Es ist durchaus bemerkenswert, wie eine Marke, die Luxus, Handwerkskunst und Individualisierung auf konstant höchstem Niveau definiert, doch immer wieder neue Wege und Herausforderungen findet, das eigene Level in noch anspruchsvollere Sphären zu hieven. Doch mit der Vorstellung seines neuesten Sondermodells schafft Rolls-Royce Motor Cars zum wiederholten Male solch ein beachtliches Kunststück – im wahrsten Sinne des Wortes. Zum 120-jährigen Jubiläum der Marke huldigt Rolls-Royce seiner zeitlosen Muse, der Spirit of Ecstasy, mit einer einzigartigen Private Collection unter dem Namen Phantom Scintilla. Das auf nur zehn Exemplare weltweit limitierte Sondermodell zelebriert dabei die ätherische Schönheit, den Anmut und das Vermächtnis der ikonischen Skulptur, die bekanntermaßen die Motorhaube aller Modelle ziert. Chapter konnte in Goodwood, im »Home of Rolls-Royce«, einen ersten Blick auf das in aufwendigster Handarbeit entstandene automobile Kunstwerk werfen und im Gespräch mit den verantwortlichen Designer:innen spannende Insights zum herausfordernden Entwicklungsprozess gewinnen.
Über 2.500 Menschen sind im beschaulichen Goodwood, im südenglischen West Sussex, für die traditionsreiche Luxusmarke Rolls-Royce tätig. Nebst globalem Hauptsitz befindet sich hier auch das so genannte Centre of Luxury Manufacturing Excellence – der einzige Ort auf der Welt, an dem Rolls-Royce Automobile entworfen, konstruiert und in sorgfältiger Handarbeit gebaut werden. Und Letzteres muss hier wirklich sehr wörtlich und im engsten Sinne interpretiert werden. Denn wer durch die weitläufigen Hallen mit ihren selbstredend logistisch perfekt getakteten und exakt orchestrierten Arbeitsabläufen schreitet, sucht trotz modernster Technik die in der Automobilfertigung sonst üblichen Industrieroboter und Automatisierungslösungen vergeblich. Die von vielen Marken so gerne und inflationär bemühte Marketingphrase der »Liebe zur Handwerkskunst« wird hier nämlich tatsächlich und bis ins kleinste, oftmals fast absurd anmutende, Detail gelebt und liebevoll gepflegt: Seien es eigene »Humidor-Räume«, in denen unterschiedlichste Holzfurniere in penibel kontrollierten Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsbedingungen individuell lange eingelagert werden, damit die Hölzer atmen und für die Interior-Verarbeitung geschmeidig werden können. Oder die höchst anspruchsvollen Produktionsabläufe des Starlight Headliners Effekts, für den bis zu 1.600 einzelne LED-Lichter von erfahrenen Kunsthandwerker:innen sorgfältig und mit größter Präzision von Hand in das vorher im selben, individuellen Muster perforierte Leder des Dachhimmels eingearbeitet werden.
Jene beeindruckende Produktionsqualität, die bei klassischen Rolls-Royce Modellen schon anspruchsvoller Standard ist, wird jedoch von den hochexklusiven Bespoke Anfertigungen und Private Collections in Sachen Detailtiefe, Handwerkskunst und Einfallsreichtum nochmals deutlich übertroffen: Die meist auf eine Handvoll Exemplare limitierten automobilen Meisterwerke und begehrten Sammelobjekte werden über Private Offices ausschließlich Superluxuskunden des britischen Traditionshauses angeboten und teilweise auch in enger Zusammenarbeit mit jenen VIP Kunden entwickelt. Und selbstverständlich stellt auch die Vorstellung einer auf meist jahrelanger Entwicklungsarbeit beruhender Sonderkollektion einen in vielerlei Hinsicht wichtigen Moment für die Marke dar, wie auch Chris Brownridge, Chief Executive Rolls-Royce Motor Cars, betont: »The unveiling of a Private Collection is always a landmark moment. These rare and collectible motor cars illustrate the boundless ingenuity and skill of the creatives and craftspeople at the Home of Rolls-Royce, and stimulate ideas among our clients for their own commissions. They also affirm Rolls-Royce’s status as an authentic luxury house. We do not simply build motor cars – we create rare, complex and exquisitely crafted super-luxury products that are highly prized by collectors today and will be cherished long into the future.«
Ganz in diesem Sinne gibt es für den nun vorgestellten Phantom Scintilla, kaum einen passenderen Rahmen als das kalifornische over-the-top Luxus-Autombilevent The Quail, das jeden August eine Parallelwelt für Automobilenthusiast:innen und high-end Autohersteller eröffnet. Die Gestaltung des auf nur zehn Exemplare limitierten Fahrzeugs zeigt sich als Hommage an die Spirit of Ecstasy – jene so ikonische Rolls-Royce Kühlergrill-Statue, für die die Bezeichnung »Maskottchen« fast nach einer unwürdigen Beleidigung klingt.
