Leise Wellen schlagen

Yacht Design: Visuelle Stille auf modernen Luxusyachten

Exterior of Das Konzept X2 — EXplore X EXperience concept yacht by Fulvio De Simoni and Pininfarina, blending automotive design and contemporary architecture.
Das Konzept X2 — EXplore X EXperience vereint © Pininfarina

Text Sarah Wetzlmayr

Es gab Zeiten, in denen Luxusyachten primär durch ihre Opulenz und gestalterische Überfrachtung auffielen. Heute ist das anders — Reduktion und Klarheit prägen das moderne Yacht Design. Bei führenden Herstellern wie Wally, Riva oder Heesen ist man zusehends bemüht, hochkomplexe Systeme hinter ruhigen Flächen und klaren Linien verschwinden zu lassen. Mit dem Ziel, visuelle Stille zu erzeugen.

»Sprezzatura« — aus der Tiefe des scheinbar unendlichen Wortmeeres birgt Felix Kilbertus, Chief Creative Officer bei Pininfarina, einen fast vergessen Begriff der italienischen Sprache, der auf perfekte Weise zusammenzufassen scheint, worauf es bei der Gestaltung von modernen Luxusyachten ankommt. »The idea of a kind of effortless grace, often described as the art of making something difficult look easy, or maintaining a nonchalant demeanour while performing complex tasks«, erklärt der Designer im Gespräch mit Chapter — und ergänzt: »This for me is the essence of luxury boating, something to be experienced as effortless simplicity, while very hard to obtain in reality, necessitating countless systems in the background constantly engaged to create this sensation of freedom and simplicity.«

Yacht Design Exterior of wallywind110 by Wally sailing luxury yacht with clean, safe deck layout by Santa Maria Magnolfi.
©️ Gilles Martin-Raget

 

wallywind110: »The clean deck layout is born from safety and practicality, ideas that have been part of Wally’s DNA since the very beginning«, erklären uns die verantwortlichen Designer des renommierten Designstudios Santa Maria Magnolfi.

 

Hochkomplexe Technologie auf eine Weise zu verpacken, die genau diese Mischung aus Mühelosigkeit und Eleganz vermittelt, ist eine der größten Herausforderungen bei der Gestaltung von Luxusyachten. Zugleich geht genau davon aber auch ein besonderer Reiz aus, wie Designer und Designerinnen immer wieder bestätigen. »Today, this means integrated technology, invisibly deployed, providing function without friction. Smart technology that disappears into the user experience, from cybersecurity to intuitive control systems using voice, gesture, or AI-assisted automation. Most relevantly, however, clients demand seamless connectivity for hybrid work, entertainment, and immersive audio-visual systems, integrated lighting design, and responsive climate control«, setzt Felix Kilbertus seine Ausführungen fort. Der gebürtige Österreicher ist seit 2023 CCO der italienischen Designschmiede, davor war er als Head of Exterior Design bei der britischen Luxusautomarke Rolls-Royce tätig. Seit den 1960er Jahren mischt Pininfarina auch bei der Gestaltung von Yachten mit, zuletzt entwickelte das renommierte italienische Designstudio das Interior der vielbeachteten Segelyacht Wallycento Tango von Wally.

REDUKTION
AUF DAS
WESENTLICHE

Geht es um radikale Reduktion, kommt man nicht umhin, über die 1994 von Luca Bassani aus der Taufe gehobenen Werft Wally zu sprechen. »The industry has absorbed many lessons from the radical reductionism pioneered by Wally and designer Luca Brenta at the turn of the century. This rupture with traditional nautical recipes and bringing in a sense of deep beauty has raised the bar considerably for the entire industry «, ist auch Felix Kilbertus überzeugt. Valentina Magnolfi und Federico Santa Maria, das Duo hinter dem renommierten Designstudio Santa Maria Magnolfi, arbeiten eng mit Wally zusammen. Reduktion sei ihrer Ansicht nach jedoch nicht der richtige Begriff für ihre Arbeit, sondern »rigor«, also eine gewisse Formstrenge, wie Magnolfi und Santa Maria erläutern. Diese Strenge stünde jedoch in keinerlei Widerspruch zu Luxus, Komfort und Sicherheit, fügen sie hinzu. »Our work is based on a concept of essentiality, one that begins with the idea of being aesthetically coherent and respectful of the environment in which the object is meant to exist: the sea.«
Die Entscheidung, komplexe technische Komponenten zu verstecken, hätte zudem nicht nur ästhetische Gründe, sondern sei auch sicherheitsrelevant, wie das in Mailand beheimatete Designduo im Interview mit Chapter erklärt. »The clean deck layout is born from safety and practicality, ideas that have been part of Wally’s DNA since the very beginning. On the wallywind110, for instance, elements such as mooring areas, air outtakes, control panels and chartplotter screens are all integrated within the bulwarks. When not in use, nothing is visible, preserving the purity of the lines.«

