Konzeptyachten erfüllen im Superyacht-Design eine ähnliche Rolle wie man sie von Konzeptfahrzeugen aus der Automobilindustrie kennt. Sie erlauben Designteams, frei von Zwängen neue Formen, Materialien und Ideen auszuloten und dienen gleichzeitig Herstellern als Visitenkarten für Innovationskraft und Mut, die Grenzen des Machbaren stets neu zu definieren. Im Jahr 2025 wurden zahlreiche solcher Superyacht Designkonzepte präsentiert, von etablierten Werften ebenso wie von unabhängigen Designstudios oder jungen Nachwuchsdesigner:innen. Chapter stellt fünf besonders bemerkenswerte Projekte vor, die zentrale Themen der Gegenwart aufgreifen: nachhaltige Antriebstechnologien, innovative Raumnutzung sowie eine neue Ästhetik, die oftmals von der Natur inspiriert ist.
Lily – Vripack & Oceanco
Mit Lily präsentierten die niederländische Werft Oceanco und das Yacht-Designstudio Vripack ein 101 Meter langes Konzept, das in mehrfacher Hinsicht unkonventionell ist. Die Gestaltung folgt einer asymmetrischen, halbgeschossigen Decksorganisation, welche Sichtlinien, Luftzirkulation und Raumerlebnis an Bord optimieren soll – ein Bruch mit der sonst streng symmetrischen Welt der Superyachten.
Der Name ist Programm: Die Formensprache zitiert die Wasserlilie, deren Blütenblätter sich schützend um ein Zentrum legen. So überlappen sich die Decks von Lily auf organische Weise und erzeugen geschwungene Konturen, die an einen sich schließenden Blütenkelch erinnern. Ein Motiv das auch im Interieur seine Fortsetzung findet: Versetzte Halbetagen und eine gläserne Atrium-Stiege schaffen ein räumliches Erlebnis, das herkömmliche Decksstrukturen auflöst.
Das niederländische Designstudio Vripack unterstreicht, dass Lily im Spannungsfeld zwischen visionärem Design und technischer Umsetzbarkeit konzipiert wurde. Mit der aerodynamische Linienführung des auf zwei Ebenen angelegten Stahlrumpfs sollen die Sichtlinien, die Luftzirkulation und das Erlebnis für die Eigentümer:innen optimiert werden. Das Konzept sprenge dabei, laut den Designer:innen, nicht nur Grenzen, sondern hebe sie vollständig auf.
Auch funktional denkt Lily voraus – unter anderem mit einem zukunftsweisenden Antriebsmix. Das Yachtkonzept soll mit einem neuartigen Hybrid-Antrieb aus Methanolreformer-Brennstoffzellen und Dual-Fuel-Motoren (Methanol/Diesel) angetrieben werden, wobei für jeden Kraftstofftyp eigene Tanks vorhanden sind.
Project LAYRA – Allstars Design
Das zwischen 70 und 90 Metern skalierbar lange Konzept Project LAYRA, vorgestellt vom finnischen Studio Allstars Design, richtet sich laut seinen Entwickler:innen an »visionäre Werften und anspruchsvolle Eigner:innen«. Schon auf den ersten Blick fällt LAYRAs ungewöhnliches Profil auf: Die Silhouette wirkt wie aus horizontalen Schichten aufgebaut, was tatsächlich Programm ist – die gestapelten Decksegmente legen die Zwischendeck-Struktur des Schiffs offen und werden zum prägenden Gestaltungselement. Dieser strukturierte »Schichtbau« verleiht der Yacht nicht nur einen hohen Wiedererkennungswert, sondern folgt auch einer klaren Designlogik: Die horizontal betonten Linien des Rumpfes mit leicht ausladendem Bug und die integrierten, bandartigen Strukturelemente sollen konstruktive Klarheit und Ruhe vermitteln. Allstars Design bezeichnet das Konzept als »visuelle Intelligenz« – die Modularität und Funktionalität der Architektur soll mit einer ansprechenden Ästhetik einhergehen.
Farblich setzt Project LAYRA außen auf ein klares Weiß für den Rumpf, getönte Verglasung und Akzente in hellem Blau, während innen kühle Steintöne, helle Eiche, Edelstahl und schwarze Details ein modernes, zurückhaltendes Ambiente schaffen. Eine der vielen Besonderheiten der Superyacht ist der zentral im Rumpf platzierte Beach-Club auf dem Unterdeck, der über ausklappbare Terrassen an beiden Bordseiten direkten Kontakt zum Meer bietet.
Auch Nachhaltigkeit wird bereits in der Entwurfsphase mitgedacht: Die Yacht kann optional mit Solarpanels als Schattendach sowie einem für Wasserstoff-Antrieb vorbereiteten Rumpf ausgestattet werden. »The initial idea behind Project LAYRA was to design a vessel with engineering clarity, modularity, and layered build logic to attract shipyard interest, intended more for ownership than for charter. Conceived exclusively for MTB Superyacht 2025, it reflects Allstars Design’s drive to challenge convention and craft new benchmarks for beauty and purpose on the water«, erklärt der verantwortliche Designer Nicola Olivieri, Head of Allstars Design, gegenüber Chapter.
Project Velor – Nauta Design
Mit Project Velor stellt das italienische Designstudio Nauta Design ein 75-Meter-Konzept vor, das konventionelle Raumaufteilungen in Frage stellt. Das Herzstück von Project Velor ist ein innovatives architektonisches Konzept: Der Maschinenraum wurde aus dem üblichen Heckbereich herausgelöst und in ein unterstes Technikdeck verlegt. Dadurch gewinnt die Yacht erheblich mehr Volumen auf den oberen vier Decks – Nauta spricht davon, den Komfort und die Funktionen einer Fünfdeck-Yacht in einem Vierdeck-Entwurf unterzubringen.
