»Surrealism is destructive, but it destroys only what it considers to be shackles limiting our vision«, so eine Aussage Salvador Dalís. Alles andere als einschränkend oder limitierend präsentiert sich der neue, beeindruckende Salvador Dalí Bildband des TASCHEN Verlags. Sowohl der Bildband als auch die begleitende Chronologie spannen eine Welt auf, in der man sich selbst und jegliches Zeitgefühl verlieren kann.
»Stop and look closely. Don’t take anything for granted«, schrieb Anita Wallerstein über eine umfassende Retrospektive, die dem Künstler Salvador Dalí im Jahr 1965 in der New Yorker Gallery of Modern Art gewidmet wurde. Dasselbe könnte man auch über die neue, auf 10.000 Stück limitierte TASCHEN-Publikation sagen, die sich in zwei Bänden – einem Bildband und einer Chronologie – mit dem Werk des spanischen Künstlers auseinandersetzt. Der Bildband im Baby-SUMO-Format zeigt die wichtigsten Bilder Dalís auf schwarzem Hintergrund und in bestechender Qualität, die unter anderem darauf zurückzuführen ist, dass zur Herstellung des Bildbandes 150 Bilder des Künstlers aus dem Rahmen genommen und neu fotografiert wurden.
Begleitet wird das Buch von einem Chronologieband mit Texten von Montse Aguer und Carme Ruiz von der Fundació Gala-Salvador Dalí in Figueres, der Heimatstadt des Künstlers. Die beiden Autorinnen erzählen die Geschichte des Künstlers und seiner Zeit mit zahlreichen Zitaten aus seinen eigenen Schriften und Briefen nach, verweben diese aber auch mit Besprechungen seiner Ausstellungen wie auch mit Fotos, Skizzen, Briefausschnitten und Zeitschriftenartikeln.
Mit dieser umfassenden Publikation setzt TASCHEN dem stets polarisierenden spanischen Künstler ein Denkmal, das einmal mehr zeigt, dass Dalí in seinen Bildern Welten erdacht und gemalt hat, die auch 35 Jahre nach seinem Tod noch Überraschendes bereithalten. Der Bildband und die begleitende Chronologie legen auch nahe, dass es nicht ausreicht, Salvador Dalí nur als Aushängeschild des Surrealismus zu betrachten. Er setzte sich nicht nur kritisch mit der Welt und seiner Zeit auseinander, sondern auch mit den Strömungen, denen er angehörte, von denen er sich aber auch wieder löste.
Sowohl der Bildband als auch die Chronologie sind in Zeitabschnitte unterteilt, die die künstlerische Entwicklung Dalís Schritt für Schritt nachzeichnen – seine von den Futuristen geprägten Anfänge, die surrealistische Periode, in der die meisten seiner bekanntesten Bilder entstanden, seine Hinwendung zu den Klassikern wie auch zu Wissenschaft und Religion. Wichtig sind auch seine zahlreichen (künstlerischen) Begegnungen und nicht immer spannungsfrei ablaufenden Freundschaften, wie unter anderem zu dem Dichter Federico García Lorca, aber auch zu André Breton, Juan Miró, Luis Buñuel, Coco Chanel und vielen anderen.
Die Chronologie gewährt zudem Einblicke in Dalís erste schüchterne Begegnung mit Pablo Picasso oder mit dem für seine Kunst mehr als prägenden Sigmund Freud, der zu Stefan Zweig über Dalí sagte: »I have to thank you indeed for the introduction of our visitor of yesterday. Until now, I was inclined to regard the Surrealists – who seem to have me adopted as their patron saint – as one hundred percent fools (let us say 95 percent, as with alcohol). This young Spaniard, with his ingenuous fanatical eyes, and his undoubtedly technically perfect mastership, has suggested to me a different estimate.«
Die Bedeutung der Psychoanalyse, der Träume und der Welt der optischen Täuschungen wird nicht nur in Dalís Bildern deutlich, sondern auch in vielen seiner Aussagen: »I do my work subconsciously. I never use models or paint from life or landscapes. It is all my imagination. That is, I see everything in a dream as I am working.« Er sagte auch: »I paint automatically and it is related to what madmen do, the only difference being that I do not confuse the imaginary world with the real one.«
Dalí war jedoch nicht nur Maler, sondern auch Bühnen- und Kostümbildner, Autor, Kolumnist, Vortragender und in Hollywood-Produktionen, wie etwa mit Walt Disney und Alfred Hitchcock, involviert. Er wirkte bei Modeprojekten mit und war auf Society-Magazinseiten präsent.
Die Reihe SUMO des TASCHEN Verlages schrieb schon 2005 – mit der Herausgabe eines monumentalen Bildbandes zum Werk des Fotografen Helmut Newton – Geschichte. Die Reihe »Baby SUMO« ist zwar nicht ganz so groß, aber nicht weniger monumental. Erwähnenswert ist auch die Verbindung des von Benedikt Taschen gegründeten Verlags zu Salvador Dalí: Vor vierzig Jahren widmete der Verlag dem spanischen Künstler seine erste Künstler-Monografie. »Dalí« hatte 96 Seiten, der Autor der Monografie war der Brite Conroy Maddox, selbst Surrealist. Die nun vorliegende Hommage ist sehr viel mehr als nur ein Nachfolger dieser als Taschenbuch herausgegebenen Monografie – es ist ein Buchkunstwerk, in dem man sich selbst wie auch – passend zum Werk des Künstlers – Raum- und Zeitgefühl verlieren kann. [SW]
DALÍ. BABY SUMO
Hardcover in einer Schlagkassette, 36.7 x 50 cm, 8.39, 438 Seiten
Edition von 10.000 Exemplaren
taschen.com