Clubkultur

Das Konzept von Lynk & Co

Photo Credits: Lynk & Co

»Wir verkaufen keine Autos, wir verkaufen Mobilität«, sagt Alain Visser, CEO der Volvo-Schwesternmarke Lynk & Co, gleich zu Beginn des Gesprächs. Damit macht der branchenerfahrene Belgier sehr schnell klar, was er meint, wenn er in Gesprächen und Interviews Lynk & Co als das »wilde Pferd« im Stall der chinesischen Dachmarke Geely bezeichnet, zu der unter anderem auch Polestar und Lotus gehören. Er lacht, wenn er sich an den Moment erinnert, als er sein Konzept zum ersten Mal innerhalb des Konzerns präsentierte. »Die haben mich angesehen, als hätte ich etwas geraucht«, erzählt er. Seine Augen leuchten als würde sich dieser Moment gerade wiederholen. Was das wilde Pferd im Geely-Stall dann getan hat? Es hat sich auf die Hinterbeine gestellt und ist losgaloppiert.

Guerilla Marketing

Doch nun erstmal zu den wichtigsten Eckpunkten: Vor rund einem Jahr brachte Geely mit Lynk & Co eine neue Marke nach Europa. Dabei ging es aber weniger um das Auto selbst als vielmehr um das Konzept, das dahintersteckt. Bei Lynk & Co liegt der Schwerpunkt nämlich nicht auf dem Verkauf der Autos, sondern auf der Vermietung. Für 500 Euro pro Monat bekommt man neben 1.250 Freikilometern auch Zulassung, Wartung und Versicherung. Außerdem kann der Wagen ganz im Sinne der Sharing-Kultur beliebig untervermietet werden, wodurch ein Teil der Kosten wieder hereingeholt werden kann. Wer möchte, kann das Auto mit dem Modellnamen »01« auch kaufen. »Unsere Zielsetzung für dieses Jahr waren 9.000 Mitglieder, momentan stehen wir bei mehr als 30.000«, erzählt Alain Visser.

 

 

Der Lynk & Co 01. Das erste Modell der jungen Marke erhielt diesen November in gleich zwei Kategorien die »Winner«-Auszeichnung des German Design Awards 2022: »Excellent Product Design – Passenger Vehicles« sowie »Excellent Product Design – Conceptional Transportation«.

 

Er fügt hinzu, dass sich 95 Prozent der Lynk & Co-Mitglieder für das Abo-Modell und nur fünf Prozent für einen Kauf entschieden haben. »Ich sage immer, dass wir wie Spotify sind, aber auch CDs verkaufen. Wir merken aber, dass sich der Großteil unserer KundInnen eher für Streaming als für physische Tonträger begeistert«, so Visser. Weil das Jahr 2021 von Anfang an als Testjahr für die junge Marke gesehen wurde, gab es bislang noch kaum Marketingaktivitäten. Ab nächstem Jahr soll das anders werden, kündigt Alain Visser an. Doch auch hier möchte man einen anderen Weg gehen, keine Print- und TV-Werbung machen, sondern lieber auf Social Media und Events setzen. »Weil wir uns als Marke gerne disruptiv positionieren wollen, soll sich das auch in unseren Marketingaktivitäten widerspiegeln«, bringt es der Lynk & Co-CEO auf den Punkt.

 

 

Erfahrungen statt Besitztümer

Für Visser, der seine Karriere 2004 bei General Motors startete und zuletzt Senior Vice President bei Volvo war, war der Wechsel zu Lynk & Co auch eine Abrechnung mit der eigenen beruflichen Vergangenheit. Und eine Zäsur. »Ich habe zwei junge Söhne im Alter von 22 und 26. Wenn die beiden mich fragen, was ich eigentlich 30 Jahre lang gemacht habe und ich dann antworte, dass ich Autos verkauft habe, ist das kein gutes Gefühl«, erzählt Visser. Seiner Meinung nach hätte sich die Autoindustrie seit 100 Jahren kaum verändert und sich auch das Auto selbst in den letzten 50 Jahren weniger stark weiterentwickelt als das Smartphone in den letzten fünf Jahren. »Auch wenn das vielleicht arrogant klingt, weiß ich, wovon ich spreche. Und deshalb bin ich davon überzeugt, dass die Welt etwas anderes braucht«, macht er seinen Standpunkt klar.

 

 

Argumentationsgrundlage ist für Visser vor allem der sich global abzeichnende Sharing-Trend. »Es gibt jetzt schon viele Menschen, die lieber Geld für Erfahrungen als für Besitzgüter ausgeben«, ist der Belgier überzeugt. Eng verbunden mit dem immer stärker werdenden Faktor Nachhaltigkeit wird das Auto, so Visser, in Zukunft immer mehr an identitätsstiftender Kraft verlieren. »Nur wenn es nicht darum geht, so viele Autos wie möglich zu verkaufen, ist man als Marke wirklich nachhaltig. Es reicht nicht, nur Elektroautos zu bauen«, untermauert der CEO seine Argumentation. Dass Lynk & Co mit einem Hybrid gestartet ist, läge vor allem daran, dass die Lade-Infrastruktur noch in zu geringer Form vorhanden sei. Das nächste Fahrzeug soll aber auf jeden Fall ein Elektrofahrzeug sein, so Visser.

Clubs als Aushängeschilder

Weil die Idee des Abo-Systems ganz neu ist, gab es für Alain Visser und sein Team keinerlei Vorbilder, an denen sie sich hätten orientieren können. Ein Risiko, aber auch eine Chance, wie der CEO betont. »Dasselbe zu tun wie alle anderen und zu hoffen, dass man es besser macht als alle anderen, halte ich für ein größeres Risiko als etwas ganz Neues zu beginnen.« An seine Idee hat Alain Visser durchgehend geglaubt, auch wenn die Umsetzung einige Herausforderungen – auch bürokratischer Natur – mit sich brachte. Und er hat Leute gefunden, die ebenfalls daran glauben. Waren es im Januar noch 150 MitarbeiterInnen, sind es mittlerweile 600. Lachend fügt er hinzu, dass 80 Prozent davon noch nie in der Autoindustrie gearbeitet haben, »aber Lust darauf haben, neue Wege zu gehen«.

 

 

Ergänzend zum Abo-System hat Lynk & Co auch Clubs entwickelt, in denen in Zukunft regelmäßig Events stattfinden sollen. Bis das wieder möglich ist, werden die Clubs, die in Amsterdam, Göteborg, Antwerpen und Berlin bereits ihre Türen geöffnet haben, zum Arbeiten oder für Meetings genutzt. Wenn Alain Visser von den Clubs erzählt, entsteht der Eindruck, dass es sich dabei um die eigentlichen Aushängeschilder der Marke handelt. »Alles was wir tun, wird im Club lebendig. Deshalb hat das Design der Clubs für uns einen extrem hohen Stellenwert«, erklärt er. »Sie tragen dazu bei, die Marke emotional erfahrbar zu machen.« Emotion plus Erfahrung minus Besitz scheint also die Erfolgsformel von Lynk & Co zu sein. Plus Spaß natürlich. Daran lässt ein Gespräch mit Alain Visser keinen Zweifel. [SW]