Äußerlich setzt Project Velor auf eine elegante Offenheit. Klare, lange Linien und sanft geschwungene Formen bestimmen die Seitenansicht, während im Detail scharfkantige Abschrägungen und überhängende Lamellenpaneele das Design prägen. Großflächige Verglasungen und offene Atrium-Treppenhäuser versuchen die Geschossgrenzen sowie Innen- und Außenraum visuell ineinandergreifen zu lassen. Besonders charakteristisch ist das Heck: Hier öffnet sich ein »Open-Air Water Patio« direkt zum Meer: ein teils überdachter, aber seitlich offener Terrassenbereich auf dem Unterdeck, flankiert von abklappbaren Plattformen.
Antriebstechnisch setzt das Konzept auf einen sparsamen dieselelektrischen Hybrid mit vier Generatoren um Effizienz und Reichweite zu gewährleisten. Project Velor verkörpert damit eine moderne Interpretation des Themas Superyacht: Mit großer Flexibilität, Funktionalität und Wohnlichkeit – offen gestaltet und stark auf die Verbindung mit der Meeresumwelt ausgerichtet.
Dragonfly – Lürssen & Germán Frers
Bei der 142 Meter langen Dragonfly handelt es sich eigentlich – anders als bei den übrigen in dieser Liste – nicht um ein reines Konzept, sondern um eine tatsächlich von Lürssen gebaute Yacht. Dennoch verdient sie an dieser Stelle einen Platz unter den aktuell spannendsten Designprojekten, da ihre Konzeption in vielerlei Hinsicht visionär ist. Verantwortlich für das äußere Erscheinungsbild zeichnet der argentinische Designer Germán Frers, der hier seinen von Segelyachten und Klassikern geprägten Stil in ein großes Motoryachtformat übersetzt hat. Dragonfly besticht durch ein kraftvolles, nahezu militärisch anmutendes Profil mit scharf geschnittenem, steil aufragendem Bug und klaren, geradlinigen Decksaufbauten. Frers’ erklärtes Ziel war es laut eigenen Aussagen, ein ausgewogenes Superyacht Design mit zeitloser Anziehungskraft zu schaffen.

Unter der formalen Geradlinigkeit verbergen sich jedoch zahlreiche technische Finessen, war doch bei der Planung der Dragonfly auch ein Fokus auf Nachhaltigkeit zentraler Faktor. In diesem Sinne ist die Superyacht mit einem dieselelektrischen Antriebssystem, einem elektrischen Azimut-Pod-Antrieb und in die Getriebe integrierten PTI/PTO-Einheiten ausgestattet, die entweder einen elektrischen Antrieb oder eine Stromerzeugung für den Betrieb des Schiffes ermöglichen.

Ein Highlight von Dragonfly findet sich am Heck: Hier haben Lürssens Ingenieure ein zweistufiges, klappbares Plattformsystem entwickelt, das es erlaubt, Teile des Achterdecks abzusenken und so einen großzügigen Beach Club direkt auf Wasserhöhe zu schaffen. Großzügig zeigen sich auch die weitläufigen, luxuriös gestalteten Decks – darunter ein Hauptdeck-Pool mit Glasboden, ein Spa, ein Kino, ein multifunktionales Sportcenter sowie ein komplettes Business-Deck als schwimmendes Büro samt Konferenzraum und Hubschrauber-Hangar. Für die Gestaltung aller Innen- und Außenbereiche zeichnet dabei wiederum das italienische Studio Nauta Design verantwortlich.
Haven – CS Yacht Design (Felix Chapman-Sheath)
Eine völlig andere Perspektive auf die Zukunft bietet das Konzept Haven, entworfen vom jungen Design-Studenten Felix Chapman-Sheath (CS Yacht Design). Mit 85 Metern Länge definiert sich Haven als »state-of-the-art sustainable superyacht«. Anstatt primär mit äußerer Größe oder Opulenz zu beeindrucken, setzt Haven inhaltliche Schwerpunkte: emissionsfreie Technik, neue Raumkonzepte und eine harmonische Einbindung von Natur-Elementen.
Die Außenansicht der Yacht ist von weitläufigen Deckterrassen geprägt, die in ihrer Staffelung fast an modernistische Architektur erinnern. Transparente Balustraden und offene Übergänge zwischen den Ebenen schaffen den Eindruck eines schwimmenden Atrium-Palastes. Besonderes Highlight des Konzepts ist der namens-inspirierende Zen-Garten – eine Reminiszenz an japanische Gestaltung, die Ruhe und Kontemplation an Bord fördern soll.
Beim Antrieb soll Haven konsequent auf alternative Energien setzen. Denkbar sind laut Designer eine Kombination aus Brennstoffzellen, Batterietechnik und Solarflächen, um echte Emissionsfreiheit zu erreichen. Nachhaltigkeit steht bei Haven jedoch nicht nur im technischen Sinne im Vordergrund, auch ästhetisch soll die Yacht diese bereits kommunizieren: Das Interior Design wirkt hell, offen und naturverbunden. Geschwungene Formen prägen das gesamte Erscheinungsbild, strenge Strukturen sucht man vergeblich.
Als Konzept erfüllt Haven seinen Zweck bereits jetzt: Es widmet sich der Frage, wie zukünftig Luxus und Ökologie auf im Superyacht Design vereint werden können. Haven ist in jedem Fall ein Entwurf, der wie alle hier vorgestellten Konzepte zeigt, dass Fortschritt aus dem Mut entsteht, etablierte Pfade zu verlassen und in vielen Bereichen gänzlich neu zu denken. [CS]