Yacht Design Interior and cabin design of wallywind110 by Wally sailing luxury yacht with clean, safe deck layout by Santa Maria Magnolfi.
©️ Toni Meneguzzo
Deck and interior design of wallywind110 by Wally sailing luxury yacht with clean, safe deck layout by Santa Maria Magnolfi.
©️ Gilles Martin-Raget

 

Wally ist für Luxusyachten mit herausragender Gestaltung wie auch Technologie und Leistung bekannt. Die Segelyacht wallywind110 bietet mit ihren breiten Decks zudem auch weitläufig elegante Unterhaltungs- und Entspannungsbereiche — ergänzt durch ein lichtdurchflutetes Interieurkonzept mit klarer Formsprache.

 

Das Ziel sollte ohnehin nie einfach das Verstecken von Technologie sein, erklärt auch das Designteam der niederländischen Werft Heesen. Vielmehr ginge es darum, klare Linien zu schaffen und auch Technologie möglichst nahtlos zu integrieren. Wenn sich ein technologisches Detail in die Gesamtästhetik der Yacht einfügt, könne es ruhig auch zu sehen sein. »The core principle is that complexity should serve simplicity, creating an environment of effortless elegance for the owner.«
Auch das für die traditionsreiche italienische Werft Riva arbeitende Designteam hebt die »purity of lines« als erklärtes Ziel hervor. Wenn es nach ihnen geht, soll jedoch auch die Tatsache, dass ein klares, aufgeräumtes Design in hohem Maße zur Sicherheit an Bord der Yacht beiträgt, nicht unerwähnt bleiben: »In a nutshell: Cleanliness facilitates this ease of use.« Der Wunsch, durch Reduktion größtmögliche Harmonie zu erreichen, schließe allerdings nicht aus, dass manchmal auch bewusst technologische Features in den Fokus gerückt werden können. »Just think of the control panels that nowadays are increasingly integrated and equipped with touch screen displays. They are often very attractive to look at — even on small boats — and becoming part of the on-board experience.« Das bewusste Verbergen von Technologie passiere hingegen beispielsweise bei technischen Elementen, die zwar für die Sicherheit und die Navigation notwendig sind und daher nicht beseitigt werden können, die aber, wenn sie offen liegen, die Eleganz des Profils einer Yacht beeinträchtigen können. Als Beispiel nennt das Riva-Designteam Kräne für Yachttender, also für jene kleinen Beiboote, mit denen größere Yachten häufig ausgestattet sind. »They are often hidden from view in specially designed niches«.

Yacht Design exterior of Heesen Irisha, 51-meter smart-custom motor luxury yacht by Harrison Eidsgaard.
© Courtesy of Heesen Yachts

 

Ein  Beispiel  moderner Luxusarchitektur auf  dem Wasser:
Die Heesen Irisha — eine 51 Meter lange Smart-Custom-Motoryacht, entworfen vom britischen Designstudio Harrison Eidsgaard.

 

Auch bei Heesen, einer niederländischen Marke für maßgefertigte Superyachten, steht Reduktion im Mittelpunkt — allerdings nicht im Sinne gestalterischer Sterilität. Auf unsere Frage, ob dem Wunsch nach Klarheit und Reduktion nicht auch die Gefahr innewohne, ein Gefühl von Kälte zu erzeugen, winkt das Heesen-Designteam rasch ab. Das Gegenteil sei der Fall, ist man überzeugt. »A minimalist approach isn’t about creating a cold or empty space, but about setting a stage. It allows the owner’s personality, art collection, and way of life to become the central focus. The emotion comes from the quality of the light, the texture of the materials, the connection to the sea, and the freedom the space provides — not from excessive decoration.«
Felix Kilbertus teilt diese Ansicht und bringt zusätzlich die Frage nach dem Wesentlichen ins Spiel: »I believe that the most memorable things are essential, often deceivingly simple. Just think of portrait photography — you want to capture the essence of a person, but in all its complexity. It’s like a melody, where too many notes can distract, especially when the hierarchy between the main theme and supporting texture isn’t clearly expressed.«

