Es werde Licht

»Chapter Bookshelf«: Where Today Meets Tomorrow: Eero Saarinen and the General Motors Technical Center

Photo Credits: Collection of the General Motors Media Archive

Das General Motors Technical Center in Michigan wurde 1956 eröffnet und gilt heute als Architekturikone. In ihrem Buch nimmt die ehemalige GM-Designerin Susan Skarsgard den Entwurf Eero Saarinens unter die Lupe und beleuchtet die Entstehung des Gebäudekomplexes, der vor allem in Sachen Lichtdesign neue Maßstäbe setzte. 

Photo Credits: James Haefner

»Always design a thing by considering it in its next larger context — a chair in a room, a room in a house, a house in an environment, an environment in a city plan«, lautete einer der Leitsprüche des 1950 verstorbenen Architekten und Stadtplaners Eliel Saarinen. Diesen Designansatz übernahm sein Sohn Eero Saarinen und ließ ihn in eines seiner wichtigsten Projekte, den General Motors Technical Center in Michigan, einfließen. Der 1956 eröffnete Gebäudekomplex, der heute als einer der wichtigsten Entwürfe seiner Zeit gilt, fasziniert vor allem durch seinen besonderen Umgang mit Licht. In ihrem bilderreichen Buch Where Today Meets Tomorrow bringt die ehemalige GM-Designerin und Gründerin des GM Design Archive Susan Skarsgard Licht in die Geschichte seiner Entstehung. Außerdem widmet sie sich in ihrem Buch all den wichtigen architektonischen Details des Technologiekomplexes. Unter anderem seinem ausgeklügelten Lichtdesign, das aus der Zusammenarbeit Saarinens mit dem berühmten Lichtdesigner Richard Kelly entstand. 

 

Photo Credits: Balthazar Korab

An den Anfang ihres Buches stellt die Autorin und Designerin die Geschichte des Automobilkonzerns, zu dessen Designabteilung sie ab 1994 gehörte. Auch die Lebensläufe der beiden Saarinen-Architekten beleuchtet sie genau, bevor sie sich in den darauffolgenden Kapiteln mit Entstehung und Wirkung des GM Technical Centers beschäftigt. In seinem Vorwort beschreibt Kevin Roche, der Anfang der Fünfzigerjahre Jahre Saarinens Mitarbeiter wurde und zuvor bei Mies van der Rohe studiert hatte, die Atmosphäre vor Ort folgendermaßen: »Their combined efforts resulted in a completely original concept of assembling a group of workers with wide-ranginginterests and housing them in separate buildings according to their specialties in such a way as to create a research village — a technical and design community.«

Vielfalt in der Einheit 

Seinen gestalterischen Ausgangspunkt beschrieb Eero Saarinen als einen von Mies van der Rohe und Albert Kahn geprägten: »The architecture attempts to find its eloquence out of a consistent and logical development of its industrial character. It has been said that in these buildings I was very much influenced by Mies. But this architecture really carries forward the tradition of the American factory buildings which had its roots in the Middle West in the early automobile factories of Albert Kahn. Certainly, the scale of building, the rigorous grid, and the stark simplicity of forms of the General Motors Technical Center recall Kahn’s designs for Highland Park and River Rouge.« Saarinen spielte in seinem Entwurf mit einem strengen Fünf-Fuß-Raster, vermied aber Monotonie durch leichte Unterschiede im Design. Vielfalt in die Einheit zu bringen, betrachtete der Architekt als eine seiner wichtigsten Aufgaben. Gestalterisch gehörte ein möglichst gut durchdachtes Lichtsystem – vor allem im großen GM-Zeichenstudio – zu den größten Herausforderungen. Um ein möglichst produktives und gleichzeitig ästhetisch ansprechendes Umfeld zu schaffen, sollte der Raum möglichst klar konturiert und gleichzeitig mit einem maximalen Lichtfeld ausgestattet sein. Das diffuse Licht, das auf diese Weise entstand, kam den MitarbeiterInnen vor allem beim Zeichnen zugute. Außerdem verlieh es dem Raum Leichtigkeit, Höhe und Leuchtkraft. Der mit den Lichtdecken verbundene Mangel an Kontrast wurde später – vor allem bei der Verwendung in Büroräumen – stark kritisiert. »Visuelle Monontonie« lautete der Vorwurf. 

 

Photo Credits: Collection of the General Motors Media Archive

Ein dreidimensionales Schachspiel

Für General Motors bedeutete die Fertigstellung des Campus die Verwirklichung eines großen Traums, den die beiden großen GM-Führungspersönlichkeiten Alfred P. Sloan und Charles Kettering 1944 erstmals formulierten: Alle zu General Motors gehörenden Produktentwicklungsaktivitäten an einem zentralen Ort und in hochmodernen Einrichtungen zu bündeln. Technologischer Fortschritt, von der Forschung über die Konstruktion bis hin zum Design, sollte an diesem Ort ein einzigartiges Zuhause finden. 

Die Zusammenführung unterschiedlicher Tätigkeitsfelder war für Eero Saarinen Anreiz und Herausforderung gleichermaßen. So sagt er über seine Arbeit als Architekt: »Architektur ist wie ein wundervolles dreidimensionales Schachspiel. Jeder Zug oder Entscheidung wirkt sich auf alle anderen Züge und Entscheidungen aus. Man muss ständig an alle Teile denken und mit allen Teilen gleichzeitig jonglieren.« Die Automobilindustrie war für ihn die perfekte Metapher, um modulare Konstruktionsverfahren zu entwickeln, die einen flexiblen architektonischen Montageprozess basierend auf klaren technischen Anforderungen ermöglichten. 

 

Photo Credits: Collection of the General Motors Media Archive

Gemeinsam mit seinem Team gelang es Eero Saarinen bei der Gestaltung des GM Technical Centers, Schönheit mit menschlichen Anforderungen und architektonischem Ausdruck zu verbinden. Das Licht von oben – gleich ob direkt oder indirekt – führte zu komfortablen, ruhigen und ikonischen Räumen. Saarinens Einfluss ist in der zeitgenössischen Architektur immer noch spürbar. So war die ikonische Kuppel eine wichtige Referenz, als Foster + Partners die Apple Stores neu gestalteten und im Zuge dessen mit leuchtenden Decken ausstatteten. Susan Skarsgards große Faszination für das General Motors Technical Center scheint ihrem eigenen Designcredo zu entspringen: »When the underlying intellectual concept is provocative, important and the human response is from talented hands: to me, that’s when art happens.« 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Where Today Meets Tomorrow ist 2019 im Verlag Princeton Architectural Press erschienen.