definieren. Im Anschluss versucht jedes Team auf seine Weise dieses Thema zu interpretieren. Dabei müssen natürlich auch Exterieur und Interieur Farben definiert werden und wir erstellen Moodboards, zum Charakter der Person, die das Auto fahren soll, zum Charakter des Autos selbst, zum Lifestyle des Kunden bzw. der Kundin, bis wir die Essenz erlangt haben, die wir haben wollten. Dann geht es dran, diese Erkenntnis in eine wirkliche Farbe zu mischen, dieser Prozess ist sehr aufwendig, denn wir wollen die perfekten Effekte und Expressionen erreichen. Da vergehen Jahre. Mit den Lacken besprühte Bauteile werden dann in verschiedenen Lichtsituationen getestet, bis sie perfekt sind.

Chapter Zu eurer Kundschaft gehören ja auch immer mehr Frauen. Haben diese eigentlich andere Wünsche an das Design als Männer?

Sina Maria Eggl Generell ist es so, dass unsere Kunden immer jünger werden und von der Modernität und Perfektion, die Rolls-Royce vermittelt, stark angezogen werden, was uns dann wiederum inspiriert. Und ja, es sind immer mehr junge Frauen unter unseren Kunden, was ich toll finde. An der Cote d’Azur hatte ich das Privileg, zwei jungen Frauen, die bereits unsere Kundinnen sind, den Phantom zu präsentieren und sie waren besonders beeindruckt von der Romantik der Autos, vom Sternenhimmel, den Sternen in den Frontleuchten, von der Weichheit der Materialien auf der Haut. Vor allem junge Frauen haben Spaß daran, ihr Auto genau an ihren Lifestyle anpassen zu können. Ich habe mit Frauen aber auch die tollsten Diskussionen über Felgen und Motorleistung. Sie haben einfach einen anderen Blick auf die Dinge und erst wenn dieser Blick in das Design hineingearbeitet wurde, ist es perfektioniert.

Chapter Welche besonders exklusiven, aufwendigen oder außergewöhnlichen Designwünsche hast du bereits realisiert?

Sina Maria Eggl Bei der Phantom Gallery »Immortal Beauty« wollten wir mit einem besonderen Material arbeiten und haben uns auf Porzellan geeinigt – denn kaum etwas ist zerbrechlicher als Porzellan. Wir wollten eine englische Rose aus Porzellan in das Auto integrieren, die Rolls-Royce in seiner Geschichte, Herkunft, Ästhetik und Symbolkraft widerspiegelt. Also haben wir uns vom besten Rosenzüchter Englands in einem sehr langen Prozess diese Rose züchten lassen. Sie hatte wirklich die perfekte Form. Wir haben sie dann in Deutschland aus Porzellan herstellen lassen und sie in der Galerie des Phantom integriert. Das war eine tolle, besondere Herausforderung für uns. Eine zweite spannende Geschichte ist erst kürzlich passiert, beim Launch des Boat Tail Chapter Two. Unser Kunde wollte mit dem Auto eine Hommage an seine Familiengeschichte kreieren, die eine besondere Affinität zu Perlen hat. Zum ersten Meeting brachte er diese kleinen Säckchen aus Samt mit, darin befanden sich traumhaft schöne Perlen, das war einzigartig. Uns wurden nur die besten Perlen präsentiert und davon sollte das Auto inspiriert sein. Also haben wir die Perlen zusammen mit Rosé Gold in die Bedienelemente und die Galerie des Autos eingearbeitet und aus der Farbe der Muschel die Exterior Farbe kreiert. Das war eine der aufwendigsten Lackentwicklungen in der Geschichte von Rolls-Royce. Denn wir mussten nicht nur die Farbe treffen, sondern auch die eindrucksvollen Effekte, die diese Muscheln zeigen. Es war eine riesige Herausforderung, die sich sehr gelohnt hat, denn der Boat Tail hat so eine große Begeisterung ausgelöst. Zum Abholtermin kam der Kunde mit seiner gesamten Familie. Dass es für sie ein so emotionaler Moment war, hat mich auch sehr berührt – ich hatte Tränen in den Augen. Es ist natürlich immer ein toller Moment, wenn der Designprozess abgeschlossen und das Auto fertig ist, aber wenn die Familie so staunt und es nicht fassen kann, das ist einzigartig. Die Kunden und Kundinnen wissen ja jederzeit, wie sich das Design entwickelt, aber als sie am Schluss das fertige Gesamtkonzept sahen, waren sie überwältigt. Auch von den Kindern das schöne Feedback zu bekommen war fantastisch. Das war einfach ein sehr schöner Moment für mich. [BK]

Designerin Sina Maria Eggl