ELEGANZ
STATT
OPULENZ

Die Wurzeln dieses klar erkennbaren Bedürfnisses nach Klarheit und Reduktion liegen für das Heesen-Designteam eindeutig in der Sehnsucht nach Ruhe in einer Welt, die von andauernder Erreichbarkeit und konstanter Überstimulation geprägt ist. »The yacht is a sanctuary. Purity and freedom in design — clean lines, open spaces — foster a profound sense of relaxation. Our clients seek to spend time on their yacht to escape the noise of the world, and a minimalist, considered design is the foundation for that serene experience.«
Felix Kilbertus stimmt zu — moderne Yachten sind längst keine schwimmenden Paläste mehr, sondern Rückzugsorte, denen die Möglichkeit echter Verbindung — mit Familie, Freunden und der Natur — eingeschrieben ist. Ganz im Sinne von: »Reduction is the tool to get to what truly matters.«

Interior and staircase of the M/Y ULTRA G by Heesen Yachts, 60-meter aluminum luxury superyacht reaching 37 knots.
© Courtesy of Heesen Yachts

 

Heesen’s Ultra G Luxus-Motoryacht: Das Interior wurde vom britischen Studio Harrison Eidsgaard entworfen.
Ein Highlight ist die Wendeltreppe, welche alle vier Decks miteinander verbindet.

 

Nicht nur mitschwimmen, sondern getrost Wellen schlagen, aber bitte etwas leiser als bisher, könnte das Credo modernen Yachtdesigns lauten. Diesem oder einem ähnlichen Ansatz scheint sich auch der französische Architekt und Designer Philippe Starck bei der Gestaltung seiner Superyachten verschrieben zu haben. Als »uncompromised« beschrieb Luca Bassani in einem Interview die von Starck gestaltete und ingesamt 119 Meter lange Motor Yacht A. »Everything is hidden, everything is closed. You don’t see any of the menial details and that makes a big difference.«
Für denselben Kunden, den russischen Unternehmer und Milliardär Andrei Melnichenko, entwarf Starck auch die 143 Meter lange Segel Yacht A, außerdem gestaltete er für Steve Jobs die Motoryacht Venus, die erst ein Jahr nach seinem Tod im Oktober 2011 fertiggestellt wurde und die unter anderem von dessen unbedingtem Wunsch nach Ruhe geprägt ist. »We always wanted less and less, which was fabulous«, brachte Starck in einem Interview den gemeinsamen Designprozess mit dem Apple-Visionär auf den Punkt.
Eine Aussage, die dazu passt, dass sich Philippe Starck einmal selbst als »the king of concentration« bezeichnete. Obwohl er sich damals auf den mentalen Zustand absoluter Fokussierung bezog, schwingt darin auch etwas anderes mit — nämlich Starcks Fähigkeit, die Essenz eines Objekts herauszuarbeiten und zu unterstreichen. Philippe Starck beschreibt seinen Zugang zum Luxusyacht-Design auch als einen bewussten Bruch mit dem Klischee des monetären Überflusses. Stattdessen gehe es ihm um die Eleganz von Intelligenz und Lebensfreude. In seiner Arbeit konzentriere er sich zunächst auf die Harmonie mit dem Meer, später dann auf das Prinzip einer fast »religiösen« Reduktion — auf das Minimum des Sichtbaren — sowie auf technologische Innovationen, die sich dem Blick entziehen.