Deren Ursprünge reichen dabei zurück bis ins Jahr 1910, als der damalige Rolls-Royce Geschäftsführer Claude Johnson den Bildhauer und Illustrator Charles Sykes beauftragte, eine Figur zu entwerfen, die die Essenz von Rolls-Royce verkörpern sollte. Als Basis schlug er dafür die antike griechische Skulptur Nike von Samothrake, die den Moment des Abhebens einer geflügelten Göttin einfängt, vor. Charles Sykes hingegen entschied sich schlussendlich für eine feinere, ätherische Figur, die Anmut, Ruhe und subtile Kraft der Marke besser zum Ausdruck bringen würde. Bei der Kreation des Phantom Scintilla hat das Rolls-Royce Bespoke Design Team nun einige von Johnsons ursprünglichen Inspirationen wieder aufgegriffen, indem es Materialien und subtile Verweise auch auf die Nike von Samothrake in die Gestaltung einfließen ließ.
So stellt das bereits äußere Erscheinungsbild des Phantom Scintilla eine Hommage an jene Historie dar: Die obere Karosserie ist in der Farbe Andalusian White gehalten, die untere in Thracian Blue, inspiriert von den Farben des Meeres rund um ebenjene Insel Samothraki der nördlichen Ägäis. Ein subtiler metallischer Schimmer soll dabei das Glitzern des Sonnenlichts auf dem Wasser imitieren. Die handgemalte doppelte Coachline und die Wheel Pinstripes in Spirit Blue vervollständigen die einzigartige Exterior-Gestaltung.
Für die bei diesem Modell natürlich besonders zentrale Figur der Spirit of Ecstasy wurde mit einem eigenen Keramik-Finish gearbeitet, das sehr präzise auf die Textur des originalen parischen Marmors der Nike von Samothrake anspielt. Ein vermeintlich kleines Detail, das allerdings auf intensiven Arbeitsprozessen basiert, wie auch Celina Mettang, Bespoke Colour and Material Designer bei Rolls-Royce erzählt: »We were fascinated with the qualities of Parian marble, and this material became the subject of our research for many months. To create a clear and elegant connection to the famed statue, we developed a ceramic finish that captures the translucence and purity of this unique stone, and perfectly embraces the ethereal nature of our icon.«
Das Innenraumdesign soll die fließende Bewegung der Robe der Spirit of Ecstasy in einem komplexen Stickmuster widerspiegeln, das den gesamten Innenraum durchzieht. Brienny Dudley, der mit der Umsetzung dieser Idee betraute Kunsthandwerker, experimentierte hierfür mit einer Vielzahl von Stichen und Farbtönen, bevor er sich schließlich für den Tatami-Stitch entschied, der in sechs Schichten aufgebracht wurde, die sich in unterschiedlicher Dichte und Komplexität miteinander verflechten – die gesamte Innenraumkomposition umfasst dabei beeindruckende 869.500 Stiche. »Translating this design into a three-dimensional form was a wonderful creative challenge, requiring more than two and a half years of close collaboration with our Bespoke design team to achieve the right level of detail, texture and tactility in the embroidery. Having two canvases – leather and fabric – added another level of complexity, as these materials respond to stitching in different ways. 36 individually embroidered panels had to be carefully curated so that they aligned perfectly, creating a seamless, flowing motif through the interior suite«, so Brienny Dudley, Bespoke Craft Specialist bei Rolls-Royce Motor Cars.
Das gestickte Motiv auf den Türen stellt das aufwendigste, weil komplexeste Türdesign dar, das je auf einem Rolls-Royce zu sehen war: Es besteht aus 633.000 Stichen, bei denen Garn in mehreren Farbtönen kombiniert und durch beleuchtete Perforationen ergänzt wurde. Bei Nacht nimmt die Stickerei ein faszinierendes, leuchtendes Funkeln an und scheint von innen heraus zu glühen.
Diese Detailliebe zu Bereichen, die selbst bei Rolls-Royce sonst weniger im Design-Zentrum stehen, stellt auch für Katrin Lehmann, Bespoke Color & Material Designer bei Rolls-Royce Motor Cars eine Besonderheit des Phantom Scintilla dar: »We wanted to create a single graphic that almost appears as a watercolour artwork—we call it ‘painting with thread’. To create a luminescent effect, we used four different colours, thread thicknesses and stitch orientations. In doing so, we covered areas never explored in a Rolls-Royce before, achieving the most extensive density of embroidery ever seen in a Rolls-Royce motor car.«
Ein weiteres wahrlich außergewöhnliches Highlight des Phantom Scintilla stellt sicherlich das Kunstwerk in der Gallery dar, die sich wie schon bei anderen Modellen über die gesamte Breite des Armaturenbretts erstreckt. Das Kunstwerk mit dem Titel Celestial Pulse besteht aus sieben Bändern, die einzeln aus massivem Aluminium gefräst wurden, bevor sie mit der gleichen feinkörnigen Keramikoberfläche wie die Spirit of Ecstasy Figur verziert wurden. Die Kanten sind auf Hochglanz poliert, so dass sie das Licht einfangen und ein Gefühl von Bewegung und Fließen vermitteln.
»Speed with silence, the absence of vibration, the mysterious harnessing of great energy, and a beautiful living organism of superb grace«, so lautet übrigens Claude Johnsons in Worte gefasstes Originalbriefing für die zu entwickelnde Rolls-Royce Statue. Eine in vielerlei Hinsicht beeindruckende Analogie zur Essenz der britischen Luxusmarke. Heute mehr denn je und natürlich ganz besonders im Hinblick auf das nun präsentierte automobile Kunstwerk Phantom Scintilla Private Collection. [CS]
