Es ist durchaus bemerkenswert, wie viele der spektakulärsten Designstudien historische Modelle zum Vorbild haben. Der Mercedes Vision EQ Silver Arrow zum Beispiel, der sich ganz klar an die historischen Silberpfeile anlehnt, dabei aber so aussieht, als wäre er direkt aus dem Weltall auf die Erde gekommen. Obwohl es auf den ersten Blick oft nicht so scheint, schlagen viele Konzeptfahrzeuge also eine Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft. Das bedeutet: Wer eine Designstudie vor sich hat, blickt in vielen Fällen nicht nur in die Zukunft, sondern gleichzeitig auch in die Vergangenheit einer Marke.Die folgende Liste ist der vorerst letzte Teil unserer Artikelreihe.
Wie schon bei den beiden ersten Teilen gilt auch hier, dass es sich dabei um eine subjektive Auswahl handelt. Eines ist trotzdem sicher: Der Blick in die Zukunft des Automobildesigns ist nicht nur Ausblick, sondern auch Rückblick.
2017 Porsche 919 Street
Als 2017 der Porsche 919 Street als 1:1-Claymodell vorgestellt wurde, dürfte Markenkennern sofort klar gewesen sein, an welches Erfolgsmodell aus den eigenen Reihen sich das Designteam rund um Chefdesigner Michael Mauer hier angelehnt hatte – an den legendären 919 Hybrid nämlich, mit dem der deutsche Luxusautomobilhersteller zwischen 2015 und 2017 dreimal hintereinander den Sieg beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans einfuhr. Mit dem 919 Street wollte Porsche nun auch Amateurfahrern das spektakuläre Renngefühl dieses Autos näher bringen. Allerdings streng limitiert und ohne Straßenzulassung. Leider scheiterte das Projekt an der für ein Kundenfahrzeug zu komplexen Hochleistungs-Renntechnik, weshalb es nur bei einem Claymodell blieb. Optisch heftete man sich bei der Designstudie dafür eng an die Fersen des legendären Rennautos. So erinnern unter anderem die in die Kotflügel integrierten Scheinwerfer wie auch die schmale Fahrerkanzel mit dem umlaufenden Fensterband an den 919 Hybrid.
2018 Mercedes Vision EQ Silver Arrow
»Mit historischen Silberpfeilen war Mercedes-Benz schon vor über 80 Jahren ein Geschwindigkeitspionier – unter anderem dank deren Stromlinienform«, so Gorden Wagener, Chief Design Officer der Daimler AG und Designer dieser spektakulären Studie. Daran, so Wagener, knüpft der Vision EQ Silver Arrow an. Auch die Lackierung in Alubeam-Silber erinnert an die aus Gewichtsgründen von weißem Lack befreiten Silberpfeile. In puncto Formensprache blieben Gorden Wagener und sein Team bei dieser Studie nah an jenem klaren, nahtlosen Design, das bei Mercedes unter »sinnlicher Klarheit« zusammengefasst wird. Die Räder des Vision EQ Silver Arrow sind zur Hälfte verkleidet und die Fahrerkanzel kann nach vorne aufgeklappt werden. Startpunkt des futuristischen Silberpfeils war ein interner Wettbewerb mit der Aufgabe, ein radikal reduziertes Fahrzeug im Stile der Dreißigerjahre modern interpretiert zu entwerfen.
2019 DS X E-Tense
Diese avantgardistische Studie der Citroën-Schwestermarke DS ist, so der französische Konzern, »Ergebnis einer leidenschaftlichen Reise ohne Einschränkungen«. Ein Traumauto im wahrsten Sinne des Wortes. Mit diesem Ansatz interpretierte das DS-Designteam rund um Thierry Métroz das Wesen von Designstudien also auf radikale Weise neu und entwarf damit auch gleich eine von allen Konventionen losgelöste Vision von französischem Luxus. Auffallend ist vor allem die Asymmetrie des Sportwagens, außerdem hat der DS X E-Tense kein Dach. »Obwohl der Antrieb rein elektrisch ist, sollte der DS X E-Tense Fahrspaß und Adrenalin hervorrufen. Deshalb wurde beim Design eine offene Cockpit-Version gewählt. Es gibt kein Dach, gefahren wird mit einem speziellen Helm in einem Schalensitz, der mit der Karosserie eine Einheit bildet«, erklärt Métroz. Aber auch die Lichtsignatur wurde aufgebrochen. »Heute werden sämtliche Fahrzeuge nach dem gleichen Muster gebaut. Sie verfügen über eine Haube, eine Schürze, einen Flügel – und zwischen diesen Elementen wird ein Scheinwerfer integriert. Wir sehen die Zukunft als Auflösung von Scheinwerfern und Leuchten. Die Karosseriefläche wird selbst zum Lichtelement«, so der Designer.
2019 Jaguar Vision Gran Turismo Coupé
Dieser Jaguar ist kein klassisches Concept Car, denn er wurde für die beliebte Videospielreihe »Gran Turismo« entworfen. Aufgrund der besonderen Verschmelzung von futuristischen und puristischen Designelementen hat sich das Coupé dennoch einen Platz in dieser Liste verdient. In der Verbindung aufregender Designversionen mit Elementen der ikonischen C-, D- und E-Type Rennlegenden ist ein Auto entstanden, das zu 100 Prozent der Jaguar Design-DNA entspricht. So erinnern unter anderem die vorderen Radläufe an den C-Type und die elegante Kabine verweist auf den E-Type Lightweight. Entworfen haben es vor allem junge Designer und Designerinnen aus dem Designteam des Unternehmens. »Dieses Projekt haben wir komplett in die Hände unserer jungen Designer gegeben. Für sie bot sich die wohl einmalige Chance, ein in unserer Historie verwurzeltes Modell zu entwerfen, das zugleich die Grenzen des künftigen Designs verschiebt«, erklärt Designdirektor Julian Thomson. Ein absolutes Traumprojekt, erklärt Oliver Cattell-Ford, Exterieur Designer im Jaguar Advanced Design.
2020 Mercedes-Benz VISION AVTR
Das von Mercedes auf der Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas präsentierte Konzeptfahrzeug soll nicht nur die Mobilität von morgen zeigen, sondern auch einen Ausblick darauf geben, wie es künftig aussehen könnte, wenn Maschine, Mensch und Natur eine harmonische Verbindung miteinander eingehen. Inspiriert wurden Gorden Wagener und sein Team dabei vom Science-Fiction-Film »Avatar«, dessen Regisseur James Cameron bei der ersten Präsentation des Fahrzeugs auch anwesend war. Aufgrund seiner gerundeten Formen erinnert der Mercedes-Benz VISION AVTR an den Mercedes F 015, der fünf Jahre zuvor auf der CES präsentiert wurde. Eine der vielen Besonderheiten des außergewöhnlichen Konzeptfahrzeugs ist, dass es zum Leben erwacht, sobald man sich ihm nähert. 33 bewegliche und beleuchtete Flaps – einzelne filigrane bionische Klappen – sorgen für diesen Eindruck. »Als ob das Auto atmen würde«, bringt es Gorden Wagener auf den Punkt. Sie übernehmen Lichtfunktionen und sind darüber hinaus auch aerodynamisch nutzbar. [Red.]