NEUER
LUXUS

Sicher ist: Wenn heute über den Begriff von Luxus gesprochen wird, geht es längst nicht mehr um reine Opulenz. »We are seeing a deep shift from traditional opulence to a more nuanced, experience- led, and purposedriven interpretation of value across luxury sectors«, fasst Felix Kilbertus seine Sicht zusammen und setzt nach: »I believe contemporary luxury falls in three categories: Materiality-based, experiential and self-actualization. While the archaic codes of luxury are powerful forces to be reckoned with — provenance, precious materials, symbols of status, power and dominance — we have developed a more sophisticated understanding of what luxury means today. I see materiality-based luxury evolving into a celebration of craftsmanship, tactility, and authenticity — where the choice of materials communicates values rather than price. Experiential luxury shifts the focus from possession to presence: the ability to disconnect, feel safe, and be immersed in beauty and nature. And at its most evolved, luxury becomes a form of self-actualization — designing spaces, objects, and moments that reflect who we are, how we think, and what we stand for. These three approaches define a more meaningful, human-centred expression of luxury — one that resonates deeply across disciplines, from yachts to mobility to architecture.«
Seit einigen Jahren fällt die Wahl der Materialien außerdem mit einem steigenden Nachhaltigkeitsanspruch vieler Hersteller von Luxusprodukten zusammen. So auch bei der Entwicklung von Luxusyachten, betont Kilbertus. »In many ultra-high-networth circles, sustainability is now equated with discernment and cultural leadership. Clients want their yachts to reflect ecological intelligence without compromising elegance or performance.«
Auch bei Heesen ist man der Ansicht, dass Nachhaltigkeit heute integraler Bestandteil der Gestaltung und Entwicklung von Luxusyachten sein muss. Effizientere Rumpfkonstruktionen und hybride Antriebssysteme gehören in diesem Zusammenhang ebenso dazu wie die Reduktion des ökologischen Fußabdrucks innerhalb des Unternehmens, wie auch der Yachten selbst.

WHO WILL
DARE FIRST?

Wohin geht nun die Reise? Bleibt Reduktion auch künftig der gestalterische Leitgedanke oder zeichnen sich andere Linien ab? Das Designteam von Heesen lässt es sich am Ende unseres Gesprächs nicht nehmen, in eine kleine Trendprognose einzutauchen: »We are observing a few key trends. Firstly, an even stronger connection to the water, achieved through expansive use of glass, innovative beach club designs, and folding terraces. Secondly, a heightened focus on wellness, with requests for dedicated gyms, spas, and spaces for relaxation becoming standard. Finally, the seamless integration of smart technology to enhance user experience is critical, as is the continued drive towards more sustainable and efficient yachts that can explore the world with a lighter touch.«
Die Tendenz, durch den Einsatz von Glasflächen größtmögliche Verbindung zum Meer herzustellen, erkennt auch das Designteam der italienischen Riva-Yachten. »It allows both in the hull and in the superstructures to achieve bright interiors and to reduce the barriers between inside and outside.« Keine Zukunftsmusik, sondern ein auch jetzt schon gerne eingesetztes Feature, sind an den Seiten angebrachte, ausklappbare Balkone oder Terrassen, die zur Vergrößerung der benutzbaren Fläche beitragen. »This is a trend first experienced on very large yachts and that is now being implemented also on boats of smaller dimensions.«

Exterior of Riva 130' Bellissima, 40-meter luxury yacht with three decks and expansive glass surfaces.
© Courtesy of Riva

 

Riva 130′ Bellissima: Mit knapp 40 Metern Länge, drei durchgehenden Decks und einer klaren, eleganten Formensprache markiert die Luxusyacht einen neuen Meilenstein im Riva-Portfolio.

 

Interior of Riva 130' Bellissima, 40-meter luxury yacht with three decks and expansive glass surfaces.
© Courtesy of Riva

 

Große verglaste Flächen auf dem Haupt- und Oberdeck schaffen helle, offene Wohnbereiche — und ermöglichen eine
größtmögliche Verbindung zum Meer.

 

»A design that blends in with the sea rather than shouting over it«, resümiert auch Pininfarina-CCO Felix Kilbertus. Außerdem gebe es einige vielversprechende Ideen, die sich unter anderem an Innovationen im Bereich der Architektur orientieren. »But then again — and very broadly speaking — we are not seeing a specific disruptive design trend, at least not quite yet«, so das Fazit des Designers. »However, the current winds of change might encourage some actors — the shipbuilders, naval architects, designers but also the owners — to really go beyond the currently imaginable. With all the incredible development tools at our disposition, there are very few actual limitations today to what can be achieved. Who will dare first?«
Vielleicht könnte ein wichtiger Schritt auf diesem Weg sein, den Begriff »Sprezzatura« aus der Tiefe des Meeresgrundes zu bergen. Um das Gefühl benennen zu können, das entsteht, wenn eine moderne Luxusyacht nicht mehr nach Aufmerksamkeit schreit, sondern ihre visuelle Stille es zulässt, dem Rauschen des Meeres zuzuhören. Oder um es in Philippe Starcks Worten zu sagen: »We always wanted less and less, which was fabulous.«

ARTIKEL ERSTMALS VERÖFFENTLICHT IN CHAPTER №XII »SIMPLICITY« – SOMMER 2025

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